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Eine Gesetzesinitiative der Europäischen Kommission um Steuersünder besser im Blick zu behalten, wurde unter anderem durch die deutschen Bundesländer entschärft.

© REUTERS/Yves Herman

Bundesländer verwässern Gesetz: EU schließt Steuerschlupflöcher – ein bisschen

Brüssel erfährt auch künftig zu wenig über Verstöße multinationaler Konzerne. Das wollten auch die deutschen Bundesländer so.

Wissen ja, handeln nein. Auf diese Formel lässt sich zusammenfassen, in welcher Weise die EU-Staaten künftig gegen kreative Steuervermeidung großer Unternehmen vorgehen wollen. Die Konzerne sollen es in Europa künftig zwar schwerer haben, Gewinne über Grenzen hinweg zu verschieben und damit Steuern zu sparen. Darauf verständigten sich die EU-Finanzminister in Form eines neuen Gesetzes, das erstmals einen Austausch von sogenannten Steuer-Vorbescheiden für Unternehmen ermöglicht. Das berichteten Diplomaten in Luxemburg. Tatsächlich galt es lange als unvorstellbar, dass die nationalen Finanzbehörden einmal automatisch von den Kollegen in den Nachbarstaaten erfahren würden, wie diese welche ausländischen Unternehmen besteuern. Die Empörung über die Ministeuern der Multis speziell nach den Enthüllungen aus Luxemburg vor einem Jahr zwang Wolfgang Schäuble und seine EU-Kollegen nun auch dazu, sich in Rekordzeit zu einigen bei einem Thema, wo die EU-Verträge noch Einstimmigkeit vorsehen.

Deute Bundesländer argumentieren mit Verwaltungsaufwand

Alles bestens ist damit aber nicht: Auf dem Weg zum Kompromiss ist die Gesetzesinitiative der EU-Kommission vom März massiv verwässert worden. Aus der Beschlussvorlage für die Minister, die dem Tagesspiegel vorliegt, ist ersichtlich, dass zentrale Punkte weniger strikt sind, als der für Steuerdinge zuständige Kommissar Pierre Moscovici aus Frankreich vorgeschlagen hatte. So müssen künftig bis zu fünf Jahre alte Steuervorbescheide, in denen die Steuerbehörden einem Unternehmen darlegen, wie sie konzerninterne Verrechnungen zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft oder Lizenzgebühren steuerlich behandeln werden, an die möglicherweise betroffenen Staaten übermittelt werden. Die Kommission hatte eine Rückwirkung von zehn Jahren vorgeschlagen, weil manche dieser „tax rulings“ länger als fünf Jahre gelten.

Für die kürzere Frist und damit einen schlechteren Überblick über verschiedene Steuervermeidungsmodelle setzten sich EU-Diplomaten zufolge nicht nur die Niederlande mit ihrem berüchtigten Starbucks-Hauptsitz ein, sondern auf Geheiß der deutschen Bundesländer auch die Bundesregierung: Die Finanzverwaltungen in den Ländern hätten, heißt es, „sonst tief in den Keller steigen müssen“. In einem Beschluss des Bundesrats vom Mai ist etwas eleganter von „verwaltungsökonomischen Gründen“ dafür die Rede, dass man die Informationspflicht am liebsten „nur für zukünftig erteilte ,tax rulings'“ gesehen hätte.

EU-Kommission bleibt im Dunkeln

Für die gravierendste Änderung gegenüber dem Ursprungsvorschlag sind die Länder ebenfalls mitverantwortlich: Einsicht in die ausgetauschten Vorbescheide erhalten nur die Behörden der Länder, denen dadurch eventuell Steuereinnahmen entgehen oder bereits entgangen sind – nicht jedoch die EU-Kommission. Sie erfährt laut des neuen Gesetzes nur vom Datum der Bescheide und deren Gesamtzahl, die Namen der begünstigten Unternehmen bleiben ihr aber ebenso verborgen wie die Summen, um die es geht.

In der Bundesregierung wird abgewiegelt. „Die Kommission erhält die Daten auch – allerdings nur in anonymisierter Form“, sagt ein EU-Diplomat. Das ist ganz im Sinne des Bundesratsbeschlusses, der die Weitergabe „sensibler Daten“ nach Brüssel als „nicht verhältnismäßig“ kritisierte: Wenn die nationalen Behörden in Zukunft davon erführen, dass sich ein heimisches Unternehmen im EU-Ausland bei den Abgaben einen schlanken Fuß machte, könnten diese schon selbst die Konsequenzen ziehen.

EU nutzt schärfstes Schwert gegen Steuersünder nicht

Das stimmt aber nur zum Teil. Wenn nämlich die Wettbewerbshüter der Kommissarin Margrethe Vestager, die unter anderem schon gegen Irland und Apple sowie Amazon und Luxemburg ermitteln, keine weiteren Firmennamen erfahren, können sie auch keine neuen Beihilfeverfahren eröffnen. Und an deren Ende können milliardenschwere Strafen für die Unternehmen stehen.

Die EU nutzt damit ihr schärfstes Schwert gegen deren Steuervermeidungsstrategien nicht. „Steuervorbescheide haben auch eine wettbewerbsrechtliche Dimension“, sagt der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber. „Deswegen muss die Kommission selbstverständlich auch die Daten dafür nutzen dürfen, um zu überprüfen, ob diese Regeln eingehalten werden.“ Der FDP-Europaabgeordnete Michael Theurer fordert deshalb weiter ein Zentralregister nach dem Vorbild der Schweiz, „wo zwischen den Kantonen ein fairer Steuerwettbewerb herrscht“.

Allein, es wird nicht kommen. Und das, obwohl EU-Steuerkommissar Pierre Moscovici es gerade erst für unabdingbar erklärt hat, dass seine „Kommission im Zentrum“ der neuen Gesetzgebung stehen müsse.

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