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Klaus Dauderstädt ist Bundesvorsitzender des Deutschen Beamtenbundes.

© Christian Mang

Chef des Beamtenbundes:: "Es ist eine Sauerei, die Beamten abzukoppeln"

Klaus Dauderstädt, Chef des Deutschen Beamtenbundes, spricht im Interview über den Frust im öffentlichen Dienst, Personalmangel und die neue Tarifrunde

Herr Dauderstädt, wie wird das Jahr?
Eine Herausforderung.
Das gilt für jedes Jahr.
Immerhin haben wir eine neue Regierung, wenngleich die Koalitionsvereinbarung keine großen Überraschungen für den öffentlichen Dienst beinhaltet. Das Berufsbeamtentum wird gelobt und die Bedeutung des öffentlichen Dienstes für die Gesellschaft herausgehoben.
Alles wie gehabt.
Die Probleme werden aber größer: Die Politik erkennt zwar, dass es Personalmangel gibt und der demografische Wandel Auswirkungen auf die Stellenbesetzungen hat. Aber was tatsächlich passiert, ist dürftig. Wir brauchen Nachwuchs. Zweitens müssen wir zusehen, dass die Menschen im öffentlichen Dienst nicht in die Privatwirtschaft abgeworben werden. Und drittens brauchen wir für die Älteren altersgerechte Arbeitsbedingungen und Möglichkeiten für einen gleitenden Übergang in den Ruhestand.
Warum ist im öffentlichen Dienst der Krankenstand – für Berlin gilt das ganz besonders – überdurchschnittlich hoch?
Generell ist das nicht so. Eine Reihe von Statistiken zeigt, dass wir auf dem gleichen Niveau liegen wie andere Dienstleistungsbereiche. Es gibt jedoch einige Bereiche mit enormer Arbeitsverdichtung und vielen Überstunden, etwa im Bildungssystem oder bei der Polizei. Die schlechte Personalausstattung führt zu großer Arbeitsverdichtung und zu krankheitsbedingten Ausfällen.
Wo sind die Personallücken am größten?

Es gibt einige Mangelberufe. IT-Kräfte bekommen wir nur noch mit Zuschlägen. Aber auch klassische akademische Berufe wie Ärzte und Ingenieure sind nur schwer zu besetzen. Zum Teil verlieren wir die sogar, aus der Steuerverwaltung werden Fachleute von Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern abgeworben. Und bei der Bundeswehr entdecken Ärzte plötzlich ihr Gewissen und machen auf Kriegsdienstverweigerer, um aus dem Dienstverhältnis rauszukommen. Dann fangen sie in einem Krankenhaus an mit doppelt so hohen Bezügen.

"Bei einer Pandemie würden nicht nur Impfstoffe fehlen, sondern auch Ärzte"

Klaus Dauderstädt ist Bundesvorsitzender des Deutschen Beamtenbundes.
Klaus Dauderstädt ist Bundesvorsitzender des Deutschen Beamtenbundes.

© Christian Mang

Also sollen die Ärzte beim Bund doppelt so viel verdienen?
Ich möchte auf das Problem hinweisen, auch in den öffentlichen Gesundheitsämtern. In den 90er Jahren hatten wir dort rund 4000 Ärzte, jetzt sind es noch 2000. Nicht auszudenken, wenn es zu einer echten Pandemie in Deutschland käme. Dann fehlen nicht nur die Impfstoffe, sondern auch die ärztliche Betreuung.
Was ist Ihr Gegenmittel?
Wir sollten zumindest einmal jungen Leuten, die ihre Qualifikation im öffentlichen Dienst erwerben, eine unbefristete Übernahme nach der Ausbildung zusichern.
Und das lockt die Jugend an?
Sie können junge Menschen für gesellschaftlich wichtige Aufgaben begeistern. Und der öffentliche Dienst erledigt Aufgaben, ohne die unsere Gesellschaft nicht funktioniert. Hinzukommen muss natürlich eine angemessene Bezahlung und schließlich der sichere Arbeitsplatz und die gute Altersversorgung.
Ist die Bezahlung so schlecht?
Nein, aber sie ist in vielen Bereichen nicht wettbewerbsfähig.
Wie steht es mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf?
Verbesserungsfähig.
Dann machen Sie doch gemeinsam mit Verdi einen Tarifvertrag, in dem zum Beispiel flexible Arbeitszeiten und Arbeitszeitkonten geregelt sind.
Als Chef der Gewerkschaft der Sozialversicherung habe ich einmal mit der Techniker Krankenkasse Langzeitkonten vereinbart. Da wurden Zeitguthaben oder Geldbeträge eingebracht, die bei Bedarf als Geld oder als Freizeit ausgezahlt wurden.
Warum nicht so etwas für den öffentlichen Dienst insgesamt?
In diesem Jahr haben wir eine reine Einkommensrunde und die Übernahme der Ausgebildeten mit dem Bund und den Kommunen zu verhandeln. Perspektivisch kann ich mir aber einen Demografietarifvertrag für den öffentlichen Dienst insgesamt vorstellen, der aufgreift, was es hier und da schon gibt: Gesundheitsmanagement, Fonds und Zeitkonten oder sich dem Alter anpassende Ergonomie. Jetzt stehen wir aber vor einer Lohnrunde, und die wollen wir nicht durch ein komplexes Thema wie die Demografie belasten.

