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Wirtschaft: Bund will Außenstände zu Geld machen

Verkauf von Forderungen soll Haushaltslöcher stopfen / Eichel fehlen 2005 rund neun Milliarden Euro

Berlin Auf der Suche nach zusätzlichen Einnahmemöglichkeiten für den Bundesetat haben die Haushälter im Berliner Finanzministerium die Forderungen des Bundes an seine Schuldner in den Blick genommen: Alle Außenstände werden nach Angaben aus Ministeriumskreisen daraufhin untersucht, ob sie an den Finanzmärkten verkauft werden könnten. Besonderes Interesse, auch der Haushaltspolitiker der Koalition, weckt dabei das Vermögen aus dem früheren Marshall-Plan von 1947. Heute befindet sich das Geld als „European Recovery Programm“ (ERP) außerhalb des offiziellen Haushalts. Über die Auflösung dieses Schattenetats will das Kabinett am kommenden Mittwoch beraten.

Aus dem Topf der einstigen US-Wiederaufbauhilfe für das kriegszerstörte Deutschland werden heute Mittelstandsprogramme finanziert. Das ERP umfasst derzeit 30 Milliarden Euro, von denen zehn Milliarden Euro für neue Programme bereitstehen und zwei Milliarden über die staatseigene KfW-Bankengruppe verwaltet werden. Die restlichen 18 Milliarden Euro sind Forderungen an Unternehmen, die früher einen günstigen Kredit aus dem Programm erhalten haben. Diese Forderungen ließen sich an den Finanzmärkten gegen einen Abschlag verkaufen.

Das Ausmaß der neuen Haushaltslöcher wird Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) am heutigen Donnerstag mit dem Ergebnis der Steuerschätzung bekannt geben. Wegen des Wachstums, das geringer als erwartet ausfallen dürfte, fehlen dem Bund für 2005 voraussichtlich mehr als drei Milliarden Euro Steuereinnahmen. Gleichzeitig steigen die Kosten für die Arbeitslosigkeit um schätzungsweise sechs Milliarden Euro. Für 2006 erwarten die Haushälter der Grünen und der Union eine Lücke gegenüber der bisherigen Planung von 15 Milliarden Euro.

„Einen Plan, Forderungen zu verkaufen, gibt es auf Ministerebene nicht“, heißt im Finanzministerium. Allerdings sehe man grundsätzlich Forderungsverkäufe als gute Möglichkeit, kurzfristig und ohne Bundesratszustimmung Mehreinnahmen zu generieren. Der Haushalt 2005 sieht bereits Forderungsverkäufe der Pensionskasse für die ehemaligen Postbeamten vor. 2004 verbriefte Eichel zudem einen Teil der Russlandschulden.

Eichels Gesetzesentwurf für das ERP-Vermögen sieht bisher vor, dass von den zehn bereit stehenden Milliarden acht das Eigenkapital der KfW stärken sollen, die dann alle Mittelstandsprogramme des Bundes bündeln würde. Zwei Milliarden hat Eichel für seinen Etat 2005 vorgesehen.

Dagegen allerdings gibt es Widerstand im Wirtschaftsausschuss des Bundestages und seinem ERP-Unterausschuss. Die SPD-Abgeordnete Sigrid Skarpelis-Sperk versucht, die Auflösung des ERP-Vermögens zu verhindern: Der Bundestag müsse die politische Kontrolle über die Förderprogramme behalten, fordert sie. Eichel will dies über den Aufsichtsrat der KfW-Bankengruppe sicherstellen.

Bei Koalitions-Haushältern wiederum weckt der ERP-Topf noch weiter gehende Begehrlichkeiten: Nicht zwei, sondern die gesamten zehn Milliarden Euro solle Eichel in den Etat transferieren. Jedoch gilt die völlige Auflösung des ERP-Vermögens, gegen die Union und FDP Sturm laufen würden, auch in den eigenen Reihen als nicht durchsetzbar. dri/HB

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