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Privates Geld für den Autobahnbau?

© picture alliance / dpa

Bürgerfonds für Infrastruktur-Finanzierung: Geld mitverdienen, wenn der Staat Straßen baut

Eine von Sigmar Gabriel einberufene Kommission schlägt vor, mehr privates Kapital für öffentliche Investitionen zu mobilisieren. Dazu gehört ein Bürgerfonds. Die Finanzwirtschaft ist zufrieden, die Gewerkschaften sind skeptisch.

Müssen die Deutschen demnächst nicht nur zahlen, wenn ihr Staat in Straßen, Tunnels, Flughäfen oder neue Gebäude investiert – sondern können sie auch daran verdienen? Geht es nach einem Expertengremium, das Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) einberufen hatte, dann könnte es dazu kommen. Die Kommission unter Leitung des Ökonomen Marcel Fratzscher hat nach monatelanger Vorarbeit am Montag ihre Ergebnisse vorgestellt – und eine der Forderungen lautet, einen „Bürgerfonds“ einzurichten „als Sammelstelle für Infrastrukturfinanzierung durch individuelle Sparer“. Der Fonds ist als neue Anlageform neben traditionellen Möglichkeiten wie Sparkonten oder Staatsanleihen gedacht, allerdings mit besseren Renditen bei vertretbarem Risiko, wie Fratzscher sagte. Er kann sich vorstellen, dass der Fonds nicht nur Wohlhabenden offen steht, sondern auch über die Arbeitnehmersparzulage finanziert wird. Eine Staatsgarantie für das eingesetzte Kapital soll es nicht geben, stattdessen spricht die Kommission von erhöhten Transparenzvorschriften.

Das Ziel: Mehr privates Kapital für öffentliche Zwecke

Um mehr privates Kapital für staatliche Investitionen sammeln zu können – das war das vorgegebene Ziel der Kommission –, wird auch ein öffentlicher Infrastrukturfonds vorgeschlagen, in den vor allem institutionelle Großinvestoren wie Versicherungen und Pensionsfonds ihr Geld anlegen können. Sie müssten dies auf eigenes Risiko tun. Fratzscher bezifferte den Investitionsrückstand in Deutschland gegenüber dem Schnitt der entwickelten Industriestaaten auf 90 Milliarden Euro. Der größere Teil davon entfalle zwar auf die private Wirtschaft, aber auch der Staat muss nach Ansicht der Kommission mehr tun. Daher sollten sich Bund und Länder eine neue Haushaltsregel geben, nach der jährlich mindestens so viel investiert werden muss, dass die übliche Abnutzung der Infrastruktur ausgeglichen wird. Unerwartete Haushaltsüberschüsse, wie etwa beim Bund im vorigen Jahr, sollten vorrangig in Investitionen fließen – was die Bundesregierung im aktuellen Haushaltsplan schon umgesetzt hat. Auch der Weg zu einem 15-Milliarden-Paket für Städte und Gemeinden, den die Fratzscher-Kommission fordert, ist mit dem Kommunalfonds in Höhe von 3,5 Milliarden Euro beschritten worden, den die Regierung unlängst beschloss. Die Kommission ist sich auch einig, dass die staatlichen Investitionen effizienter umgesetzt werden müssen. Dazu schlägt sie neue Institutionen vor wie eine Beratungsgesellschaft für die kommunalen Investitionen oder – als „langfristige Lösung“ – die Überführung der Bundesfernstraßen in eine eigene öffentliche Betreibergesellschaft, die sich unter anderem aus Mauteinnahmen finanzieren soll.

