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© dpa

Bundesbank-Vorstand Kotz: "Ausschüttungen sind fragwürdig“

Banken sollen sich mit Boni und Dividenden zurückhalten, sagt Bundesbank-Vorstand Hans-Helmut Kotz.

Die Deutsche Bank hat 2009 einen Milliardengewinn erwirtschaftet. Auch US-Investmentbanken stehen wieder gut da. Sind sie froh darüber – oder auch verärgert?



Wir sind natürlich zufrieden, wenn Banken auskömmliche Gewinne erwirtschaften. Das gilt vor allem, wenn sie aus Leistungen erwachsen, die den Kunden dienen. Nur Kreditinstitute mit angemessenen Erträgen können die Wirtschaft ordentlich finanzieren.

Ein erklecklicher Teil der Gewinne resultiert aus Krisenmaßnahmen von Notenbanken und Regierungen.


Das ist allerdings richtig. Aufgrund der Krise mussten Politik und Notenbanken außergewöhnliche Maßnahmen ergreifen. Die kurzfristigen Zinsen sind deshalb sehr niedrig, die langfristigen dagegen vergleichsweise hoch. Das bietet den Banken erhebliche Gewinnpotenziale. Und die Institute, die am Kapitalmarkt tätig sind, erzielen Erträge aus den beispiellosen Stützungsprogrammen. Diese werden über Anleihen finanziert, und dies wiederum organisieren Banken. Das heißt, sie profitieren davon, dass der Staat eingreifen musste, um den großen gesellschaftlichen Schaden, der auch durch ihr Tun entstanden ist, möglichst gering zu halten.

Und die so entstandenen Gewinne werden vielerorts als enorme Boni ausgeschüttet.


Das ist höchst fragwürdig. Alles, was in Richtung Ausschüttung geht, mithin nicht der Stärkung der Eigenkapitalbasis dient, passt nicht in das zu erwartende Umfeld. Es passt nicht, weil es nicht der Finanzstabilität dient. Gerade nach dieser beispiellosen Krise müssen die Banken ihre Gewinne dazu nutzen, sich wetterfest zu machen: Sie müssen sich selbst versichern. Es stellt einen Fehlanreiz erster Ordnung dar, wenn die Banken davon ausgehen könnten, dass Gewinne ihnen bleiben, aber bei ganz großen Verlusten der Steuerzahler zahlt.

Das Image der Banken ist am Boden. Haben sie dafür Verständnis?


Verständnis schon. Aber Emotionen helfen wenig. Die Schelte ist zudem arg undifferenziert. Es geht nicht um gute Unternehmer und schlechte Banker. Sondern darum, wie das ordnungspolitische Regelwerk aussehen soll, so dass der Finanzsektor seinem eigentlichen Zweck genügt: der zuverlässigen Finanzierung der Wirtschaft und der Bereitstellung verlässlicher Dienstleistungen für die Kunden. Es gab ohne Frage Fehlentwicklungen, die abgestellt werden müssen. Gleichzeitig wird zu schnell verdrängt, dass die Kreditwirtschaft über Jahrzehnte zum Erfolg der deutschen Wirtschaft maßgeblich beigetragen hat.

Banker klagen schon jetzt über zu starke Regulierung. Von außen besehen ergibt sich der Eindruck, dass als Konsequenz der Krise so viel noch gar nicht passiert ist.

Die Frage nach weniger Regulierung führt in die falsche Richtung. Es geht um ein angemessenes, Stabilität gewährendes, konsistentes und wirksames Regelwerk. Banken stören sich oft an Regulierung, weil damit Kosten verbunden sind. Es gibt Bereiche, die gewiss nicht besonders wirksam reguliert sind. Es gibt auch Aktivitäten außerhalb der beaufsichtigten Finanzmärkte, die gar nicht reguliert sind, obwohl dort das Gleiche wie bei regulierten Instituten geschieht.

Was kommt auf die Banken konkret zu?


Es ist wie beim Autofahrer: Wenn die Gesamtschäden durch Unfälle zunehmen, steigt der Beitrag für die Haftpflicht. So wird auch die Versicherung für Banken gegen Risiken in Form von mehr Eigenkapital und höheren Liquiditätsanforderungen teurer, weil zu viel schiefgelaufen ist.

Das trifft am Ende aber die Kunden.


Die Banken werden die Kosten weitergeben. Das ist auch in Ordnung. Risiken sollen angemessen bepreist werden. Kredite werden damit mittelfristig tendenziell teurer, und die Banken werden bei der Vergabe vermutlich differenzierter vorgehen. Wenn im Winter das Öl knapp wird, steigt der Preis.

„Too big to fail“ – der Grundsatz, dass der Staat systemrelevante Banken immer auffängt – soll nicht mehr gelten. Gibt es bald ein Insolvenzverfahren für Banken?

Das Prinzip „Too big to fail“ führt zu Verzerrungen. Indirekt läuft es auf eine Subvention hinaus. Wenn Investoren wissen, dass eine große Bank nicht umfallen kann, werden sie dort anlegen. Das verringert deren Refinanzierungskosten. Größe ist allerdings nicht das einzige Problem. Es geht überdies um die aus der starken Vernetzung der Banken untereinander erwachsenden Risiken. Schließlich kann es zum systemischen Problem werden, wenn alle in die gleiche Richtung laufen.

Sie warnen immer wieder vor zu hohen Gewinnzielen. Was ist gesund?


Hohe Gewinnraten, die deutlich über dem liegen, was die Wirtschaft mittelfristig hergibt, sind nur – und auch nur vorübergehend – mittels enormer Schuldenhebel darstellbar. Banken, die Renditen nach Steuern im deutlich zweistelligen Bereich anstreben, müssen mehr Schulden machen und höhere Risiken eingehen. Das geht im Mittel und auf Dauer nicht gut. Fragwürdig sind letztlich die hohen Renditeanforderungen mancher Investoren, die abgekoppelt sind von dem, was nachhaltig möglich ist.

Das Interview führte Rolf Obertreis.

Zur Person


Hans-Helmut Kotz (53) leitet das Ressort Finanzmarktstabilität der Bundesbank und den Finanzmarktausschuss der OECD.
Er stammt aus der Eifel und hat in Mainz und Köln Volkswirtschaft studiert. Er gilt als ausgewiesener Fachmann und ist vor acht Jahren über ein SPD-Ticket zur Bundesbank gekommen. Sein Vertrag läuft Ende April aus – ob er nochmals verlängert wird, ist offen. Vor seiner Berufung war er zuletzt Präsident  der gemeinsamen Landeszentralbank von Bremen, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt. Neben seinen Tätigkeiten für die Bundesbank ist Kotz auch in der Lehre und Forschung aktiv und unterrichtet an der Universität Freiburg.

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