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Wirtschaft: Chaos bei Billig-Aktien empört Anlegerschützer

Die so genannten Penny-Stocks-Regeln, mit denen die Deutsche Börse AG Unternehmen vom Neuen Markt ausschließen kann, stehen weiter unter juristischem Vorbehalt. Im Rechtsstreit um das Regelwerk erzielte die Börse am Dienstag zwar einen Teilerfolg vor dem Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt (Main).

Die so genannten Penny-Stocks-Regeln, mit denen die Deutsche Börse AG Unternehmen vom Neuen Markt ausschließen kann, stehen weiter unter juristischem Vorbehalt. Im Rechtsstreit um das Regelwerk erzielte die Börse am Dienstag zwar einen Teilerfolg vor dem Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt (Main). Die Richter wiesen allerdings nur einen Antrag der Berliner Foris AG auf Einstweilige Verfügung gegen die Penny-Stocks-Regeln zurück. Eine grundsätzliche Entscheidung darüber, ob die neuen Regeln von der Börse im vergangenen Jahr einseitig eingeführt werden durften und dauerhaft wirksam bleiben können, trafen die Richter nicht (Aktenzeichen: 5 U 189/01). Anleger und Unternehmen erwarten einen entsprechenden Richterspruch seit Monaten.

"Es hätte der Börse und allen Anlegern gut getan, wenn endlich Rechtsklarheit herrschen würde", sagte Gerrit Meincke von der Foris AG am Dienstag. Nun müsse auf das Ende anderer, parallel verlaufender Verfahren in diesem Frühjahr gewartet werden, die noch beim Frankfurter Landgericht anhängig sind. "Statt am Neuen Markt mit klaren Regeln für mehr Transparenz zu sorgen, ist inzwischen das genaue Gegenteil erreicht", kritisierte Markus Straub, Vorstandsmitglied der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre (SdK). "Für die Deutsche Börse ist das eine Katastrophe."

In der Urteilsbegründung des OLG hieß es, für die Foris AG bestehe derzeit keine Gefahr eines Ausschlusses vom Neuen Markt. Damit hoben die OLG-Richter ein Urteil des Frankfurter Landgerichts auf. In erster Instanz hatte Foris dort sechs Monate Schonfrist eingeräumt bekommen, bevor die neuen Börsenvorschriften auf das Unternehmen angewandt werden dürfen. Nach den im Oktober 2001 eingeführten Regeln für den Neuen Markt riskieren Firmen einen Ausschluss, wenn ihr Aktienkurs an 30 aneinander folgenden Börsentagen einen Tagesdurchschnittskurs von unter einem Euro aufweist und deren Marktkapitalisierung weniger als 20 Millionen Euro beträgt. Davon sei die Foris AG aber noch weit entfernt, sagte der zuständige Berichterstatter des Gerichts, Klaus Härle. Das Urteil bedeute aber nicht, dass Foris auch unterliegen würde, wenn die Voraussetzungen für einen Ausschluss gegeben seien, betonte Härle.

Vor dem Landgericht Frankfurt haben bereits mehr als 20 Firmen einen Aufschub für die Anwendung der Penny-Stocks-Regeln erwirkt. Beim OLG liegen nach Auskunft des Gerichts inzwischen drei Berufungen vor, bei denen auch in der Hauptsache - also über die Rechtmäßigkeit der Penny-Stocks-Regeln - entschieden werden könnte. Bis es zu einem Urteil kommt, könnten nach Einschätzung von Juristen allerdings durchaus auch Jahre vergehen. So dürfte die Deutsche Börse Widerspruch gegen die Aufschubregelung einlegen, die das zuständige Landgericht anschließend wieder aufheben kann. Bis zu einem endgültigen Richterspruch droht zahlreichen Penny-Stock-Kandidaten der Rauswurf aus dem Neuen Markt.

Die Deutsche Börse zeigte sich am Dienstag zufrieden mit der OLG-Entscheidung. "Wir sehen uns bestätigt", sagte eine Sprecherin. Zur Rechtmäßigkeit der Rauswurf-Regeln hätten die Richter keine Aussagen getroffen. "Wir werden sie deshalb ab dem 1. April anwenden und halten sie für wichtig und sinnvoll, um das Profil des Neuen Marktes zu schärfen." Von mangelnder Akzeptanz bei Unternehmen und Anlegern könne keine Rede sein. "Alle Beteiligten waren im Sommer 2001 den Entscheidungsprozess einbezogen und haben sich für entsprechende Regeln stark gemacht", sagte die Sprecherin.

Das sehen Aktionärsvertreter freilich anders: "Die Deutsche Börse spielt auf Zeit", sagte am Dienstag Marc Tüngler von der Deutschen Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz (DSW). "Wir haben den Eindruck, dass die Börse nicht mehr gemeinsam mit den notierten Unternehmen, sondern gegen sie handelt." Unter großem öffentlichem Druck seien die Regeln im Sommer des vergangenen Jahres eingeführt worden, ohne dass sich die Börse über deren Konsequenzen im Klaren gewesen sei. Unternehmen, Emittenten und Anleger seine nur am Rande konsultiert worden. Tüngler glaubt, dass sich dieser Schaden nicht mehr beheben lässt. Die Bemühungen der Deutschen Börse, den Neuen Markt transparenter und damit wieder attraktiver für Anleger zu machen, seien gescheitert. "Dieser Zug ist abgefahren."

mot

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