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Kein Wackelkandidat. Eine Mehrheit der Deutschen meint, der Euro habe sich bewährt.

© dpa

Bundestagswahl 2013: Die Zukunft von Euro und Währungsunion

Die Euro-Rettung ist eine schwierige Mission. Sie kostet viel, und schnelle Lösungen gibt es nicht. Was die Parteien versprechen: Teil 1 unserer Wahlserie.

Die Geschäfte liefen schon mal besser. „Viele Kunden müssen sehr sparsam leben“, hat Roland Scheel beobachtet. „Sie haben kaum Geld in der Tasche, um es für Freizeit und Sport auszugeben.“ Das spürt er in seinem eigenen Unternehmen. Scheel handelt in Nennhausen bei Rathenow mit allem, was schwimmt – Kajaks, Motorboote, kleine Jachten. Ihm ist klar, warum die Leute knausern. „Das liegt auch am Euro-Desaster.“ Scheel graust es vor einer Fortsetzung der Krisenpolitik. „Dann wird es noch schlimmer.“ Und damit meint er nicht nur seinen eigenen Laden. Deshalb will Scheel jetzt etwas tun. Er macht mit bei der Alternative für Deutschland, der Anti- Euro- Partei, und kandidiert für den Bundestag.

Roland Scheel ist beinahe ein Einzelfall. Die meisten Unternehmer begehren nicht auf gegen Angela Merkels Versuche, die angeschlagene Währungsunion zu retten. Gelegentlich mosert der Mittelstand, warnt ein Lobbyist vor zu hohen Belastungen durch die Hilfsmilliarden für den Süden, schreibt Ex-Industriepräsident Hans-Olaf Henkel ein krawalliges Buch gegen das Einheitsgeld. Mehr nicht – die Staatsräson ist den Managern wichtiger. „Eine ernsthafte Alternative zum gemeinsamen Euro gibt es nicht“, beschworen die Chefs zahlreicher Dax-Konzerne in großen Anzeigen.

Mit dem Euro-Thema kann man die Wahl nur verlieren

Bei den Wählern steigt die Zustimmung zum Euro sogar – 54 Prozent finden, er habe sich bewährt, und es sei gut, die Krisenländer zu retten, ergab eine Umfrage des Bankenverbandes. Und die Alternative für Deutschland dümpelt bei drei Prozent Zustimmung. Dabei ist der Einsatz drei Jahre nach Beginn der Krise unverändert hoch: Scheitert der Euro, gehen der Bundesrepublik hunderte Milliarden Euro verloren, und das Projekt Europa gleich dazu. In den Wahlprogrammen der Bundestagsparteien rangiert das Thema aber allenfalls unter ferner liefen. Nur fünf Prozent der Manifeste widmen sich dem Euro und der Europa-Politik, hat Carsten Brzeski gezählt. Er ist Chefvolkswirt der Bank ING Diba. „Der Euro ist kein Thema, mit dem man die Wahl gewinnen kann“, sagt er, „wohl aber eines, mit dem man sie verlieren kann“.

Das liegt auch an der unübersichtlichen Materie. Hilfspakete und Rettungsschirme für Portugal, Irland, Spanien und Zypern mussten die Währungsfreunde seit dem Frühjahr 2010 immer wieder schnüren, Griechenland bekam noch einen Schuldenschnitt. In ungezählten Nachtsitzungen haben sie einander einen harten Spar- und Reformkurs versprochen. Und sich neue Regeln für die Arbeit und das Scheitern von Banken ausgedacht. Die Europäische Zentralbank (EZB) druckt derweil Geld wie nie zuvor. Die Zinsen hat sie zudem auf einen nie gesehenen Tiefstand gesenkt. Das soll die Regierenden vor dem Druck der Finanzmärkte schützen.

Der Weg der Kanzlerin überzeugt Ökonomen

Bisher sind die Ergebnisse mittelprächtig: Der von Berlin und Brüssel verordnete Sparkurs beutelt die Konjunktur, seit anderthalb Jahren steckt die Euro-Zone in der Rezession. Gut 19 Millionen Menschen suchen eine Stelle, vor allem am Mittelmeer ist die Lage schlimm. Die Spar- Doktrin geht zurück auf Angela Merkel. Als die Krise begann, zeichneten sich für die Regierungschefin zwei Lösungswege ab: Entweder der zu einem europäischen Superstaat, an den die nationalen Parlamente eine Reihe von Kompetenzen – und eine Menge deutsches Geld – übertragen. Oder die Entwicklung einer regelgebundenen Wirtschaftspolitik, auf die sich jede Regierung verpflichtet. Merkels Wahl fiel auf diese Variante.

Dieser Weg des Gebens und Nehmens wird funktionieren, glaubt Ansgar Belke, Ökonom an der Uni Duisburg-Essen. Die Chancen stehen gut, dass im Herbst das Bundesverfassungsgericht der Kanzlerin beispringt, argumentiert er. Dann nämlich, wenn Karlsruhe beim aktuellen Verfahren auf die Kläger gegen die laxe EZB- Linie eingeht – und die Bundesbank anhält, im Zentralbankrat hörbar gegen dessen freigiebige Politik zu protestieren. „Das erhöht den Druck auf die Regierungen, ihre Länder wieder wettbewerbsfähig zu machen“, hofft Belke.

Dagegen spricht allerdings, dass Staaten wie Griechenland kaum eine Chance haben, jemals aus ihren Schulden herauszuwachsen. Dazu sind die Verbindlichkeiten einfach zu hoch. Noch schließt die Kanzlerin einen erneuten Schuldenschnitt für Griechenland aus. Doch nach der Wahl, wenn die Gefahr eines Bankrotts in Athen wächst, sieht es womöglich anders aus. Dabei könne es ohnehin nicht bleiben, findet ING-Mann Brzeski. „Ohne jegliche Form der Haftungsgemeinschaft wird der Euro kaum überleben.“ Etwa durch eine echte Bankenunion, in der alle für alle haften. „Die USA, die einzige einigermaßen funktionierende Währungsunion der Welt, gehen diesen Weg schließlich auch.“ 

Alles andere als Durchwursteln ist Utopie

Das ist der Weg, den Sozialdemokraten und Grüne beschreiten wollen: mehr Solidarität der Reichen mit den Armen in Europa – und die Beteiligung der deutschen Steuerzahler an den Lasten der anderen. So über gemeinsame Euro-Anleihen. Schnelle Erfolge verspricht aber auch das nicht, die Vorbereitung dauerte womöglich Jahre. „Einen Knalleffekt wird nur bekommen, wer die Geldbörse zückt und im großen Stil das Wachstum in Südeuropa anschiebt“, glaubt Brzeski. Mit einer solchen Idee lässt sich aber schlecht Wahlkampf in Deutschland machen. Zumal es dann noch immer keine dauerhaft koordinierte Politik in Europa gäbe. Dieses Manko wollen die Grünen mit ihrem Plan eines Europäischen Währungsfonds abstellen, einer Institution, die den nationalen Regierungen direkt Vorschriften macht und im Gegenzug Geld verteilt. Keine üble Idee – aber eher für die Perspektive. „Kurzfristig wird sich jede Regierung nach der Wahl in der Euro-Krise weiter durchwursteln müssen, alles andere ist Utopie“, findet Brzeski.

Roland Scheel mag so lange nicht warten. „Ich habe große Sorgen, wie in fünf oder zehn Jahren in Deutschland und ganz Europa unsere Lebensverhältnisse aussehen“, sagt der Händler. Und hofft, dass es besser wird – ohne den Euro.

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