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Nachhaltige Entwicklung. Auch die rasant wachsenden Schwellenländer sollen ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten. Foto: AFP

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Cancún: Chancen der Klimakonferenz

Von der Weltklimakonferenz in Cancún werden kaum Ergebnisse erwartet – das ist eine große Chance.

Berlin - Die Veranstalter der Weltklimakonferenz im mexikanischen Cancún haben insofern Glück, dass am Ende dieser Woche niemand wirklich enttäuscht sein dürfte – egal was dort bis zum Abschluss passiert. Schließlich sind die Erwartungen weltweit gering bis gar nicht vorhanden. So sagte Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) vergangene Woche, die Verhandlungen würden „langwierig und mühsam“. Er habe die Hoffnung aufgegeben, dass in diesem oder kommenden Jahr ein rechtlich verbindliches Folgeabkommen für das im Jahr 2012 auslaufende Kyoto-Protokoll vereinbart werden könne. Am morgigen Dienstag will er nach Mexiko reisen.

Brasiliens scheidender Präsident Luiz Inázio Lula da Silva moserte dieser Tage bei einer Pressekonferenz in der Hauptstadt Brasilia: „Kein wichtiger Regierungschef ist da, höchstens Umweltminister. So wird es keinen Fortschritt geben.“ Auch er fliege nicht hin. Dann legte er die jüngste Statistik seines Landes zur Lage im Regenwald vor: Innerhalb eines Jahres bis Ende Juli 2010 seien gut 6450 Quadratkilometer Regenwald am Amazonas abgeholzt worden – eine Fläche sieben Mal so groß wie Berlin.

Für das Bundesentwicklungsministerium fliegt die Parlamentarische Staatssekretärin Gudrun Kopp (FDP) schon an diesem Montag nach Cancún und scheint nicht unglücklich darüber zu sein, dass die Regierungschefs diesmal zu Hause bleiben. Vielleicht könne in Mexiko sogar mehr erreicht werden als bei der dänischen Mega-Konferenz vor einem Jahr. „Man muss die Konferenzstarre aufbrechen“, sagte sie dem Tagesspiegel. „Es bewegt sich etwas, in Teilschritten. Kleine Beschlüsse können gefällt werden, die für sich genommen nicht spektakulär klingen, aber dennoch als Leitplanken dienen könnten für ein Klimaschutzabkommen bei der Vertragsstaatenkonferenz in Südafrika 2011.“

Als Beispiel nannte Kopp Maßnahmen zum Waldschutz, für den sich ihr Ministerium künftig stärker engagiere. Aber inwiefern ergibt es einen Sinn, dass Deutschland die Mittel für Waldprojekte von 40 auf jetzt 54 Millionen Euro aufstockt, während Investoren in Ländern wie Brasilien weiter Wald roden? „Gerade in Indonesien und Brasilien beträgt der Anteil der Emissionen aus Waldzerstörung an den Gesamtemissionen rund 70 bis 80 Prozent“, erklärte sie. Deshalb sei es wichtig, Waldschutz, nachhaltige Waldwirtschaft und Aufforstung in diesen aber auch in den ärmsten Ländern der Welt anzuerkennen und finanziell zu unterstützen.

Kopp kritisierte zugleich das Verhalten der neuen aufstrebenden Wirtschaftsmächte auf den Klimakonferenzen. „Ich habe es oft erlebt, dass Schwellenländer gern mit Entwicklungsländern gleich behandelt werden möchten.“ Zwar wollten sie gemäß ihrer zunehmenden Stärke mitsprechen. Wenn es aber um die Lastenverteilung bei der Vereinbarung von konkreten Klimaschutzzielen gehe, stellten sie sich gern in eine Reihe mit den ganz Armen. „Das geht nicht“, sagte Kopp.

Es stellt sich aber zunehmend die Frage, welchen Einfluss Politiker überhaupt auf den Klimaprozess haben. Wie schon in Kopenhagen ist auch in Cancún zu beobachten, dass Konzerne das Umfeld dort nutzen, um ihre grünste Seite zu präsentieren. In diesem Jahr halten Siemens, Google, Coca-Cola, die Deutsche Bank und andere ihre Nebenkonferenz im Luxushotel Ritz-Carlton einige Kilometer vom Tagungszentrum entfernt ab.

Der Getränkekonzern Coca-Cola erklärte, wie er den Wasserverbrauch reduzieren will. Der Internetkonzern Google präsentierte seine „Earth Engine“ – ein Programm, das Forschern auf Basis von Geodaten helfen soll, die Entwicklung der Wälder zu analysieren. Und die Siemens-Tochter Osram hat sich mit dem niederländischen Konkurrenten Philips und dem UN-Umweltprogramm Unep zur Initiative „en.lighten“ zusammengeschlossen – was im Deutschen zugleich „aufklären“ wie „erleuchten“ bedeutet. Die Initiative soll den Einsatz der hierzulande oft ungeliebten Energiesparlampe in Entwicklungsländern fördern. Denn Quecksilber hin oder her: Würde man alle konventionellen Glühlampen durch Energiesparlampen ersetzen, ließe sich der Treibhausgasausstoß „mehrerer zehn Millionen Autos“ einsparen, rechnete Unep-Chef Achim Steiner in Cancún vor. Allein Indonesien könne sich so den Bau von 3,5 Kohlekraftwerken für umgerechnet 1,9 Milliarden Euro sparen.

Vielleicht sind es solche praktischen Rechnungen, Ideen und Anregungen, die am Ende eher umgesetzt werden, als die in Nachtkonferenzen errungenen politischen Formelkompromisse.

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