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Von einem Konjunktureinbruch würde der Finanzmarkt empfindlich getroffen werden.

© Eisenhans - stock.adobe.com

Bundesbank warnt: Die niedrigen Zinsen kaschieren nur die Probleme vieler Unternehmen

Ein Konjunktureinbruch würde Unternehmen und Banken hart treffen. Der Finanzstabilitätsbericht warnt außerdem davor, auf Immobilien als Sicherheit zu setzen.

Das deutsche Finanzsystem ist nach Ansicht der Bundesbank im Vergleich zum vergangenen Jahr weiter verwundbarer und anfälliger geworden. „Ein unerwarteter Konjunktureinbruch und abrupt steigende Risikoprämien könnten das deutsche Finanzsystem empfindlich treffen“, sagt Bundesbank-Vize-Präsidentin Claudia Buch. Kreditausfälle würden dann zunehmen und Kreditsicherheiten an Wert verlieren.

Der am Donnerstag von ihr und dem für Bankenaufsicht zuständigen Vorstandskollegen Joachim Wuermeling vorgelegte Finanzstabilitätsbericht 2019 listet auf 130 Seiten mögliche Risiken auf. Dabei überdecken die niedrigen Zinsen nach Angaben von Buch mögliche Gefahren. „Niedrige Zinsen halten die Bewertungen zum Teil hoch, die Märkte sind liquide, Vermögenspreise und Kredite steigen nach wie vor dynamisch.“ Sollte es allerdings zu einem überraschenden und deutlich Zinsanstieg kommen, könnte es zu Problemen kommen.

Buch verweist in diesem Zusammenhang unter anderem darauf, dass sich die Laufzeiten von Krediten für Wohnimmobilien mittlerweile deutlich verlängert haben. Hatten 2010 noch rund ein Viertel der Darlehen eine Zinsbindungsfrist von mehr als zehn Jahren liegt der Anteil mittlerweile bei der Hälfte. „Das schützt zwar zunächst die Kreditnehmer vor steigenden Zinsen – die Risiken verschwinden aber nicht, sondern liegen bei den Banken", sagt Buch. Steigen die Zinsen würde die Refinanzierung für die Institute teurer ohne dass die Zinseinnahmen steigen. Davon wären nach Ansicht der Bundesbank Sparkassen und Genossenschaftsbanken deutlich stärker getroffen als größere Banken.

Kreditausfälle bei Konjunktureinbruch erwartet

Überhaupt warnt die Bundesbank vor der Unterschätzung von Kreditrisiken. Zwar sei die Bonität der Unternehmen in den vergangenen Jahren generell sehr gut gewesen, sodass es kaum Zahlungsausfälle gegeben hat. Entsprechend niedrig ist die Risikovorsorge der Banken. Bei der Risikobetrachtung unterschätzten die Institute aber die Gefahren eines Konjunktureinbruchs, sagt Wuermeling. Zum einen, weil die Kreditvergabe an private Haushalte 2018 um fünf Prozent gestiegen sei und damit so stark wie seit 15 Jahren nicht mehr. Zum anderen, weil verstärkt Darlehen an riskantere Unternehmen vergeben würden.

„Damit werden mehr Unternehmen finanziert, die bei einem unerwarteten Konjunktureinbruch als erste Probleme bekommen würden“, sagt Buch. Kreditausfälle und Abschreibungen könnten die Folge sein. Wuermeling mahnt die Banken, Kredite entsprechend der damit verbundenen Risiken zu bepreisen. Dumping-Kredite werde die Bundesbank nicht dulden.

Gleichzeitig warnen Buch und Wuermeling davor, Kreditsicherheiten wie etwa Immobilien überzubewerten. Im vergangenen Jahr seien die Preise für Eigentumswohnungen und Häuser weiter deutlich – um acht Prozent – gestiegen. „Die Preise für Immobilien in deutschen Städten dürften um rund 15 bis 30 Prozent oberhalb der Werte liegen, die den Fundamentaldaten entsprechen“, betont Buch. Würden die Preise deutlich fallen ginge auch der Wert von Wohnungen und Häusern als Sicherheit für gewährte Kredite in den Keller.

Der Klimawandel als Stabilitätsrisiko

Allerdings will die Bundesbank auch nicht zu schwarzmalen. Es gebe aktuell keine eindeutigen Hinweise darauf, dass sich eine von Krediten getriebene Spekulationsdynamik aufbaue. Allerdings sieht die Bundesbank auch eine Lockerung der Vergabestandards für Kredite. Generell wisse man aber noch zu wenig über die Qualität dieser Standards. „In der Gesamtschau wäre es deshalb verfrüht, Entwarnung für den Immobilienmarkt zu geben.“

Erstmals widmet sich die Bundesbank in ihrem Finanzstabilitätsbericht den Auswirkungen klimabezogener Risiken. Zur Bewältigung des Klimawandels sei ein erheblicher Strukturwandel erforderlich, der nur mit einem funktionierenden Finanzsystem gelingen könne, das Innovationen nicht behindere, die Stabilität nicht gefährde, Risiken absichern und die Versorgung der Realwirtschaft mit Krediten garantieren könne. Dabei könnten die Banken und das Finanzsystem, schreibt die Bundesbank, auch von physischen Risiken wie dem weltweiten Anstieg des Meeresspiegels bis hin zu extremen Wetterereignissen betroffen sein – direkt und auch indirekt, weil Kredite ausfallen.

Auch für Versicherer könnte es Probleme geben, warnt die Bundesbank. Belastungen für das Finanzsystem könnten sich auch aus dem Ausstieg aus der Nutzung fossiler Brennstoffe ergeben, zumal wenn er ungeordnet und abrupt erfolge. Mit Blick auf die Risiken des Klimawandels für den Finanzsektor und deren Analyse hat sich die Bundesbank dem weltweiten Bündnis „Network for Greening the Financial System“ angeschlossen.

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