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Wirtschaft: Bye, bye, Neuer Markt

Die Börse organisiert sich neu – nur zwei Segmente bleiben

Berlin. Im Neuen Jahr werden sich die Anleger umstellen und dabei von einigen gewohnten Begriffen Abschied nehmen müssen. Die Deutsche Börse will den Aktienmarkt radikal umbauen. Opfer der Aktion sind die jüngsten Mitglieder der Börsenfamilie. Den Neuen Markt und den „Bonsai-Index“ Smax für „kleine Werte“ soll es dann nicht mehr geben. Ab Anfang des kommenden Jahres wird der deutsche Aktienmarkt nun in die zwei neuen Segmente geteilt. Neben dem „Prime Standard“ wird der „Domestic Standard“ eingeführt. Alle Indizes außer dem Dax werden neu gemischt. Neu in die Index-Familie aufgenommen wird der Tec-Dax, in dem Technologie orientierte Unternehmen zusammengefasst werden sollen, ein Auffangbecken für die bisherigen Wachstumsunternehmen.

Schon vor Jahresende gingen die ersten Bewerbungen für das Qualitätssegment „Prime Standard“ ein. Derzeit erfüllen nach Angaben der Börse rund 600 Unternehmen diese Anforderungen. Die restlichen 170 Aktiengesellschaften werden vermutlich dem „Domestic“ Standard zugeteilt. Für dieses Segment sollen nur die gesetzlichen Mindestanforderungen gelten.

Von den früheren Neuer-Markt-Werten hat bereits der Maschinenbauer Singulus angekündigt, sich für das Premium-Segment zu bewerben. Bis Ende Januar läuft die Frist. Dann entscheidet die Börse, wer mitmachen darf und wer nicht. Am 24. März 2003 sollen die Änderungen in Kraft treten. Nach ersten Berechnungen der Deutschen Börse könnten sich von den einstigen Wachstumsstars BB Biotech, Quiagen, Singulus, United Internet und Aixtron im Tec-Dax wieder finden, vorausgesetzt, sie alle schaffen die Aufnahme in den „Prime Standard“. Die Telekom-Tochter T-Online wäre außerdem ein heißer Kandidat für den Dax.

Im neu berechneten M-Dax, der dann nur noch 50 Werte umfassen würde, hätten nur Medion und Thiel Logistik als ehemalige Nemax-50-Werte einen Platz sicher, weil sie eher den klassischen Branchen Einzelhandel und Transport zuzurechnen sind.

Neuer Markt und Smax sollen nach einer Übergangsfrist spätestens Ende 2003 geschlossen werden. Den Auswahlindex Nemax 50 will die Börse noch bis Ende 2004 berechnen, um die Kontinuität der darauf begebenen Finanzprodukte wie Zertifikate oder börsengehandelte Fonds zu gewährleisten. Viele Fonds, die früher ausschließlich Neue-Markt-Werte im Portfolio liegen hatten, halten inzwischen vorwiegend Wachstumswerte aus den USA und Asien.

Mit ihrer überraschend drastischen Entscheidung reagierte die Börse auf den Kursverfall und den völligen Vertrauensverlust am Neuen Markt, der vor fünfeinhalb Jahren als Börsensegment für Wachstumsunternehmen gestartet war. Das Abenteuer des Kleinstwerte-Segments Smax währte sogar weniger als dreieinhalb Jahre.

Der Neue Markt legte am 10. März 1997 einen Traumstart hin. Ende des Jahres 1997 gab es bereits 17 Unternehmen, Ende 1998 war die Zahl auf 63 Werte gewachsen; der Neue-Markt-Index – bei 500 Punkten gestartet – versechsfachte sich in den ersten beiden Jahren. Pünktlich zum dritten Geburtstag, im Frühjahr 2000, markierte das Wachstumssegment ein Allzeithoch bei 8546 Punkten. Dann geriet das Wachstumssegment immer schneller in den Abwärtsstrudel: Die Liste der Täuschungen, nicht eingehaltener Prognosen und schließlich Pleiten wurde länger und länger. Immer öfter stand auch der Staatsanwalt vor der Tür einstmaliger Hoffnungsträger. Die Chefs von EM.TV und Comroad stehen inzwischen vor Gericht. Der Nemax 50 stand im September nur noch bei 370 Punkten. Am 26. September schließlich zog die Deutsche Börse den Schlussstrich.

Kein Interesse am Smax

Wenig Glück hatten die Frankfurter Börsenmanager auch mit dem Smax. Die als Qualitätssegment für kleine und mittelständische Unternehmen gepriesene Sparte sollte als kleiner Bruder des Neuen Marktes Anleger anlocken. Hier tummeln sich noch Werte wie die des Münchner Kaufhauses Ludwig Beck, des Pumpenbauers KSB oder der Holsten-Brauerei. Doch die Small Caps konnten nicht aus dem Schatten des Neuen Marktes hervortreten. Enttäuscht verließen viele Unternehmen das Segment. Das Fazit klang fast überall gleich: Die Anforderungen an die Berichterstattung und die damit verbundenen Kosten seien im Vergleich zu den Vorteilen zu hoch. Schätzungsweise 250000 bis eine Millionen Euro muss ein Unternehmen für Quartalsberichte, Investor Relations und einen „Designated Sponsor“ (Kursmanager) aufwenden. Wer im neuen „Prime Standard“ gelistet werden und damit den Weg zu den Anlegern finden will, muss diesen Aufwand allerdings auch weiterhin leisten.

Susanne Schmitt

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