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Gut zu tun. Christian Klünder betreibt seine Buchbinderei in Berlin-Moabit seit 30 Jahren. „Man muss sich auf Kundenwünsche einlassen“, sagt er. Foto: Paul Zinken

© Paul Zinken

Buchbinder: Verpackungen für Gedrucktes

Kleine Auflage, große Wirkung: Buchbinder geben privaten Memoiren, Firmenchroniken oder Abschlussarbeiten eine Form.

Ein Schritt vom Gehweg in die Buchbinderei Klünder im Berliner Stadtteil Moabit und man steht in einer Werkstatt wie aus einem Bilderbuch. Aufwendig eingebundene Werke sind in einer Glasvitrine aufgereiht, zu bindende Papiersammlungen liegen genau auf Kante zwischen Trennplatten aus Holz, auf einem Regal stehen zylindrische Pappkartons. Am großen quadratischen Tisch in der Mitte des Raumes stehen Christian Klünder und seine Tochter Alexandra über ihre Arbeiten gebeugt. Während die 34-Jährige Bücher in Broschurumschläge klebt, um sie vor Abnutzung zu schützen, fertigt ihr Vater Schachteln mit grüner Verkleidung.

Vor Weihnachten ist noch ein Berg Arbeit zu bewältigen. Eine Kundin hat ein Stück Leder vorbeigebracht, der um ihren Kalender für 2011 geschlagen werden soll, eine Bibel muss pünktlich zum Fest noch repariert werden, großformatige Schwarz-Weiß-Fotografien warten auf ihren Einband – um als Familienchronik in Bildern verschenkt zu werden.

Ob es Perspektiven im Buchbinderhandwerk gibt? „Das ist eine Frage der Einstellung zum Kunden“, sagt der 58-jährige Christian Klünder. „Man muss offen sein, sich auf Kundenwünsche einzulassen.“ Er betreibt den Laden in der Berliner Rathenower Straße seit 30 Jahren. Schon 1923 wurden unter dieser Adresse Bücher gebunden. Früher habe man vor allem für den öffentlichen Dienst gearbeitet, sagt er, also für Universitäten, Bibliotheken oder Rathäuser. „Das ist in den 70er und 80er Jahren ziemlich weggebrochen“, sagt der Unternehmer. Die öffentliche Hand macht heute maximal zehn Prozent seiner Aufträge aus. Dafür bestellen Rechtsanwälte, Architekten, Künstler, Fotografen und Unternehmen bei Klünder Firmenpräsentationen, Unternehmenschroniken, Speisekarten und Portfolios.

Oder Studenten lassen ihre Abschlussarbeiten bei ihm binden. Die Kommunikationsdesigner unter ihnen haben häufig besondere Wünsche. Klünder zieht einen bunt bedruckten Band aus dem Regal. Es ist die Abschlussarbeit einer Studentin, ein doppelter Leporello, der sich von zwei Seiten her aufklappen lässt. „Sie ist vorbeigekommen und wir haben probiert, wie das geht“, sagt er. Daneben liegt eine Schachtel, wie er sie für Künstler fertigt. Darin ist Platz für zwei CDs und einen USB-Stick. Auch für Medaillen baut Klünder Schachteln, „von diesen Auszeichnungen gibt es mehr, als man denkt“, sagt Alexandra Klünder – auch eine Nische für das Handwerk. Wer als Buchbinder bereit ist, solche Arbeiten zu machen, wird auch in Zukunft sein Auskommen haben, sind beide überzeugt.

Natürlich ist in der Buchbinderbranche nicht alles rosig. Die industrielle Fertigung dominiert das Geschäft, das jahrhundertealte Handwerk hat stark verloren. Die Zahl der Beschäftigten ist laut Institut für Arbeitsmarktforschung von rund 32 000 im Jahr 1999 auf 22 000 im Jahr 2009 gesunken. Der Bund Deutscher Buchbinder zählt in Deutschland rund 1200 handwerkliche Buchbindereien, von denen drei Viertel wie Christian Klünder Einzelfertigungen und kleinere Serien herstellen. Ihre Zahl ist rückläufig.

Für Maik Beckmann, Inhaber der gleichnamigen Buchbinderei in Bochum, liegt das auch daran, dass den Menschen der Mut fehlt, einen Betrieb zu übernehmen. Arbeit, schätzt er, wäre nämlich genug da. „Durch den Digitaldruck ergeben sich für Buchbinder gerade im Kleinserienbereich neue Möglichkeiten“, sagt er. Für die Industrie sei eine Auflage von 100 Büchern viel zu klein, um interessant zu sein. Solche Serien mit bis zu 500 Exemplaren werden beispielsweise bei wissenschaftlichen Arbeiten bestellt. Auch immer mehr Privatleute gestalten dank digitaler Technik für Hochzeiten, Geburtstage und andere Anlässe Bücher, schreiben ihre Memoiren oder Reiseerinnerungen auf und lassen diese in kleiner Auflage beim Buchbinder fertigen.

„Seit zwei Jahren haben wir zum Beispiel im Sommer viele Anfragen für Bücher zur Hochzeit“, sagt Buchbinderin Alexandra Klünder. Die Kunden seien oft erstaunt, wie sehr ein Einband das Gedruckte aufwerte. Die Buchbinderei kann auf Wunsch auch den Einband prägen, in flachen Schubladen liegen dafür Buchstaben in verschiedenen Schrifttypen und allerlei Motive bereit. „Viele Menschen gehen dankbar hier raus“, sagt Alexandra Klünder. Freudige Gesichter gibt es auch, wenn das richtige Passepartout zum Bilderrahmen zugeschnitten wurde oder das Kochbuch der Großmutter geflickt ist.

Christian Klünder, der im Vorstand der Buchbinderinnung Berlin-Brandenburg sitzt, rät dem Nachwuchs, auch in Zukunft auf die Restaurierung und Reparatur von Büchern zu setzen. Und er zitiert seinen Berufsschullehrer: „Solange etwas gedruckt wird, hat der Buchbinder etwas zu tun.“ Constance Frey

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