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Die Berliner Gasag wartet auf die Urteilsbegründung.

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Bundesgerichtshof: Geld zurück vom Gaslieferanten

Der Bundesgerichtshof erklärt Preiserhöhungsklauseln von Gasversorgern für unwirksam. Die Berliner Gasag ist aber angeblich kaum betroffen.

Zahlreiche Gaskunden in Deutschland, die sich mit Sonderverträgen an einen Versorger gebunden haben, können Preiserhöhungen der vergangenen drei Jahre zurückfordern. Das folgt aus einem Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom Mittwoch. Der BGH änderte seine Rechtsprechung und verlangt wesentlich verständlichere Klauseln, die dem Kunden die Berechnungsweise von Preisänderungen deutlich machen. Das gilt nicht nur für die Zukunft. Auch in alten Verträgen sind Klauseln unwirksam, wenn sie nicht klar die Voraussetzungen und den möglichen Umfang von Preisänderungen beinhalten. Der Kunde muss also „etwaige Veränderungen der Entgelte anhand klarer und verständlicher Kriterien absehen“ können, formulieren die Karlsruher Richter.

Die in der Vergangenheit verwendeten Vertragsbedingungen der Gasversorger enthielten solche Vorgaben meist nicht. Da die Verjährungsfrist drei Jahre beträgt, können Verbraucher mit Sondervertrag gegen Abrechnungen Widerspruch einlegen, die bis zu drei Jahre zurückliegen. 25 Kunden der RWE erhalten jetzt insgesamt 16 128 Euro zurück. Sie haben zusammen mit der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen das Urteil erstritten. Alle waren Sonderkunden, das heißt, sie hatten mit RWE Sonderverträge geschlossen. Das macht die Mehrheit der Gaskunden – allerdings nicht in Berlin. Nach Angaben des Marktführers Gasag, der in Berlin rund 500 000 Kunden hat, liegt der Anteil der Sonderkunden nur bei rund zehn Prozent. Ob das Urteil Auswirkungen auf diese Kunden und mithin auf das Unternehmen hat, werde man erst dann richtig prüfen können, wenn die Urteilsbegründung vorliege, sagte ein Gasag-Sprecher.

Meist enthalten Sonderverträge mehrjährige Laufzeiten und der Verbraucher erhält hierfür einen pauschalen Bonus oder einen günstigeren Verbrauchspreis. Vor Preiserhöhungen ist der Sonderkunde aber nicht geschützt, er kann in solchen Fällen höchstens früher kündigen. So war es auch bei den 25 RWE-Kunden. Ihnen war der Preis für Gas zwischen 2003 und 2005 viermal erhöht worden. Sie zahlten nur unter Vorbehalt und griffen ihre Klauseln zu den Preisänderungen an. Sie hätten keinerlei Kontrolle, ob die Preiserhöhungen angemessen seien.

Die Verbraucherzentrale übernahm als Verband die Klagen und ging bis zum BGH. Der legte 2011 die Fragen dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg vor, weil es eine europäische Gasrichtlinie gibt. Die Frage war, ob die deutschen Verträge für Gassonderkunden unter diese Richtlinie fallen. Der BGH wollte auch wissen, ob das Recht auf Kündigung im Falle einer Preiserhöhung nicht genüge, um sich als Verbraucher ausreichend gegen Preiserhöhungen wehren zu können.

Luxemburg entschied im März dieses Jahres in vollem Umfang für die klagende Verbraucherzentrale. Sonderkunden könnten den Schutz verlangen, den die europäische Richtlinie vorsehe. Der Vertrag müsse „Anlass und Modus“ – also Berechnungsgrundlage – möglicher Preisänderungen enthalten. Das Kündigungsrecht im Falle von Preiserhöhungen genüge nicht, um die fehlende Klarheit der Klausel auszugleichen.

Auf dieser Luxemburger Grundlage hatte der BGH am Mittwoch zu entscheiden. Der Vorsitzende Richter Wolfgang Ball sagte in der Urteilsverkündung: „Der BGH ist an die Auslegung des EuGH gebunden.“ Er halte deshalb an seiner bisherigen Rechtsprechung nicht mehr fest. Die Verbraucher mit Sonderverträgen haben es also dem Luxemburger Gericht zu verdanken, dass der BGH seine Rechtsprechung änderte. Die Verbraucherzentrale NRW stellt nun im Internet Musterbriefe zur Verfügung, mit denen Sonderkunden Einspruch gegen alte Gasabrechnungen einlegen können. Gaskunden können sich auch bei den örtlichen Verbraucherorganisationen beraten lassen, ob ihr Vertrag korrekt ist. (Aktenzeichen: Bundesgerichtshof VIII ZR 162/09)

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