DGB-Chef Hoffmann ist skeptisch

Jürgen Fitschen schien mit den Vorschlägen ganz zufrieden zu sein: Versicherungswirtschaft und Pensionsfonds stünden bereit, ihr Geld in die vorgeschlagenen Investitionsprojekte einzubringen. Gemeint waren jene Fondslösungen, welche die Expertenkommission vorstellte. Reiner Hoffmann, der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds, teilt zwar die Analyse der Kommission, dass in Deutschland zu wenig investiert werde, und zwar auch vom Staat. Doch die Schlussfolgerungen der anderen Experten teilt er nicht so ohne weiteres. Ihre Bedenken haben die Gewerkschaften, die in der Kommission breit vertreten waren, in „ergänzenden und abweichenden Positionen“ zum Kommissionsbericht dokumentiert. Die Uneinigkeit verwundert nicht: Denn die Vorschläge der Kommission unter Leitung von Fratzscher, dem umtriebigen Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), bewegen sich im Spannungsfeld zwischen Offenbarung und Sündenfall.

Erst einmal über Steuern und Schulden finanzieren

Und wo Fitschen für seine Branche ganz neue und zweifellos lukrative Möglichkeiten bei überschaubarem Risiko sieht, da befürchtet Hoffmann eher ein Abrücken von Glaubensgewissheiten. Für die Gewerkschaften können Ideen wie der Bürgerfonds oder der für die Finanzwirtschaft konzipierte öffentliche Infrastrukturfonds nur Zusatzlösungen sein, wenn die traditionellen Finanzierungsoptionen ausgeschöpft sind. Und das sind Steuern und Schulden. Bei den Steuern geht aus Gewerkschaftssicht noch einiges, würden die Privilegien für sehr hohe Vermögen und Einkommen sowie für Erbschaften rückgängig gemacht. Und angesichts der Niedrigzinsphase wäre für Hoffmann und seine Kollegen auch die Kreditfinanzierung „ein günstiger Weg, die Infrastruktur zu modernisieren“. Grundsätzlich müsse gelten, dass private Finanzierungen nicht wesentlich teurer sein dürfen als die direkte Kreditaufnahme durch den Staat. Was freilich schwierig wird, weil deutsche Staatsanleihen als recht risikolos gelten und daher einen relativ niedrigen Zinskupon haben. Um den Renditenachteil der Privatbeteiligungsfonds zu verringern, schlagen die Gewerkschaften vor, sie als öffentliche Einrichtungen zu organisieren, mit ausreichend Eigenkapital und eigenen Einnahmen (etwa durch eine Maut) und vor allem mit eine Staatsgarantie.

Auch Verbraucherschützer sehen private Investitionen ohne Sicherheitsnetz grundsätzlich skeptisch. Jede private Finanzierung müsse sich an der Benchmark der Staatsanleihe orientieren und so aufgebaut sein wie die früheren Bundesschatzbriefe, heißt es beim Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV). Das Risiko für die private Investition müsse beim Fonds liegen, nicht beim Verbraucher. Es dürfe keine Haftungsübertragung geben, letztlich müsse der Staat haften. „Eine Übertragung des Risikos auf andere ist illusorisch“, heißt es beim VZBV ganz grundsätzlich.

Eine Zwickmühle für Gabriel?

Doch mit solchen Sicherungen würde man sich aus Sicht der Befürworter der Privatkapitalfonds wieder dem Sündenfall nähern. Denn Fonds mit Staatsgarantie könnten als Versuch gewertet werden, die Regeln der Schuldenbremse auszuhebeln, indem unter dem Mäntelchen der privaten Beteiligung quasi Nebenhaushalte eröffnet werden für Infrastrukturprojekte, für die im normalen Etat das Geld fehlt. So könnte der Bericht der Kommission den Auftraggeber noch in eine Zwickmühle bringen. Denn Wirtschaftsminister Gabriel will einerseits neue Finanzierungsinstrumente inklusive Privatkapital, um Deutschland bei den Investitionen wieder über den Schnitt der Industriestaaten zu bringen (ein Ziel, das im Koalitionsvertrag verankert ist). Aber er will auch keinen Streit mit den Gewerkschaften, deren eher traditionelle Vorstellungen in der SPD auf Sympathie stoßen dürften.

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