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Immer schön freundlich bleiben, das ist die Devise für die angehenden Flugbegleiter. Die Kunden von Emirates zahlen viel Geld und sind anspruchsvoll, erklärt eine Emirates-Mitarbeiterin beim Casting in Berlin.

© picture-alliance/ dpa

Casting in Berlin: Die Welt im Schnelldurchlauf

Die Airline Emirates rekrutiert in Berlin Flugbegleiter. Und lockt mit ihrem Luxus-Image Akademiker. Doch die Auswahlkriterien der arabischen Fluggesellschaft bleiben undurchsichtig.

Berlin - Zwei junge Frauen eilen in dunklen Business-Kostümen in Richtung Eingang eines internationalen Kongresshotels in der Nähe des Ku’damms. Eine trägt eine Strumpfhose zu ihrem kurzen Rock und kommt auf den hohen Absätzen immer wieder ins Stolpern. Fünfzehn Minuten später sitzen beide mit knapp 50 weiteren jungen Menschen in einem Konferenzraum des Hotels und träumen von der weiten Welt im Schnelldurchlauf.

Die Fluggesellschaft Emirates hat dieser Tage zu einem Casting nach Berlin eingeladen, um Nachwuchskräfte für den Kabinen-Service zu rekrutieren. „24 hours Sydney, 24 hours Cape Town, 24 hours Singapur“, lockt die Repräsentantin der Gesellschaft aus Dubai und beflügelt die Fantasien der Bewerber. Die Dame, die für die Talentsuche durch Deutschland tourt, trägt überraschend legere Kleidung, dafür aber ein perfektes Lächeln. Ihr Englisch ist nicht muttersprachlich, aber akzentfrei. Das Gesicht verrät weder Alter noch Herkunft, jede Geste sitzt. Sie ist ein Personal-Profi bei dem arabischen Staatskonzern, der in der ganzen Welt zu Hause ist.

In sechs deutschen Großstädten hat Emirates im Juni Castingtage veranstaltet. Wie viele Flugbegleiter die Airline im wichtigen deutschsprachigen Markt rekrutieren will, verrät sie nicht. Emirates gilt als eine der am schnellsten wachsenden Fluggesellschaften überhaupt: 40 Millionen Fluggäste beförderte der Staatskonzern im vergangenen Geschäftsjahr, 17 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Im Mai erklärte das Unternehmen den 25. Jahresgewinn in Folge.

Das Markenzeichen von Emirates sind die Langstreckenflüge und die 35 Airbus A380 – die mit Abstand weltweit größte Flotte der Jumbo-Flieger. Es ist das Versprechen eines äußerst komfortablen Flugs, in der ersten Klasse sogar mit Duschkabinen und Cocktailbar. Die Airline pflegt ein Luxus-Image, das sie auch als Arbeitgeber attraktiv macht.

Bei den Gesprächen im Hotelflur entpuppen sich einige der Aspiranten als Flugbegleiter, die bereits bei anderen Linien unter Vertrag stehen. Sie hoffen auf einen Karrieresprung bei Emirates. Neben den weniger stressigen Langstreckenflügen sind es das internationale Flair und vor allem der Wohlstand Dubais, der sie lockt.

2000 Euro verdienen neue Flugbegleiter bei Emirates in der Economy Class pro Monat im Schnitt. Bei Lufthansa verdient ein Neuling rund 1900 Euro, bei Air Berlin 1600 Euro. Hinzu kommen noch Zulagen wie Urlaubs- und Abwesenheitsgeld. Doch der wirkliche Unterschied ist unterm Strich abzulesen. Bei Emirates ist Brutto gleich Netto, die Flugbegleiter zahlen keine Steuern auf ihr Gehalt. Da zum großen Teil nach Flugstunden vergütet wird, können Vielflieger ihr Gehalt aufstocken. Darüber hinaus wird die Unterkunft am Wohnort Dubai kostenfrei gestellt – aussuchen darf man sie sich aber nicht. Zudem teilt man sich das Apartment mit einem oder zwei Arbeitskollegen und Besuch über Nacht ist verboten. Händchenhalten in der Öffentlichkeit ist nur verheirateten Paaren erlaubt, Küssen gar nicht.

Das scheint beim Casting jedoch niemanden abzuschrecken. Erstaunlich viele der Kandidaten sind Akademiker. Linguisten, Raumfahrttechniker und Politikwissenschaftler sind gewillt, freundlich lächelnd jeden Wutanfall in der Business Class zu ertragen. Denn Emirates verspricht nicht nur viel, sondern fordert auch eine Menge: Unbedingter Kundengehorsam und Disziplin. „Es gibt nichts geschenkt“, sagt die Emirates-Dame und wird ernst. „Unsere Ticketpreise sind hoch und das Fluggeschäft ist extrem kompetitiv. Das wissen die Kunden und sind entsprechend anspruchsvoll.“ In einem ersten Test im Hotel müssen einige jungen Frauen versuchen, mit den Fingerspitzen über eine Markierung an der Wand in 212 Zentimeter Höhe zu streichen. Auf Zehenspitzen strecken sie sich, damit der Wunsch von der weiten Welt wahr werden kann. Für die ersten Damen ist hier Schluss. Es folgen weitere Rollenspiele und Tests, die angeblich die besten Kundendiener herausfiltern sollen.

Die Ticketpreise sind hoch, die Kunden anspruchsvoll

Carlos ist Grafik-Designer und war bereits auf einem Casting in Madrid. Er trägt einen dunkelblauen Anzug mit grauer Weste und wirkt ruhig, obwohl er gesteht, dass er vor Aufregung nichts gegessen hat. „Sie suchen junge Leute, vor allem Frauen, zwischen 21 und 25 Jahren, die man leicht nach dem Emirates Regel- und Verhaltenscode formen kann“, sagt er. Die erste Vorauswahl haben die Bewerber offenbar schon selbst anhand von Berufsklischees getroffen: Kaum jemand wirkt älter als dreißig und die Mehrheit sind hübsch lächelnde Frauen.

Carlos steht in der Mitte eines Stuhlkreises und präsentiert unkonventionelle Verwendungsmöglichkeiten für einen Kleiderbügel. Der Test soll die Multitasking-Fähigkeit der Kandidaten prüfen. Carlos’ Englisch ist fehlerfrei, er ist kreativ und sein Blick wandert freundlich von Gesicht zu Gesicht der sitzenden Kandidaten. Es hilft nichts. Aus dieser Gruppe mit knapp 25 Personen kommt von den zehn Männern nur einer weiter: Ein arabischstämmiger Mann, der neben einer hohen Stimme vor allem durch sein Dauer-Lächeln auffällt.

Was die tatsächlichen Kriterien der Personal-Expertin von Emirates sind, bleibt den Bewerbern verborgen. Es wirkt so, als gebe es Quoten, für Geschlecht, Alter oder Sprache. Die Leistung in den Präsentationen scheint keine wirkliche Rolle zu spielen.

Nach kurzer Auswertung der ersten Runde verlassen die Aspiranten ohne anzuhalten den Raum, im Vorbeigehen gibt es einen Brief von der lächelnden Emirates-Dame. Es ist kein goldenes Ticket nach Dubai. Ein weißer Zettel beendet wortkarg den kurzen Traum: „Leider waren Sie heute nicht erfolgreich“, steht darauf.

Luca Spinelli

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