Verdi-Chef Frank Bsirske hat bereits drei Prozent ins Gespräch gebracht.
Mal sehen. Wir werden sicher berücksichtigen, was wir im vergangenen Jahr für die Bundesländer verabredet haben.
Das waren 2,95 Prozent für 2014.
Der Abstand zwischen Bund, Ländern und Kommunen soll nicht zu groß werden, deshalb ist die Länderregelung eine wichtige Vorgabe.

"Die dritte Gewalt im Lande ist staatsverdrossen"

Klaus Dauderstädt ist Bundesvorsitzender des Deutschen Beamtenbundes.
Klaus Dauderstädt ist Bundesvorsitzender des Deutschen Beamtenbundes.

© Christian Mang

Dann ist die Tarifrunde ja schnell erledigt. Viel mehr dürfte Sie ja auch umtreiben, dass die Bundesländer die Tarifabschlüsse nicht mehr vollständig auf ihre Beamten übertragen.
Die Föderalismusreform II hat diese Ausfransung des Dienstrechts ermöglicht. Mit verheerenden Folgen. Nordrhein- Westfalen zum Beispiel verordnet einfach dem höheren Dienst eine Nullrunde, und Rheinland-Pfalz beschließt, über fünf Jahre den Beamten nur ein Prozent zu zahlen. Das ist furchtbar.
Sie übertreiben.
Nein. Ich gebe Ihnen nur ein Beispiel: Nach Aussage des deutschen Richterbundes gibt es in seinen Reihen massive Staatsverdrossenheit: Die dritte Gewalt im Lande ist staatsverdrossen – und das finde ich furchtbar. Diese Leute sind sehr aufgebracht, weil sie sich nicht angemessen alimentiert fühlen.
Was machen Sie dagegen?
Die Opposition in NRW hat ein Normenkontrollverfahren eingeleitet, das in Münster vor dem Verfassungsgerichtshof entschieden wird. Und womöglich auch noch vor dem Bundesverfassungsgericht landet. Parallel klagen wir vor Verwaltungsgerichten. Das Gesetz räumt dem Arbeitgeber einen großen Spielraum bei der Gestaltung der Alimentation der Beamten ein. Ob dieser Spielraum nun verletzt wird, ist zu klären. In NRW wo gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen wird, ebenso wie in Rheinland-Pfalz, wo gegen den Grundsatz der Teilhabe verstoßen wird.
Wieso Teilhabe?
Die Mainzer Regierung hat für fünf Jahre ein Prozent für die Beamten festgelegt. Das widerspricht dem Prinzip der Teilhabe, weil niemand über einen so langen Zeitraum vorhersehen kann, wie sich die Wirtschaft und die Einkommen entwickeln. Grob gesagt: Es ist eine Sauerei, die Beamten von der allgemeinen Einkommensentwicklung abzukoppeln.
Womöglich wird das ein Trend, wenn die Länder massiv sparen müssen, um die Schuldenbremse zu schaffen.
Tarifrecht bricht Haushaltsrecht. Aber man muss das natürlich auch durchsetzen können. Tarifabschlüsse sollten, wie über viele Jahrzehnte üblich, auf die Beamten übertragen werden. Andernfalls müssen wir vor Gericht ziehen.
Das steht Ihnen auch beim Thema Tarifeinheit bevor, wenn die neue Regierung ein entsprechendes Gesetz verabschiedet, mit dem Sparten- oder Berufsgewerkschaften an die Kette gelegt werden sollen, damit es nicht ständig Arbeitskämpfe gibt.
Ich möchte keine Einschränkung der Koalitionsfreiheit, sondern lieber eine politische Lösung und werde die Parlamentarier versuchen zu überzeugen, dass die Pläne gefährlich sind, weil sie kleine Gewerkschaften in ihrer Existenz bedrohen.
Die Kleinen sollen nicht bedroht, sondern ihre Streikbereitschaft gezähmt werden, damit es in Betrieben mit mehreren Gewerkschaften nicht ständig Konflikte gibt. Vielleicht hilft eine Kooperationspflicht, die die Gewerkschaften zur Zusammenarbeit verpflichtet?

Das wird nicht funktionieren. Was ich mir vorstellen kann, ist ein Kooperationsgebot für den Arbeitgeber: Den Vertrag, den er mit einer Gewerkschaft im Betrieb abschließt, muss er auch den anderen Gewerkschaften anbieten.
Wie wäre es mit einem Gesetz, das die bereits existierenden Gewerkschaften schützt und nur neuen Schranken setzt?
Wir sind nicht in Südafrika, wo nur Gewerkschaften eine Chance hatten, die mit dem ANC zusammenhängen. Wenn bei uns in irgendwelchen Branchen oder Betrieben neue Gewerkschaften entstehen, dann ist das immer auch ein Misstrauensvotum gegen die bestehenden Gewerkschaften. Letztere haben natürlich ein Interesse daran, Konkurrenz erst gar nicht aufkommen zu lassen. Aber das ist Kartellbildung und mit unserer Tarifpluralität nicht vereinbar.

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