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Brücke in die Zukunft - Bahn-Chef Grube arbeitet an einem neuen Image für den staatseigenen Konzern.

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Charmeoffensive: Bahn will sich neu erfinden

Der Börsengang ist für die Deutsche Bahn kein Thema mehr. Künftig soll die Kundschaft vor allem das Positive sehen. Doch auch die ausgefeilteste Strategie kann an der Wirklichkeit scheitern.

Rüdiger Grube eilt ein Ruf voraus. Geradezu versessen auf Präsentationen und bunte Folien soll er gewesen sein, als noch die Fusion von Daimler und Chrysler sein Tagwerk und er Strategiechef des Autokonzerns war. Zu jeder Frage und zu jeder Zahl habe er Charts im Koffer gehabt, erinnern sich einstige Weggefährten. Und detailverliebt jede noch so komplexe Grafik erklärt.

Seit etwas mehr als 1000 Tagen leitet der 61-Jährige die Deutsche Bahn, aber die Leidenschaft ist geblieben. Nur dass es nicht mehr um profane Fusionen geht, sondern um Höheres, eine neue Dimension. Große Ziele lässt Grube über die Leinwand blinken, für alles und jeden will er in Zukunft etwas tun. Für den Kunden. Die Umwelt. Das Klima. Die Gesellschaft. „Und natürlich für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.“

Grube hat sich eine neue Strategie für seine Bahn ausgedacht. „DB 2020“ nennt er sie schlicht, sie ist ihm wichtiger als die guten Zahlen, die er am Donnerstag in Berlin vorlegt. Er malt ein Bild, wie der Staatskonzern in acht Jahren aussehen soll. Für das Unternehmen ist das eine kleine Revolution. Denn das umstrittenste Vorhaben der vergangenen Jahre läuft nur noch am Rande mit. „Bisher war die Kapitalmarktfähigkeit das übergeordnete Ziel“, sagt er. „Der Börsengang ist aber keine Strategie, sondern nur Mittel zum Zweck.“ Immer sei es zuletzt nur um Zahlen gegangen, statt auch um Umwelt oder Soziales. „Wenn Sie einen Bahner gefragt haben, was ist das Ziel der Bahn, hat der Ihnen gesagt: Börsengang“, ärgert sich Grube heute. Das habe vieles kaputtgemacht.

Damit vollzieht er den endgültigen Bruch mit der Mehdorn-Ära, in der die Bahn den Börsengang 2008 nur haarscharf verpasste. Für die Politik ist er ohnehin kein Thema mehr. Mit den Folgen des jahrelangen Spar- und Effizienzkurses kämpft das Unternehmen aber noch immer – die Berliner S-Bahn bleibt auf Jahre ein Verlustgeschäft, das Ansehen bei den Kunden ist im Keller. „Wir sind bei den Sympathiewerten nicht da, wo wir sein sollten“, räumt Grube ein.

Nun soll alles besser werden. Zuallererst für die Fahrgäste – neue und noch zuverlässigere Züge sind das Ziel, noch mehr Verbindungen, noch mehr renovierte Bahnhöfe, bequem zu buchende Fahrscheine und Informationen über alle Kanäle. Vorreiter im Umweltschutz will die Bahn werden, der Anteil an erneuerbarer Energie soll von heute 20 auf 35 Prozent steigen, Loks und Waggons sollen nur noch halb so viel Krach machen.

„Für Menschen, für Märkte, für morgen“ heißt der Slogan der neuen Bahn-Strategie für 2020. Dieses Bild aus dem März 2012 erinnert allerdings in seiner Heimeligkeit noch ein wenig an den Markt von vorgestern. Foto: dpa
„Für Menschen, für Märkte, für morgen“ heißt der Slogan der neuen Bahn-Strategie für 2020. Dieses Bild aus dem März 2012 erinnert allerdings in seiner Heimeligkeit noch ein wenig an den Markt von vorgestern. Foto: dpa

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Auch mit seinen Leuten hat Grube Großes vor. Zu den zehn beliebtesten Arbeitgebern im Land will die Bahn werden. Frauen sollen eine größere Rolle spielen, sogar in der Führung. Der Chef wünscht sich zufriedenere Mitarbeiter, um mehr „Respekt und Wertschätzung“ gehe es. Dazu sollen die weltweit 300 000 Beschäftigten regelmäßig zu ihrer Befindlichkeit befragt werden. Ohnehin sind die Zeiten des Stellenabbaus vorbei – bis zu 7000 Leute sollen nun jedes Jahr kommen.

Strategien sind für Vorstände die Kür im aufreibenden Manager-Alltag. Die Chefs brauchen gut klingende Visionen, um Beschäftigte und Geldgeber bei Laune zu halten. Über Monate haben Grube und gut vier Dutzend seiner Leute an der Ausrichtung gearbeitet. Sie spiegelt den Zeitgeist der Merkel-Jahre: Es allen recht machen, auf keinen Fall anecken. Wie anders war doch die Bahn unter Mehdorn, der austeilte gegen kritische Politiker, müllende Kunden und meckernde Verbände.

Grube wäre nicht Grube, ginge es nicht auch um Zahlen. Auf 70 Milliarden Euro soll der Umsatz bis 2020 wachsen, doppelt so viel wie heute. Vor allem der Güterverkehr soll Geld bringen, in den wichtigen Märkten will man Primus bleiben oder es werden. Auch Übernahmen sind möglich. 86 Milliarden sollen investiert werden, das meiste hierzulande.

Doch auch die ausgefeilteste Strategie läuft Gefahr, an der Wirklichkeit zu scheitern. Krisen gibt es bei der Bahn eigentlich immer: Ein verquastes Preissystem, brüchige Zugachsen oder eine schmutzige Datenaffäre haben sie in den vergangenen Jahren erschüttert. Auch in Zukunft wird es wohl irgendwo rumpeln. Erst dann dürfte sich zeigen, ob die schönen neuen Ziele Bestand haben. Das weiß auch Grube. „Wir müssen deutlich machen, dass das nicht nur Überschriften sind.“

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