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Wirtschaft: CDU will Zeitarbeitsgesetz abschaffen

Berlin. Die CDU will den Zeitarbeitsmarkt flexibilisieren.

Berlin. Die CDU will den Zeitarbeitsmarkt flexibilisieren. „Wir werden das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz abschaffen. Das Gesetz ist nicht mehr zeitgemäß“, sagte der arbeitsmarkt- und sozialpolitische Sprecher der CDU, Karl-Josef Laumann, dem Tagesspiegel. Das Gesetz schreibt fest, dass Zeitarbeiter bei einer Zeitarbeitsfirma unbefristet angestellt sind, auch wenn sie keinen Arbeitseinsatz haben. Das Gesetz regelt außerdem, dass Zeitarbeiter höchstens für 24 Monate an einen Betrieb entliehen werden dürfen, wobei ab dem 13. Monat das Gehalt des Entleihbetriebes gezahlt werden muss.

„Man muss die Zeitarbeitnehmer arbeitsrechtlich mit den normalen Arbeitnehmern gleichstellen“, sagte Laumann. „Sie sollen die gleichen Rechte und Pflichten haben und die gleichen Risiken tragen.“ Der Zeitarbeitsmarkt sei mittlerweile so gewachsen, dass er keine Sonderregelungen für Zeitarbeit mehr brauche. Von der Abschaffung des Gesetzes erwartet Laumann neue Impulse dafür, dass Arbeitslose über Zeitarbeit in den Arbeitsmarkt integriert werden können. Auch liberale Arbeitsmarktexperten preisen die Zeitarbeit im Kampf gegen strukturelle Arbeitslosigkeit als „besonders effizientes Instrument“ und wollen den Zeitarbeitsmarkt flexibilisieren. Der nordrhein-westfälische Arbeitsminister Harald Schartau (SPD) hat sogar vorgeschlagen, dass die Unternehmen statt Überstunden lieber Zeitarbeitsunternehmen einkaufen sollen.

Früher gehörte sie in die Schmuddelecke, jetzt steht die Zeitarbeit sogar im Regierungsprogramm der CDU. Denn mittlerweile kommt keine Branche mehr ohne Zeitarbeit aus, egal ob es Großkonzerne oder mittelständische Unternehmen sind. Dennoch arbeitet in Deutschland bisher nur rund ein Prozent der abhängig Beschäftigten auf Zeit, knapp eine Million. In den Niederlanden, dem Land, das die Flexibilisierungsexperten gerne als Vorbild nehmen, sind es immerhin 4,5 Prozent, in Frankreich drei Prozent. In den Niederlanden gibt es kein Zeitarbeitsgesetz, die Zeitarbeiter sind nur solange bei einer Zeitarbeitsfirma angestellt, wie der konkrete Arbeitseinsatz dauert, und erhalten von Anfang den gleichen Lohn wie die anderen Mitarbeiter der Entleihfirma.

Die Zeitarbeitsfirmen boomen, wenn sich wie im ersten Halbjahr 2001 die Konjunktur verschlechtert. Hält die Wirtschaftskrise aber an, geht es auch mit den Zeitarbeitsunternehmen bergab. Jürgen Schupp, Zeitarbeitsexperte vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung warnt, Zeitarbeit als Allheilmittel gegen Arbeitslosigkeit zu überschätzen: „Gerade der temporäre Bedarf an Arbeitskräften unterliegt extrem den konjunkturellen Schwankungen.“

Seit dem Sommer 2001 ist der Zeitarbeitsmarkt kaum gewachsen, nachdem er in den zehn Jahren zuvor jährlich stets zweistellige Wachstumsraten vorweisen konnte. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Unternehmensberatung Lünendonk. Im vergangenen Jahr wurde mit Zeitarbeitsleistungen in Deutschland ein Umsatz von rund 6,6 Milliarden Euro erwirtschaftet. Das sind nur drei Prozent mehr als im Jahr 2000.

Der Zeitarbeitsmarkt ist in Deutschland immer noch extrem zersplittert. Die Bundesanstalt für Arbeit registrierte Mitte 2001 über 3800 Unternehmen. 60 Prozent davon sind kleinere Unternehmen mit 30 bis zu 6000 Mitarbeitern. Randstad, das größte Unternehmen der deutschen Branche, repräsentiert mit 624 Millionen Euro Umsatz lediglich einen Marktanteil von 9,5 Prozent, das zweitgrößte, Adecco, einen Anteil von 7,4 Prozent. Bereits die drittgrößte Zeitarbeitsfirma, Persona Service, weist einen Marktanteil von nur unter fünf Prozent auf.

Katja Hartmann von Manpower berichtet, dass die Firmen, mit denen sie seit Jahren zusammenarbeiten, nicht mehr nach dem Alter fragen oder danach, wann ein Arbeitnehmer zuletzt seinen Beruf ausgeübt hat: „Wir wissen, dass die Leute, die ihr vermittelt, gut sind.“ Die Chancen für einen Arbeitslosen über Zeitarbeit in einen Betrieb hineinzukommen, seien deshalb wesentlich höher als für einen Arbeitslosen, der vom Arbeitsamt komme. Deshalb, so Hartmann, würden viele Zeitarbeiter in Kauf nehmen, dass sie bei der Zeitarbeit weniger verdienen.

Im Schnitt bekommt ein gering qualifizierter Arbeitnehmer in Zeitarbeit bis zu dreißig Prozent weniger, als wenn er bei dem Betrieb direkt angestellt ist, der ihn ausleiht. Je höher die Qualifikation ist, desto geringer wird der Unterschied zwischen dem Zeitarbeitslohn und der Direktanstellung. Eine EU-Richtlinie für einen Tarifvertrag für Zeitarbeit soll künftig Einheitlichkeit schaffen.

Der Vorstoß der CDU, das Zeitarbeitsgesetz abzuschaffen, trifft beim Bundesverband für Zeitarbeit auf offene Ohren. Die deutsche Fristen-Regelung mit vollem Lohn ab dem 13. Monat sei viel zu aufwändig, heißt es dort. Die Betriebe müssten nach zwölf Monaten ihre Lohntabellen offenlegen und einen neuen Vertrag mit der Zeitarbeitsfirma aushandeln. Viele scheuen diesen Aufwand und entlassen den Zeitarbeitnehmer dann lieber.

Bisher arbeiten weniger als fünf Prozent der Zeitarbeiter länger als zwölf Monate in einem Betrieb. Wenn die Frist fallen würde, könnten Schwangerschaftsvertretungen vollständig durch einen und nicht mehrere Leiharbeiter abgedeckt werden, argumentieren die Zeitarbeitsfirmen. Außerdem könnten dann Akademiker und andere Hochqualifizierte leichter vermittelt werden, deren Tätigkeiten längere Einarbeitungszeiten voraussetzten. Das würde die Tendenz verstärken, dass ganze Abteilungen aus Unternehmen in die Zeitarbeit ausgelagert würden. Eine Aussicht, die die Gewerkschaften nicht freut. Der Zeitarbeitsmarkt werde auch hierzulande wachsen, aber nicht so schnell wie in Holland, wo die Zeitarbeit die betriebliche Ausbildung ersetzt, heißt es beim DGB. Außerdem gelte nach wie vor: „Wer eine andere Möglichkeit hat, geht nicht zur Leiharbeit.“ Claudia Keller

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