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Wirtschaft: Bundesregierung will Zwangsversicherung gegen Flut

Künftig soll sich jeder Hausbesitzer gegen Naturkatastrophen absichern müssen – auch Bergbewohner werden einbezogen

Berlin (hej). Deutsche Hausbesitzer werden künftig eine Pflichtversicherung gegen Elementarschäden wie Flut abschließen müssen. Nach TagesspiegelRecherchen rückt eine solche Zwangsversicherung immer näher. Vor allem Bund und Länder wollten eine solche Eigenvorsorge der Bürger, heißt es in der Versicherungsbranche. Aber auch unter den Versicherern beginnt der Widerstand zu bröckeln. So beschloss der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) in der vergangenen Woche offiziell, sich an der Ausarbeitung eines Konzepts zu beteiligen. „Die Front der Gegner bröckelt“, weiß auch Frank Braun, Geschäftsführer des Bundes der Versicherten (BdV). Zu den Gegnern einer Versicherungspflicht gehören neben den Regionalversicherern, die in Überschwemmungsgebieten ansässig sind, auch große Unternehmen wie die Allianz, die bereits jetzt gut im Geschäft ist und fürchtet, Marktanteile abgeben zu müssen.

Aber auch den Kritikern ist klar, dass sie die Pflichtpolice nicht verhindern können. Denn Bund und Länder machen Druck. 9,2 Milliarden Euro hatte die Jahrhundertflut im vergangenen August gekostet, den Löwenanteil musste der Staat tragen, weil die meisten Schäden nicht versichert waren. Das soll sich nicht noch einmal wiederholen.

Jetzt geht es Schritt auf Schritt. Eine beim Bundesjustizministerium angesiedelte Bund-Länder-Kommission wird schon bald ihren Abschlussbericht vorlegen. Allerdings dürfte dieser Bericht höchstwahrscheinlich nur die Modell- und Kostenvorstellungen der Versicherungswirtschaft referieren, heißt es aus Teilnehmerkreisen.

Das reicht vor allem den Ländern nicht. In der Woche vor Pfingsten machten die Finanzminister Nägel mit Köpfen. Sie beschlossen, dass Privatleute und Unternehmen künftig eine Pflichtversicherung gegen Naturkatastrophen abschließen sollen. Bei extremen Schäden soll der Staat die Rückversicherung übernehmen. Details soll eine weitere Arbeitsgruppe klären, die die Ministerpräsidenten installieren wollen. Bis November soll diese ausarbeiten, wie eine solche Pflichtversicherung aussehen kann und was sie kostet.

Dann werden auch die Bürger erstmals eine Vorstellung davon bekommen, was sie erwartet. Eine reine Flutpolice wäre natürlich deutlich billiger als eine Versicherung, die auch noch die Risiken Sturm, Feuer, Erdbeben, Hagel oder Vulkanausbrüche einbezieht. Aber: Nur eine solch umfassende Absicherung macht Sinn. Denn wie soll man einem Hausbesitzer in Berlin erklären, dass er für einen Flutschutz zahlen soll, den er nicht braucht, seine Sturmschäden aber nicht reguliert werden?

Ergebnisse bis November

„Je nach Selbstbeteiligung könnten die Prämien für eine umfassende Elementarversicherung zwischen 20 bis 30 Euro im Monat liegen“, glaubt BdV-Geschäftsführer Frank Braun. Die Versicherungswirtschaft geht dagegen von nur 100 bis 150 Euro Jahresprämie aus. In exponierten Gebieten – also am Rhein oder an der Donau – wären die Prämien allerdings höher, heißt es. Dennoch wäre das ein Fortschritt. Kunden in besonders hochwassergefährdeten Gebieten finden nämlich derzeit überhaupt keinen Versicherer, der ihr Risiko abdeckt.

Noch sind das alles Schätzungen. Selbst die Frage, wer sich versichern muss, ist noch offen: Trifft die Versicherungspflicht nur Hausbesitzer, die künftig zusätzlich zur Wohngebäudeversicherung noch eine Elementarpolice abschließen müssen? Oder müssen auch Hausrat-Versicherte künftig für den Zusatzschutz zahlen? Und wie lässt sich eine solche Zwangspolice mit deutschem Verfassungsrecht und europäischen Rechtsvorschriften vereinbaren, an denen bereits die baden-württembergische Elementarversicherung gescheitert war? Streit wird es in jedem Fall geben, glauben die Versicherer. Spätestens dann, wenn die Politik den Bürgern erklären muss, warum sie für eine neue Pflichtversicherung zahlen müssen.

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