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Wirtschaft: Brüssel zeigt Lufthansa die gelbe Karte

BERLIN .Ob sich Matthias Wissmann mit dem Votum von EU-Wettbewerbskommisar Karel van Miert zufrieden geben wird?

BERLIN .Ob sich Matthias Wissmann mit dem Votum von EU-Wettbewerbskommisar Karel van Miert zufrieden geben wird? Noch Ende Mai auf der Ila hatte der Bundesverkehrsminister im Schulterschluß mit Lufthansa-Chefpilot Jürgen Weber unmißverständlich zu Protokoll gegeben, daß er jeden politischen Einfluß in Brüssel konsequent nutzen werde, um jede Art von Einsprüchen abzuwehren.Im laufenden Prüfverfahren der EU-Kommission, die seit beinahe zwei Jahren fünf Allianzen europäischer Fluggesellschaften - darunter auch die Kooperation der Deutschen Lufthansa und der skandinavischen SAS mit der US-Fluggesellschaft United Airlines - kritisch unter die Lupe nimmt, vermag der Minister keinen rechten Sinn zu erkennen.Es sei absurd, erfolgreiche Allianzen in Frage zu stellen, unterstrich Wissmann.Das Gegenteil sei nötig.Partnerschaften müßten vielmehr nach Kräften unterstützt werden.Nur so könnten die Fluggesellschaften in einem offenen und expandierenden Luftverkehrsmarkt überleben.

Offenbar sind seinem politischen Einfluß in Brüssel doch Grenzen gesetzt.Am Mittwoch wird EU-Wettbewerbskommissar van Miert klarstellen, zu welchen Konditionen die Allianzen von Brüssel akzeptiert werden.Endgültig wird dann im Herbst entschieden.Vor beinahe zwei Jahren hatte die Kommission auf der Grundlage von Artikel 89 des EU-Vertrages ein Prüfverfahren eingeleitet, um so mögliche Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht festzustellen.Auch auf dem Luftverkehrsmarkt will die Behörde van Mierts konsequenterweise einen fairen Wettbewerb sicherstelllen.Marktbeherrschende Positionen sind dafür freilich die denkbar schlechteste Voraussetzung."Wir haben ein europäisches Wettbewerbsrecht und daran halten wir uns strikt.Der Binnenmarkt kann nur funktionieren, wenn alle gleiche Chancen haben", lautet das Credo des Brüsseler Wettbewerbshüters, dessen Entscheidungen nicht erst seit der Absage an die Pay-TV-Allianz von Kirch und Bertelsmann in Deutschland immer wieder auf Unverständnis stoßen.Ausgerechnet: Schließlich haben es sich die Deutschen selber zuzuschreiben, daß in Brüssel heute so entschieden wird, wie entschieden wird.Bekanntlich kam der stärkste Zuspruch für eine strikte Wettbewerbskontrolle in der Union jahrelang aus Bonn.

Das freilich ist Schnee von gestern.So wie die Dinge inzwischen liegen, dürfte auch der Bundesverkehrsminister jetzt mehr als nur schwer schlucken, daß Brüssel es offenbar wagen will, Lufthansa und United eine empfindliche Ausdünnung ihres Flugplans auf den Nordatlantikrouten zu verordnen.Die Rede ist von bis zu 50 Prozent auf den Strecken zwischen Frankfurt (Main) und Washington bzw.Chicago, die dann für einen befristeten Zeitraum von einem halben Jahr auch kleineren, interessierten Wettbewerbern frei zur Verfügung stehen sollen.Außerdem sollen etwa 100 Start-/Landerechte in Frankfurt der Konkurrenz zur Verfügung gestellt werden.Unklar ist, ob auch das nur probehalber verordnet wird oder als Conditio sine qua non verstanden werden muß.Und schließlich wird über Auflagen für die Reservierungs- und Vielfliegerprogramme nachgedacht.Dabei droht der Fluggesellschaft zusätzlicher Druck aus Berlin.Denn das Bundeskartellamt, das die Partnerschaft von Lufthansa, SAS und United parallel zur Wettbewerbskommission in Brüssel prüft, ließ jetzt durchblicken, daß das Verfahren um das Lufthansa-Vielfliegerprogramm "Miles and More" wieder aufgenommen werde.

Bereits im Februar hatte Lufthansa-Chef Jürgen Weber die schon in Aussicht genommenen Brüsseler Auflagen in einem Brief an Wettbewerbskommissar van Miert als völlig unangemessen bezeichnet.Dies, so Weber damals, laufe auf eine klare Enteignung hinaus.Als "Re-Regulierung" und "ideologiebestimmt" bezeichnete Weber noch Ende April, auf der Bilanzpressekonferenz von Lufthansa, das Ansinnen aus Brüssel.Klar, daß sich Lufthansa gegen jede Form der Einflußnahme zur Wehr setzen wird - mit tatkräftiger Unterstützung Bonns.

Die Empörung in der Chefetage des frisch privatisierten Nationalcarriers ist verständlich: Nur mit einem gewaltigen Kraftakt konnte sich das Flugunternehmen von den Folgen eines Beinahe-Crashs Anfang der 90er Jahre erholen.Die vor einem Jahr aus der Taufe gehobene Star-Alliance, an der neben United und SAS auch Air Canada, Thai Airways und Varig sowie mittlerweile Air New Zealand und Ansett Australia beteiligt sind, trägt maßgeblich zu einer stabilen Ertragsentwicklung und mithin sichereren Arbeitsplätzen bei.Allein im vergangenen Jahr soll die Star-Alliance nach Schätzungen der BHF-Bank Lufthansa zusätzlich 400 Mill.DM beschert haben.Tendenz steigend.Vor allem aber haben die Frankfurter offensichtlich Angst, daß die allgegenwärtige Konkurrenz, die größte europäische Fluggesellschaft British Airways mit ihrem Wunschpartner American Airlines, dem größten US-Carrier, im Poker um die Genehmigung der europäischen Flugallianzen am Ende womöglich besser abschneiden könnte.

MARTINA OHM

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