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 Die vielen nassen Tage in diesem Sommer haben das Geschäft laut dem Verband der Campingwirtschaft etwas beeinträchtigt.

© Jens Büttner/dpa

Campingurlaub: Dem Regen trotzen

Den Campingurlaub können Regentage ordentlich vermasseln. Platzwirte sind deswegen kreativ geworden – mit Saunen und Übernachtungsfässern.

Von Andreas Austilat

Seit 26 Jahren betreibt Rainer Frank den Campingplatz am Freesenbruch, sechs Hektar für 360 Zelte, Wohnwagen und Wohnmobile am Rand des Seebades Zingst auf der Ostseehalbinsel Darß. Wenn Frank an den allmählich zu Ende gehenden Sommer denkt, bleibt ihm das in Erinnerung: „Verregnete Sommer sind offenbar nicht gut für die Gesundheit älterer Leute“. Jedenfalls hätten deutlich mehr Kunden als sonst behauptet, dem Opa zu Hause gehe es nicht gut. Und deshalb, leider, leider, müssten sie ihren längst gebuchten Campingurlaub stornieren. Man habe sicher Verständnis.

Die Beobachtung, die Rainer Frank machen musste, deckt sich mit den ersten Auswertungen der aktuellen Besucherstatistik auf deutschen Campingplätzen: Überdurchschnittlich viele Regenfälle im Juni, Juli und teilweise auch noch im August haben die Belegungszahlen beeinträchtigt, bestätigt Gunter Riechey, Präsident des Branchenverbandes BVCD. Genaue Angaben werde man frühestens auf dem Düsseldorfer Caravansalon machen können, der größten internationalen Camping-Messe, die derzeit läuft.

30 Millionen Übernachtungen

Grund zur Klage sehen die Campingplatzwirte aber nicht. Im Gegenteil. Wurden 1998 etwas mehr als 19 Millionen Übernachtungen auf deutschen Campingplätzen gezählt, kam man 2016 auf über 30 Millionen.

Auf der Anlage am Freesenbruch unternehmen sie allerdings auch viel, damit die Kundschaft mal drei Regentage hintereinander durchhält. Es gibt das Wellnesszentrum mit Sauna, Kosmetikangeboten und Wohlfühlmassagen, dazu den Sportraum mit allerlei Gerätschaften. Acht Jahre hat es gedauert, bis diese Investition aus den roten Zahlen kam, inzwischen rechnet es sich. Ungewöhnlich ist das Angebot nicht. Die Camping-Konkurrenz auf der anderen Seite von Zingst unterhält sogar ein eigenes Hallenbad für schlechte Tage.

Frank hat auch schon an Mobilheime gedacht, feste Unterkünfte, die geeignet sind, seine Klientel vor schlechtem Wetter zu schützen. Auf französischen und italienischen Campingplätzen ist so etwas längst Standard. Frank hat die Idee nach kurzer Prüfung verworfen. „Um Himmels willen“, hätten seine Kunden gesagt, „fangen Sie jetzt auch damit an?“ Denn der Camper will weiter seine Illusion nähren, irgendwie der freien Wildbahn verbunden zu sein. Wenn auch mit aller Bequemlichkeit, die bei dieser Art des Reisens möglich ist.

Zeltcamper sind in der Minderheit

So sind heute selbst in den Sommermonaten Camper, die mit dem Zelt anreisen, in der Minderheit. Die Mehrheit kommt mit schwerem Gerät. Zu den aktuell beliebtesten Ausstattungsmerkmalen beim Reisemobil-Marktführer Hymer gehören übrigens die Fußboden- und Warmwasserheizung.

Wohnwagen und Wohnmobile verzeichnen seit Jahren steigende Zulassungszahlen, vor allem im teureren Segment. Noch nie wurden in Deutschland so viele neue Wohnmobile verkauft wie im vergangenen Jahr: rund 35 000 Stück. Gesellschaftsfähig sind sie schon längst. So erregt Startenor Klaus Florian Vogt kein Aufsehen mehr, wenn er zu seinen Engagements in Berlin, Paris oder Mailand im Wohnmobil kommt. Der britische Vorzeigekoch Jamie Oliver urlaubt nicht nur so, er hat auch eine Camping-Kochshow produziert. Der anhaltende Boom hat auch das Gebrauchtwagengeschäft erreicht. Hymer spricht auf Anfrage von einem „verknappten Angebot“, Händler rechnen mit Wartezeiten für das Wunschfahrzeug von einem halben Jahr und mehr.

Noch nie wurden so viele Wohnmobile verkauft

Auf dem «Caravan-Salon» in Düsseldorf stehen Wohnmobile im Mittelpunkt. Foto: David Young/dpa
Auf dem «Caravan-Salon» in Düsseldorf stehen Wohnmobile im Mittelpunkt. Foto: David Young/dpa

© dpa

Den Andrang spürt Rainer Frank. Ein paar Regentage verursachen deswegen höchstens eine kleine Delle in der Bilanz. Hat er in diesem Jahr im Sommer noch zehn Prozent für spontane Besucher freigehalten, werden es im nächsten wohl nur noch fünf sein. Das heißt, wer im Sommer 2018 eine Parzelle will, muss früh buchen. Frank seinerseits muss immer mehr Vorsorge treffen, dass Gefährte, die von der Dusche über den Backofen bis zur App-gesteuerten Heizung alles an Bord haben, nicht in den vom Regen aufgeweichten Boden sinken.

