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Die Hauptzentrale von Evergrande in Shenzhen. Tausende Menschen warten noch auf Geld von dem Immobilienkonzern.

© Noel Celis / AFP

Chinesischer Immobilienkonzern in Schieflage: Wohnungskäufer fürchten um ihr Geld - und Peking eine Finanzkrise

Tausende Wohnungskäufer in China fürchten um ihr Geld. Doch der Konzern Evergrande ist "too big to fail". Schreitet die Regierung ein?

Sechs Monate nach der Anzahlung von umgerechnet 85.000 Euro für ihre Traumwohnung wartet Ji Wenchen, wie tausende Chinesen, immer noch auf die Schlüsselübergabe. Denn der kriselnde Immobilienriese Evergrande hält sich nicht an seine Zusagen.

Die 30-Jährige hatte sich die Summe von ihren Eltern geliehen. Ihre Wohnung befindet sich immer noch im Bau. "Mein Name steht nicht in der Eigentumsurkunde, was bedeutet, dass Evergrande noch nicht einmal mein Geld an die Stadtverwaltung gezahlt hat. Normalerweise sollte das innerhalb eines Monats erledigt sein", berichtet sie. "Ich kann in diesen Tagen kaum schlafen und essen".

Dutzende Menschen stehen am Dienstag im strömenden Regen vor der Firmenzentrale des Konzerns in Shenzhen im Süden des Landes. Es sind Wohnungskäufer, Geschäftspartner und Kleinanleger. Sie wollen alle das Gleiche: ihr Geld.

Immobilienbesitz als soziales Statussymbol

"Sie schulden mir mehr als zehn Millionen Yuan (1,3 Millionen Euro)", sagt eine Frau namens Xia. Sie hätte von einem so großen Konzern erwartet, dass er das Geld zahlen würde - aber das tat das Unternehmen nicht. "Dies ist ein Angriff auf unsere Rechte als Bürger", sagt sie. "Wir haben Projekte für sie verwaltet, aber wir haben immer noch kein Geld bekommen", sagt ein weiterer Demonstrant, der seinen Namen aus Angst vor Repressalien nicht nennen will.

Es sind etwa 60 bis 70 besorgte Menschen, die sich vor dem Tor der Firma versammelt haben, die wie kaum eine andere in China für den Traum vom Eigenheim und Wohlstand stand. Firmengründer Xu Jiayin arbeitete sich vom armen Landbewohner zu einem der reichsten Männer des Landes hoch und symbolisiert so den Aufstieg Chinas seit der wirtschaftlichen Öffnung in den 90er Jahren.

Einige Kunden und Geschäftspartner von Evergrande versammelten sich vor der Konzernzentrale, um ihr Geld einzufordern.
Einige Kunden und Geschäftspartner von Evergrande versammelten sich vor der Konzernzentrale, um ihr Geld einzufordern.

© Noel Celis / AFP

Bis vor kurzem rissen sich die Menschen darum, ihr Geld in die Projekte seiner Firma zu stecken. Nun versperren Polizisten mit durchsichtigen Schilden den Zugang zur Zentrale und hindern Journalisten am Filmen. In einem Land, das offiziell kommunistisch ist, ist der Besitz von Eigentum ein wichtiges Zeichen für den sozialen Status. In vielen Familien ist es sogar die Bedingung, dass ein Mann eine Wohnung besitzt, bevor er eine Frau heiraten kann.

Es drohen soziale Unruhen

Der Immobiliensektor ist zudem ein wichtiger Teil der chinesischen Wirtschaft - mehr als ein Viertel aller Investitionen entfallen darauf. Finanziert durch günstige Kredite haben zig Millionen Haushalte in Immobilien investiert. Kollabiert ein Gigant wie Evergrande, könnten die wirtschaftlichen Folgen schwerwiegend sein. Denn wenn die bislang beständig steigenden Preise der Immobilien unter den Betrag der zurückzuzahlenden Kredite fallen, droht China eine Finanzkrise.

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Das bringt die chinesische Führung in Peking in eine Zwangslage: Auf der einen Seite wollen sie das Anwachsen der auf Pump finanzierten Immobilienblase stoppen - auf der anderen Seite drohen soziale Unruhen, falls hunderttausende Bürger bei einem Kollaps von Evergrande und einer daraus resultierenden Pleitewelle auf die Straße gesetzt werden. Und nichts ist der Kommunistischen Partei wichtiger als soziale Stabilität.

Analysten sind geteilt in der Frage, ob Peking Evergrande tatsächlich untergehen lassen würde. Die Evergrande-Kunden befinden sich deshalb in der Schwebe. "Ich mache mir Sorgen um meine Wohnung, die ich laut Vertrag bis zum 31. Oktober bekommen soll", sagt ein Mann in Shenzhen, der sich als Kevin vorstellt. Die Immobilie befindet sich in Jiaozuo, in der zentralen Provinz Henan. "Ich habe Evergrande vor ein paar Tagen danach gefragt. Mir wurde gesagt, dass es zu einer Verzögerung kommen könnte, weil sie nicht genug Arbeiter haben", erzählt er. "Alles, was ich tun kann, ist warten." (AFP)

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