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Wirtschaft: Chefbuchhalter belastet Siemens-Spitze

Auch Heinrich von Pierer hat angeblich schwarze Kassen gebilligt - sagt ein Beschuldigter

Berlin - Im Siemens-Skandal um schwarze Kassen und Schmiergeld belastet der Leiter des Rechnungswesens der Kommunikationssparte Com seine Vorgesetzten. Dabei gehe es vor allem um seinen früheren direkten Chef Michael Kutschenreuter, einst Com-Bereichsvorstand, heute Chef der Immobiliensparte Siemens Real Estate, sagte Steffen Ufer, Anwalt des Chefbuchhalters, dem Tagesspiegel. Beide Männer sitzen in Untersuchungshaft. Nach Darstellung des Chefbuchhalters hat aber auch der Zentralvorstand die Praktiken gebilligt, auch der damalige Vorstandschef Heinrich von Pierer, der heute den Aufsichtsrat leitet. „Ab einem gewissen Level wusste jeder, was da läuft“, sagte Ufer. „Man hat von meinem Mandanten ausdrücklich gewünscht, beide Augen zuzudrücken. Er hat keinen Zweifel daran gegeben, dass in diesem Konzern fast jeder – außer vielleicht die Putzfrau – wusste, dass illegale Provisionen gezahlt werden.“

Ufer sieht daher auch den Verdacht der Untreue zum Schaden von Siemens, wie ihn die Staatsanwaltschaft verfolgt, als nicht stichhaltig an. „Das ist Schwachsinn, das war doch alles im Interesse der Firma.“ Die Untreuevorwürfe seien nicht zu halten, eher werde es möglicherweise um Bestechung und Steuerhinterziehung beziehungsweise Beihilfe dazu gehen. Deutlich sei aber auch, dass Siemens sich nicht anders verhalten habe als andere Konzerne, um Großaufträge in Afrika, Asien und Osteuropa zu gewinnen. „Der Eingriff einer Staatsanwaltschaft wird die Zustände in der Welt nicht ändern.“ Der Chefbuchhalter solle in der nächsten Woche nach weiteren Aussagen gegen Auflagen freikommen, sagte der Anwalt.

Die Münchner Staatsanwälte erhoffen sich unterdessen weitere Details aus dem Skandal durch das frühere Mitglied des Zentralvorstands Thomas Ganswindt, der ursprünglich am Freitag vernommen werden sollte. Wie der Tagesspiegel aus Anwaltskreisen erfuhr, soll der Termin auf kommenden Montag verschoben worden sein. Ganswindts Anwalt, der Karlsruher Michael Rosenthal, wollte dies jedoch nicht bestätigen. Es sei auch kein anderer Termin anberaumt worden, sagte Rosenthal. „Auf unserer Seite besteht keinerlei Gesprächsbedarf“, sagte der Verteidiger dieser Zeitung. Wann Ganswindt, der seit Anfang der Woche in Untersuchungshaft sitzt, freikommt, ist noch offen.

Seit Freitag ist Siemens nicht mehr Mitglied der Anti-Korruptionsorganisation Transparency International. Siemens habe das Angebot von Transparency Deutschland, die Mitgliedschaft einvernehmlich zu beenden, aufgegriffen, teilte die Organisation mit. Anlass sind die laufenden strafrechtlichen Ermittlungen. Die Mitgliedschaft von Siemens in der Organisation ruhte bereits seit einem Korruptionsvorfall Mitte des Jahres 2004.

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