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Wirtschaft: Chemiefirmen wollen Ausbildungsumlage nicht zahlen

Arbeitgeber stellen Tarifvertrag über Ausbildungsplätze zur Disposition. Anhörung zum geplanten Gesetz verhärtet die Positionen

Berlin (asi/uwe/ce). Die Chemiearbeitgeber verlangen, von der drohenden Ausbildungsplatzumlage ausgenommen zu werden. Sonst sei der Ausbildungskontrakt der Branche in Gefahr, sagte der Sprecher des Bundesarbeitgeberverbandes Chemie, Burkhard Jahn, dem Tagesspiegel: „Durch eine Ausbildungsplatzumlage werden unsere Bemühungen gestört, wenn nicht zerstört.“

Das Thema Ausbildungsplätze wird in der Chemiebranche Anfang Mai eine große Rolle spielen. Dann beginnt die heiße Phase der Tarifverhandlungen. Neben der Lohnforderung von 3,5 Prozent der IG BCE wird auch darüber gesprochen, wie stark die Zahl der Ausbildungsplätze im kommenden Jahr gesteigert wird: Nachdem die Arbeitgeber zugesagt hatten, im laufenden Ausbildungsjahr 1,7 Prozent mehr Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen, gilt es bisher als ausgemacht, dass im Tarifvertrag dieses Jahres eine weitere Steigerung von 1,5 Prozent zugesagt wird. „Das wollen wir und wir stehen auch dazu“, sagte Jahn dieser Zeitung, „aber nur unter der Voraussetzung, dass wir die Umlage nicht zahlen müssen“.

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) will bereits in der kommenden Woche mit der Umsetzung des angebotenen Ausbildungspaktes beginnen. „Wir warten nicht ab, ob die Politik den Pakt nett findet oder ihn ignoriert“, sagte der Sprecher der Industrie- und Handelskammer (IHK) Stuttgart, Bernd Engelhardt, dem Tagesspiegel. DIHK-Präsident Ludwig Georg Braun hatte der Bundesregierung angeboten, fehlende Ausbildungsplätze innerhalb der Bundesländer in Zusammenarbeit von Kammern, Wirtschaft, Landesregierungen und Gewerkschaften auszugleichen. „Den Pakt setzen viele IHKen ohnehin schon um“, sagte Engelhardt. Als Beispiel nennt er die „Teilqualifikation“, eine Art verlängertes Praktikum von einem halben Jahr in einem Betrieb. Durch den Ausbildungsverbund in Nordrhein-Westfalen, eine Art Pakt auf Landesebene, hätten beinahe alle ausbildungswilligen Jugendlichen im vergangenen Jahr eine Lehrstelle gefunden, berichtet Ulrich Ernst, Ausbildungs-Abteilungsleiter der IHK Bochum. Nur 175 von rund 112 000 seien unversorgt geblieben. Die hätten ein Praktikum als Überbrückung angeboten bekommen.

Im Bundestag brachte auch eine neuerliche Anhörung am Freitag keine Annäherung von Gegnern und Befürwortern des Umlagegesetzes. Die Bildungsexperten von SPD und Grünen fühlten sich in ihrer Absicht bestätigt, das Gesetz noch vor der Sommerpause zu verabschieden, doch die Unionsabgeordneten halten dagegen. Die Anhörung habe gezeigt, dass kein Praktiker den Zwang zu einer Ausbildungsumlage begrüße, sagte die CDU-Bildungspolitikerin Katherina Reiche. Die Ausschussvorsitzende Ulrike Flach (FDP) sagte: „Die Fronten sind zugefahren.“ Das Gesetz sei nur noch mit einem Eingreifen von Schröder oder SPD-Parteichef Franz Müntefering zu stoppen.

Während der fünfstündigen Befragung im Bildungsausschuss stellten sich die Vertreter der Arbeitgeberorganisationen geschlossen hinter den Vorschlag des DIHK für einen freiwilligen Ausbildungspakt. Sie warnten die Koalition davor, dass eine gesetzliche Umlagepflicht jedes private Engagement der Unternehmen zur Schaffung von Ausbildungsplätzen konterkariere.

Gewerkschaftsvertreter nutzten erneut die Gelegenheit, der Wirtschaft vorzuhalten, sie habe den gesellschaftlichen Auftrag zur Ausbildung junger Menschen nicht ernst genommen. Der Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Michael Sommer, verwies dazu auf Vereinbarungen im Bündnis für Arbeit, die auch nichts gebracht hätten. „Im Gegenteil: In den vergangenen fünf Jahren ist eine Unmasse an Ausbildungsplätzen verloren gegangen.“ Die Koalition will ihr Gesetz nun in Detailfragen noch einmal überarbeiten. Dabei geht es vor allem um Ausnahmeregelungen für Tarifvereinbarungen und einzelne Branchen. Das Gesetz soll in zwei Wochen im Bundestag verabschiedet werden.

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