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Wall Street

© AFP

China: Neue Heimat für geschasste Wall-Street-Banker

Go East - diesem Ruf folgen möglicherweise schon bald viele Finanzexperten, deren steile Karrieren in New York und London mit der Finanzkrise jäh endeten. Denn Chinas Finanzwelt braucht dringend Personal. Da kommen geschasste Banker aus Geld-Metropolen gerade recht.

Die Finanzmetropolen New York und London leiden schwer unter der Kreditkrise. 165.000 Arbeitsplätze in New York und 194.000 in London könnte die Finanzkrise binnen zwei Jahren kosten, schätzen Experten. In China sieht das anders aus: Die Volksrepublik wirbt an.

So sucht der mit 200 Milliarden Dollar ausgestattete chinesische Staatsfonds CIC derzeit 30 Finanz-Experten im Ausland. Der Fondsanbieter Fortune SGAM, ein Joint Venture der französischen Société Générale und der chinesischen Baosteel, schickt nach eigenen Angaben ein Team in die USA, um Führungskräfte anzuwerben. Und auch die Stadtverwaltung von Schanghai, dem Wirtschaftszentrum Chinas, will in London und New York mindestens 80 Finanzspezialisten rekrutieren.

"Die USA sind zu dick, China noch mager"

Schanghais Bürgermeister Han Zheng schätzte vor der Krise, seine Stadt werde im Jahr 2010 die Infrastruktur eines internationalen Finanzzentrums haben und 2020 in einer Reihe mit London und New York stehen. Nun gehen die Vertreter der Stadt davon aus, dass es schneller gehen könnte.

Mehr als 600 Firmen der Finanzwelt - Banken, Versicherungen, Makler, Vermögensverwalter - waren in Schanghai zu Jahresbeginn mit Büros vertreten. Die Arbeitsplätze im Finanzsektor machen hier aber bislang nur 2,4 Prozent von 9,1 Millionen aus. In London sind es elf Prozent und in New York 12,7 Prozent. "Seit der Krise gibt es Kündigungen an der Wall Street, aber der chinesische Finanzsektor steckt noch in den Anfängen und verlangt nach Talenten", betont Pei Changjiang von Fortune SGAM.

Auch Wirtschaftsrat Tu Guangshao sagt: "Die Krise wird die Etablierung von Schanghai als Bühne der Weltfinanz vorantreiben." Ein ehemaliger Regierungsvertreter drückt es so aus: "Die USA sind zu dick und brauchen Schlankheitspillen, aber China ist noch mager." Die Volksrepublik müsse sich einen kräftigen Körper erst noch schaffen.

Westliche Banker brauchen noch mehr Freiraum

Ein echtes Hindernis für frischen westlichen Wind in Chinas Finanzwelt könnte allerdings die staatliche Regelungswut sein. "Die Finanzanalysten werden sich schwer tun, für staatliche Firmen zu arbeiten, solange diese nicht über mehr Autonomie verfügen", sagt Menzie Chinn, Wirtschaftsexperte an der US-Universität Wisconsin.

Dennoch: Mit Devisenreserven von 1,9 Billionen Dollar ist China in einer privilegierten Situation, wie Linda Stewart vom Headhunter-Büro Epoch in Boston meint. "Im Moment hat China alle Karten in der Hand - und alle US-Reserven."

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