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Wirtschaft: Bundesbank konstatiert eine Verschiebung der Unternehmensfinanzierung

Die Unternehmen in Deutschland werden sich nach Auffassung der Bundesbank in Zukunft notwendiges Kapital mehr und mehr nicht nur über Kredite, sondern direkt am Kapitalmarkt durch Unternehmensanleihen besorgen. Technischer Fortschritt, Strukturwandel, wirtschaftspolitische Reformen, rapide sinkende Kosten und nicht zuletzt der Euro würden diese Entwicklung fördern, schreibt die Bundesbank im Monatsbericht Januar.

Die Unternehmen in Deutschland werden sich nach Auffassung der Bundesbank in Zukunft notwendiges Kapital mehr und mehr nicht nur über Kredite, sondern direkt am Kapitalmarkt durch Unternehmensanleihen besorgen. Technischer Fortschritt, Strukturwandel, wirtschaftspolitische Reformen, rapide sinkende Kosten und nicht zuletzt der Euro würden diese Entwicklung fördern, schreibt die Bundesbank im Monatsbericht Januar. Den Banken selbst drohe dadurch aber kein rascher Funktions- und Bedeutungsverlust. Allerdings würden sich ihre Vermittlungsleistungen weiter differenzieren und es werde zu einer Vielfalt von Finanzierungsformen kommen.

Diese Entwicklung wird nach Ansicht der Bundesbank zum Beispiel auch durch die Liberalisierung etwa des deutschen Telekommunikationsmarktes befördert. Dadurch sei eine Welle von Restrukturierungen und Firmenübernahmen ausgelöst worden. "Im Zusammenhang mit derartigen Aktivitäten wurden 1999 einige der größten Industrieanleihen in der deutschen Geschichte emittiert."

Noch allerdings werden die Kreditbeziehungen in Deutschland, so die Bundesbank, durch klassische Bankkredite dominiert. Die Bedeutung von Unternehmensanleihen sei verschwindend gering. Ende 1998 erreichten Bankkredite ein Volumen von 2,6 Billionen Euro gegenüber zwei Billionen Euro, die über Anleihen und Geldmarktpapiere finanziert waren. Allerdings hat sich bereits in den neunziger Jahren ein rasanter Wandel vollzogen: Ende 1990 machte das Volumen der Anleihen nur die Hälfte des Umfangs der ausstehenden Bankkredite aus.

Vor allem die öffentlichen Haushalte bedienen sich der Finanzmittelbeschaffung über Anleihen. Ende 1998 entfielen 59 Prozent ihrer Verbindlichkeiten auf Anleihen. In der Industrie dagegen spielt diese Finanzierungsform noch eine völlig untergeordnete Rolle. Der Anteil lag Ende 1998 bei gerade mal zwei Prozent. Dabei handelt sich zum großen Teil sogar um Postanleihen, so dass auf echte Industrieobligationen im Blick auf alle Finanzierungsformen lediglich ein Viertel Prozentpunkt entfällt.

Damit hinken deutsche Produktionsunternehmen im internationalen Vergleich weit hinter anderen Industrieländern hinterher. Mitte 1999 waren nach Angaben der Bundesbank deutsche Industrieanleihen mit einem Volumen von 52 Milliarden Euro in Umlauf, in Frankreich waren es 180, in Großbritannien 260, in Japan 727 und in den USA sogar 2,7 Billionen Euro. Auch gegenüber den deutschen Banken steht die deutsche Industrie weit zurück: Dort ist das Volumen der Anleihen mehr als 20 Mal so hoch.

Die Bundesbank erklärt diesen Rückstand unter anderem mit der traditionell stark mittelständisch geprägten Struktur der deutschen Wirtschaft. Für solche Firmen sei der Gang an den Kapitalmarkt schon aus Kostengründen begrenzt. Wegen der hohen Fixkosten seien Anleihen mit einem Volumen von unter 50 Millionen Mark bisher ohnehin die Ausnahme gewesen.

Auf der anderen Seite sieht die Bundesbank auch in der Nachfragestruktur in Deutschland ein Problem. Hierzulande fehlen immer noch große institutionelle Anleger wie etwa die großen Pensionsfonds im angelsächsischen Raum. Mit der verstärkten Bedeutung der privaten Altersvorsorge könnte sich dies allerdings ändern. Impulse für den Anleihemarkt erwartet die Bundesbank auch aus der zunehmenden Renditeorientierung und Risikoneigung der Anleger. Schließlich könnte auch der Euro für neuen Schwung sorgen, weil damit institutionellen Investoren aus dem Euro-Ausland das Währungsrisiko bei Geldanlagen in Deutschland genommen worden ist.

ro

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