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Ana-Cristina Grohnert ist Vorstandsvorsitzende der Charta der Vielfalt und Managing Partner, Ernst & Young.

© EY

„Charta der Vielfalt“: Inklusion beginnt bei der Mehrheit

Die Unternehmensinitiative „Charta der Vielfalt“ wirbt Diversity als Chance.

Wussten Sie, dass 50 Prozent der Beschäftigten in den meisten deutschen Unternehmen Männer sind – in technischen Betrieben sogar noch mehr? Und dennoch richten sich gefühlt fast 100 Prozent aller Gleichstellungs- und Diversity-Maßnahmen an Frauen! Auch Statistiken zur sexuellen Orientierung belegen, dass die überwiegende Mehrheit der Deutschen heterosexuell ist. Gleichwohl richten sich die Angebote der Unternehmen – sofern vorhanden – vorrangig und alleinig an schwule oder lesbische Mitarbeiter/innen. Auch beim Thema Barrierefreiheit richtet sich der Blick nicht vornehmlich auf die Mehrheit der nicht behinderten Mitarbeiter/innen in einer Organisation.

Warum das aber eigentlich viel wichtiger wäre? Ganz einfach: In all den Jahrzehnten, in denen hart um die Gleichstellung von Menschen unterschiedlicher Herkunft, Alter, Geschlecht oder Behinderung gerungen wurde, hat sich zwar einiges bewegt. Was sich aber leider nicht leugnen lässt, ist, dass sich die Mehrheit, also diejenigen, die in Organisationen die Spielregeln setzen und Normen vorgeben, sich dadurch kaum anpassen oder gar ändern mussten. Bei Vielfalt geht es daher bis heute immer noch um die „Anderen“, die integriert werden müssen, weshalb lieber an der Minderheit „herumgedoktert“ wird, anstatt die ungeschriebenen und oft exkludierenden Gesetze der Mehrheit in einer Organisation infrage zu stellen.

Vielfalt als Chance, nicht als Bürde

Wenn Diversity der Mix ist, aus dem unsere Gesellschaft, unsere Unternehmen und Organisationen nun einmal besteht, dann ist Inclusiveness der Weg, wie wir diesen Mix erfolgreich steuern. Dies gelingt nur dann, wenn wir stets die Mehrheit mitdenken und konsequent in alle Maßnahmen des Diversity Managements einbeziehen. Das heißt, wenn LGBT-Netzwerke (Lesbian, Gay, Bisexuell, Transgender) immer auch ein A beinhalten, also ein LGBT-A-Netzwerk, das (heterosexuelle) Allies umfasst. Dass Gleichstellungsmaßnahmen automatisch Männer einbeziehen, weil nur mit ihnen gemeinsam der Fortschritt gelingen kann. Und dass Barrierefreiheit nicht etwa mit der Einrichtung von Rampen und Handläufen endet, sondern erst mit einem Umdenken der Mehrheit und einem Einstellungswandel richtig beginnt.

Innovation kann nur dann entstehen, wenn Vielfalt nicht als Bürde, für die es spezielle Maßnahmen gibt, sondern als Chance bewertet wird, durch die alle Mitarbeiter/innen ihr Potenzial einbringen und leben können. Die Charta der Vielfalt ist ein Katalysator für eben diesen Diskurs. Als Unternehmensinitiative hat sie sich seit ihrer Gründung 2006 die Förderung von Vielfalt in Unternehmen und Institutionen zum Ziel gesetzt. Die Organisationen, die sich der Charta anschließen, sollen als Vorbilder für einen produktiven und im wahrsten Sinne des Wortes gewinnbringenden Umgang mit der Vielfalt sowie für ein vorurteilsfreies und inklusives Arbeitsumfeld dienen.

Die Entwicklung, die die Initiative Charta der Vielfalt in den knapp acht Jahren seit ihrer Gründung genommen hat, ist bezeichnend für die Wichtigkeit des Themas. Bis heute ist die Gruppe der Unterzeichner auf über 1900 gewachsen, die gemeinsam für mehr als sieben Millionen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen stehen.

Das zeigt, dass Diversity kein Minderheitenthema ist. Im Gegenteil: Bei der dritten Deutschen Diversity Konferenz werden erneut prominente Akteure aus Wirtschaft, Politik, Gesellschaft und Wissenschaft sektorübergreifend zeigen, dass Wettbewerbsfähigkeit nur dort entstehen kann, wo unterschiedliche Perspektiven und Kompetenzen zusammenkommen.

Ana-Cristina Grohnert

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