Schon nach dem letzten Regensommer 2011 haben sie die abgesteckten Parzellen mit Kunststoffgittern aus dem Pferderennsport abgesichert, den Untergrund mit Vliesen wie im Straßenbau verstärkt. Dabei werden die Stellplätze immer größer. Reichten vor 20 Jahren dem einzelnen Camper 70 Quadratmeter, müssen es heute 100 sein, damit der Urlauber sein Fahrzeug überhaupt unterbringt.

Außerdem erwartet der Camper nicht mehr nur luxuriöse Sanitärraume, er will W-lan, 16-Ampere-Stromleitungen, Wasser- und Abwasseranschluss auf seiner Parzelle. Gern auch noch einen TV-Anschluss, obwohl die meisten Camper ihre Satellitenanlage gleich selbst mitbringen.

Radwanderer sind die härtesten

Ein bisschen anders positioniert sich da der Campingplatz „Ecktannen“ in Waren an der Müritz. Das mit 450 Plätzen auf 17 Hektar sehr große Gelände liegt direkt am Rand des Naturschutzgebietes Müritz und richtet sich an eine Kundschaft, die es naturnah mag. Was bedeutet, dass es dort keine fest abgesteckten Parzellen gibt, keine Drainage. Das Angebot überdachter Freizeiteinrichtungen ist sehr begrenzt.

Jens Dörge, der den Platz leitet, erinnert sich an Tage in diesem Sommer, an denen ihm „die Zelter abgesoffen sind“. Vor allem die Radwanderer treffe es hart. „Regnet es dann drei Tage, kriegen die nichts mehr trocken.“ Dörge musste also improvisieren, denn die vier Hütten, fünf Wohnungen und zwei Einzelzimmer, die er Gästen anbieten kann, die zwischendurch ein festes Dach bevorzugen, waren schnell belegt. Deshalb hat er kurzerhand den Dachboden im Empfangsgebäude freigeräumt, wo durchnässte Radfahrer ihren Schlafsack ausrollen konnten.

Er registrierte infolge der Witterung zehn Prozent weniger Spontanbesucher als üblich. Die mit den Wohnanhängern blieben so lange, wie sie gebucht haben, wenn ihr Domizil erst einmal steht. Reisemobilisten hingegen seien, wie der Name schon sagt, hochmobil. Regnet es zwei Tage, sind die weg und fahren dahin, wo der Wetterbericht Besserung verspricht.

Das Wurfzelt für die Familie

Die Zelter haben jedoch ebenfalls nachgerüstet: Längst muss keinen Wassereinbruch mehr befürchten, wer die Außenwand berührt, wie das früher vorkam. Es muss auch kein kompliziertes Gestänge mehr zusammengesteckt werden. Inzwischen gibt es sogar Wurfzelte für vierköpfige Familien, die sich in Sekunden aufbauen lassen, wie der französische Hersteller Decathlon verspricht, einer der Pioniere auf diesem Gebiet. Das Einpacken kann dafür etwas länger dauern, Anfängern sei geraten, das einmal zu Hause zu üben. Auch Dörge kann aber bei aller Naturnähe nicht auf funktionierendes W-Lan verzichten, „so etwas erwarten heutzutage beinahe alle Kunden“.

Abgesichert ist sein Unternehmen durch 50 Dauercamper. Die sind immer da, garantieren eine verlässliche Einnahme. Weshalb manches Campingunternehmen gern noch stärker auf diese treue Klientel setzt. Um den Preis, dass ihr Platz einen anderen Charakter annimmt. „Wenn die Kunden anfangen, ihre Parzellen einzuzäunen, führt das irgendwann zu Revierverhalten. Die denken dann, ihnen gehört das ganze Gelände“, sagt ein Platzwirt, der lieber anonym bleiben will. Denn verzichten mag er auf das witterungsunabhängige Nebengeschäft nicht.

Übernachtungsfässer im Spreewald

Probleme mit starken Regenfällen in diesem Sommer bestätigt auch Cornelia Pfeffer vom Kneipp- und Erlebniscamping an den Spreewaldfließen in Burg. An zwei Wochenenden habe bei ihnen derart viel Wasser auf den Wiesen gestanden, dass sie Camper abweisen mussten. Eine Ausnahmewetterlage, denn grundsätzlich gilt für den mit 80 Stellplätzen eher kleinen Platz: „Wir kommen kaum noch nach, die Nachfrage ist groß.“ Wobei auch bei ihr die Zelter in der Minderheit sind, vor allem in der Nachsaison, ohne die kein Campingplatz auskommt.

In Burg geht das Geschäft von März bis Dezember, und auch im Spreewald, mit Paddelrevier und Radwegenetz, reicht es nicht mehr, einfach nur ein paar Parzellen bereitzustellen. Der Platz hat trotz seiner bescheidenen Größe in eine Kneippanlage investiert, hat eine Sauna, obwohl die Spreewaldtherme praktisch vor der Tür liegt. Und wer partout kein Zelt aufschlagen will, für den wurden vier sogenannte Übernachtungsfässer aufgestellt. Fass klingt nach Provisorium, ein bisschen Luxus versprechen selbst die Riesentonnen mit Heizung und sogar TV. Erst im Januar ist Schluss, dann bleibt der Platz bis einschließlich Februar geschlossen. Weil dann keiner kommt? „Weil wir auch mal Urlaub machen wollen“, sagt Cornelia Pfeiffer. Übrigens keinen Campingurlaub. Sie will lieber „ins Warme“.

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