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Wirtschaft: Chirac startet Reforminitiative

Der französische Präsident kündigte in seiner Neujahrsansprache Steuersenkungen und Arbeitsmarktreformen an

Paris (ali). Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac hat die französische Bevölkerung in seiner Neujahrsrede am Dienstag auf weitere Reformen eingestimmt. Sein Hauptziel ist dabei die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, die derzeit nahe der zehn ProzentMarke verharrt. Um der Wirtschaft einen Impuls zu gegen, kündigte er an, die Gewerbesteuer auf Investitionen (taxe professionnelle) für 18 Monate auszusetzen. Das Gewerbesteuersystem soll zudem durch eine „neue Einrichtung, die nicht die Industrie bestraft“ komplett ersetzt werden. Noch bis zum Sommer soll zudem die Regierung von Premierminister Jean-Pierre Raffarin die Eckpunkte eines Arbeitsmarktreformgesetzes erarbeiten. Ferner soll bis 2007 die chronisch defizitäre staatliche Krankenversicherung ein ausgeglichenes Budget haben, sagte Chirac in seiner Rede.

Frankreich kämpft wie Deutschland mit schwachen Wachstumsraten und Defiziten in den sozialen Sicherungssystemen. Vergangenes Jahr hatte die Regierung gegen Massenproteste der Gewerkschaften bereits eine erste Rentenreform durchgedrückt. Mit seinen Ankündigungen stellt Chirac nun klar, dass der Reformkurs fortgesetzt wird. Paris steht genauso wie Berlin auch unter Druck aus Brüssel – Frankreich wird voraussichtlich auch in diesem Jahr zum dritten Mal infolge den Stabilitätspakt verletzen und eine Neuverschuldung aufweisen, die über drei Prozent des Bruttoinlandproduktes liegt. Die Kommission verlangt von beiden Ländern Reformen am Arbeitsmarkt sowie in den sozialen Sicherungssystemen. Gleichzeitig ist jedoch unklar, wie die Steuersenkungen in Frankreich finanziert werden sollen, ohne das Haushaltsdefizit weiter zu erhöhen.

Die angekündigte Aussetzung der Gewerbesteuer auf Investitionen trifft die Kommunen, denen diese Steuer zusteht. Aus dem Umfeld von Präsident Chirac hieß es, dass die Reform unter dem Strich rund eine Milliarde Euro kosten wird. Bemessungsgrundlage für diese Steuer ist das Anlagevermögen und die Investitionen. Insgesamt brachte die Gewerbesteuer 2002 rund 18 Milliarden Euro ein. Ob und wie die geplante Steueraussetzung kompensiert werden soll, ließ Chirac offen.

Die neuen Steuerkürzungen dürften also neue Konflikte mit der Europäischen Kommission heraufbeschwören. Nur per Abstimmung im Ministerrat konnten Deutschland und Frankreich im Herbst Sanktionen verhindern. Trotz der bestehenden Haushaltsprobleme kündigte Chirac ferner an, auch die Einkommensteuer weiter senken zu wollen. „Unsere gemeinsame Herausforderung besteht darin, die wirtschaftliche Erholung in eine dauerhafte Absenkung der Arbeitslosigkeit umzusetzen“, sagte Chirac vor Arbeitgeber- und Gewerkschaftsvertretern.

Nach einem Nullwachstum im vergangenen Jahr rechnen Experten in diesem Jahr mit 1,7 Prozent Wirtschaftswachstum in Frankreich. Die neuen Steueranreize sollen dabei helfen, dass die wirtschaftliche Erholung nicht länger am Arbeitsmarkt vorbeigeht. Schließlich finden im März Regionalwahlen und im Juni die Wahlen zum Europäischen Parlament statt.

Als weiteres Reformvorhaben soll der Arbeitsmarkt entschlackt und die Arbeitsverwaltung gestrafft werden. Zum Thema Arbeitsmarkt wird in Paris in den nächsten Wochen der Abschlussbericht einer Experten-Kommission erwartet. Diese wird geleitet vom Renault-Personalchef Michel de Virville. Als Vorhaben der Kommission sickerte bereits durch, eine neue Variante eines befristeten Arbeitsvertrages einzuführen. Ferner gibt es Pläne im Arbeitsministerium, Arbeitslosen, die wiederholt offene Stellen ablehnen, die Hilfen zu kürzen.

Wie die staatliche Krankenversicherung bis 2007 ausgeglichen werden soll, ist noch offen. Die Weichen dazu sollen aber bereits bis zum Sommer gestellt werden. Im vergangenen und auch in diesem Jahr wird die Krankenversicherung rund elf Milliarden Euro Defizit machen. Von diesen Verlusten sind aber laut einem Expertenbericht nur ein Viertel auf konjunkturelle Einflüsse zurückzuführen. Mit anderen Worten: Ohne durchgreifende Strukturreform bleibt die staatliche Krankenversicherung ein Fass ohne Boden. Trotz Wahlen will Chirac diese heißen Eisen aber offenbar anpacken.

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