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Der bisherige Chefdesigner Jony Ive (r.) gemeinsam mit Apple-Chef Tim Cook.

© Christoph Dernbach/dpa

Chefdesigner geht zum Jahresende: Das bedeutet der Abgang von Jony Ive für Apple

Die Entscheidung des Chefdesigners könnte weitere Unruhe bringen, schätzen Beobachter. Ganz auf Ive muss der Tech-Gigant aber nicht verzichten.

Von Laurin Meyer

Wenn Apple-Gründer Steve Jobs so etwas wie das Gehirn des Tech-Giganten war, dann war ein anderer das Auge: Jonathan „Jony“ Ive. Der Chefdesigner des Konzerns hat den Stil der heutigen Technikwelt mitbestimmt, war maßgeblich am Aussehen der iPhones, iPods und der Mac-Computer beteiligt. Nun hat Ive angekündigt, das kalifornische Unternehmen zum Jahresende zu verlassen. Und das nach fast drei Jahrzehnten. Er will sich künftig mit einer eigenen Designagentur namens „LoveFrom“ selbständig machen. Den Apple-Designer Marc Newson nimmt er mit.

Apple zeigte sich von der Entscheidung vom Donnerstagabend (Ortszeit) sichtlich getroffen. Die Aktie gab nachbörslich zeitweise um ein Prozent nach – das entspricht einem Börsenwert von knapp neun Milliarden Dollar und lässt erahnen, wie wichtig Ive für den Konzern war. „Jony ist eine Ikone der Designwelt“, sagte Apple-Chef Tim Cook. „Seine Rolle beim Wiederaufstieg von Apple kann nicht genug gewürdigt werden.“

Ive rettete Apple vor dem Bankrott

Als der heute 52-jährige Brite im Jahr 1992 zum Konzern stieß, befand sich Apple in einer existenziellen Krise. Der Computerhersteller hatte seine Produktpalette massiv ohne erkennbare Strategie ausgeweitet, den Markt dominierte zunehmend Apples ärgster Rivale Microsoft. Mit dem Tischcomputer, dem iMac, gelang dem Konzern im Jahr 1998 allerdings die Trendwende. Der Grund: Das damals neuartige und ungewöhnliche Design – entworfen von Ive, der kurz zuvor zum Leiter des Design-Teams aufgestiegen war. Ive rettete den Konzern damit vor dem bevorstehenden Bankrott.

Auch das Aussehen des iPods geht auf den Briten zurück. Der rechteckige Musik- Player mit seinen kreisförmig angeordneten Tasten brachte dem Konzern einen Gewinnschub bis spät in die 2000er. Der wohl größte Wurf gelang Ive jedoch mit dem iPhone. Die Glasfront und der typische Home-Button der Geräte gelten als Stilvorlage für die gesamte Smartphone- Generation.

"Sehr müde" und "ständig angespannt"

Im Jahr 2012 brachten ihm seine Künste sogar den zweithöchsten Ritterorden Großbritanniens ein, er trug fortan den Titel „Sir“. Ive galt außerdem als enger vertrauter des verstorbenen Apple- Gründers Steve Jobs. Dessentwegen soll der Designer Ende der Neunzigerjahre bei Apple geblieben sein, obwohl er eigentlich hinschmeißen wollte. Nach Jobs Tod im Jahr 2011 hatten Beobachter deshalb erneut spekuliert, Ive könnte den Konzern verlassen.

Doch er blieb – und wurde unter dem heutigen Chef Cook zum Chief Design Officer (CDO) befördert. An frühere Erfolge konnte Ive aber nicht mehr anknüpfen. Zuletzt kümmerte er sich nur noch wenig um das Design neuer Apple-Produkte, sondern vor allem um den Bau der neuen Firmenzentrale in Cupertino. In Interviews sprach Ive zuletzt davon, „sehr müde“ und „ständig angespannt“ zu sein. Gleichzeitig machten Apple in den vergangenen Quartalen zunehmend sinkende Absatzzahlen seiner iPhones zu schaffen. Und auch die neuste Innovation, die Apple-Watch, war bemessen an der einstigen Schlagkraft neuer Produkte nur ein mäßiger Erfolg.

Abgang könnte noch mehr Unruhe bringen

Analysten befürchten jetzt dennoch einen Einschnitt für den Tech-Giganten. „Ive hinterlässt ein Loch in der Firma und ist eindeutig unersetzbar“, schrieb etwa Dan Ives, Analyst bei Wedbush Security. „Die Hauptfrage für die Zukunft des Konzerns ist die nach zukünftigen Produktinnovationen, bei der nun einer der wichtigsten Visionäre verschwunden ist.“ Dies würde zusätzlich Aufruhr in den Konzern bringen, der sich ohnehin gerade stark verändere, sagt Ives. Apple konzentriert sich zunehmend auf Dienstleistungen wie etwa auf den eigenen Serien-Dienst und auf Computerspiele.

Künftig werden angestammte Mitarbeiter aus dem Design-Team die Arbeit übernehmen. Alan Dye soll sich um die Software kümmern, Evans Hankey um die Geräte. Daneben wird mit Apple-Vorstand Jeff Williams einer von Cooks engsten Vertrauten die neue Leitung überwachen. Dass sich der Konzern nach einem neuen Design-Papst umsieht, halten Beobachter für unwahrscheinlich.

Apple als künftiger Kunde

Ganz auf Ive muss Apple ohnehin nicht verzichten. Der Konzern kündigte an, auch künftig bei einer Reihe von Projekten mit seinem verlorenen Chefdesigner zusammenzuarbeiten. Apple werde zu den „primären Kunden“ von Ives neuer Agentur zählen, heißt es in einer Mitteilung. „Nach so vielen Jahren enger Zusammenarbeit bin ich froh, dass unsere Beziehung weitergeht“, sagte Apple-Chef Cook. Mit seiner Agentur will sich Ive vor allem sogenannten Wearables wie Smartwatches widmen, kündigte er im Interview mit der „Financial Times“ bereits an. Dass sich dann auch Apples Konkurrenten wertvolle Tipps vom Design-Guru holen, lässt sich aber wohl nicht ausschließen.

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