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Wirtschaft: Bund und Länder kündigen Gemeinden die Tarifgemeinschaft auf

Streit im Lager der öffentlichen Arbeitgeber spitzt sich zu / Bundesländer bereiten sich darauf vor, das Weihnachts- und Urlaubsgeld zu kürzen

Berlin (fo/dc/HB). Vier Monate nach dem umstrittenen Tarifabschluss im öffentlichen Dienst eskaliert der Streit unter den Arbeitgebern. Vor dem Hintergrund wachsender Finanznöte haben Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) und Bayerns Finanzminister Kurt Faltlhauser (CSU) die bisherige Verhandlungsgemeinschaft von Bund und Ländern mit den Kommunen für beendet erklärt. Falls es zum endgültigen Bruch kommt, müssen die Kommunen Tarifkonflikte mit der Gewerkschaft Verdi künftig allein austragen. Sie beschäftigen fast die Hälfte der 2,9 Millionen Arbeitnehmer der öffentlichen Hand.

Die einheitliche Front von Bund, Ländern und Gemeinden im Tarifpoker bröckelt ohnehin. Das Land Berlin ist bereits aus dem Verbund ausgestiegen, um seine spezielle Haushaltsnotlage besser berücksichtigen zu können. Die Bundesländer Hessen und BadenWürttemberg drohen mit dem Ausstieg. Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) hatte den Verbleib des Landes noch kürzlich von Reformen abhängig gemacht. Der Bund refinanziere sich über die Steuern, die Zeche der Tarifabschlüsse bezahlten Länder und Gemeinden, meint Koch. Bayern dagegen will entgegen anders lautenden Spekulationen die Tarifgemeinschaft vorerst nicht verlassen.

Schily und Faltlhauser werfen jetzt in einem gemeinsamen Brief der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) „Vertrauensbruch“ vor. „Durch ihr unsolidarisches Verhalten hat die VKA de facto die Verhandlungsgemeinschaft mit Bund und Ländern aufgekündigt“, heißt es in dem Schreiben, das dem Handelsblatt vorliegt. „Wir sehen daher keine Basis mehr für die bisherige Verhandlungsgemeinschaft." Der Vertrauensbruch besteht für sie darin, dass die VKA im Februar – kurz nach dem gemeinsamen Lohnabschluss – mit den Gewerkschaften einen Tarifvertrag über Entgeltumwandlung geschlossen hat. Auf diesem Wege können kommunale Arbeitgeber und ihre Beschäftigten Steuern und Sozialbeiträge sparen, die dann in den anderen Kassen fehlen. Die VKA beruft sich indes auf mündliche Absprachen mit Schily und Faltlhauser.

Zugleich bereitet die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL), deren Vorsitzender Faltlhauser ist, nach Handelsblatt-Informationen eine Kündigung der Tarifverträge über Sonderzahlungen vor. Im Zuge gesetzlicher Kürzungen des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes für Beamte könnte die Tarifgemeinschaft dann mit den Gewerkschaften über ähnliche Einschnitte bei Tarif-Arbeitnehmern verhandeln. Eine offizielle Bestätigung dafür gab es zunächst nicht. Der im Januar erzielte Lohnabschluss belastet die Etats nach Rechnung des Bundesinnenministeriums mit gut sechs Milliarden Euro. Eine Übertragung auf die 1,7 Millionen Beamten kostet danach weitere fünf Milliarden Euro.

VKA-Chef Stüber gab sich auf Anfrage irritiert über die in dem Brief erhobenen Vorwürfe, sieht den Tarifverbund aber noch nicht am Ende. „Jetzt werden wir erst einmal einige klärende Gespräche führen müssen", sagte er. „Zunächst gehe ich davon aus, dass es sich eher um eine Drohgebärde der Länder handelt.“ Stüber verwies darauf, dass sich alle Beteiligten im Januar schriftlich verpflichtet hätten, das als veraltet und unpraktikabel geltende Tarifrecht des öffentlichen Dienstes bis 2005 grundlegend neu zu ordnen. Nach seiner Kenntnis seien neben den Kommunen auch Bund und Länder weiter an der Reform interessiert. „Wir werden die Tür nicht zuschlagen“, sagte Stüber. „Notfalls aber verhandeln wir auch allein mit den Gewerkschaften."

Abgesehen vom konkreten Anlass hat die Eskalation des Streits offenbar mit den Spannungen innerhalb der Länder-Gemeinschaft zu tun: Falls sich die Tarifgemeinschaft von den Kommunen und im zweiten Schritt auch vom Bund abkoppelt, könnte sie austrittswillige Länder möglicherweise in ihren Reihen halten. Vor allem Baden-Württembergs Regierungschef Erwin Teufel (CDU) treibt zurzeit einen Austritt voran, um wie bereits Berlin ohne Rücksicht auf die Belange von Bund und Kommunen eine eigene Tarifpolitik machen zu können.

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