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Wirtschaft: CO2-Kompromiss mit Beigeschmack

EU-Staaten legen Streit um Abgasauflagen für Neuwagen bei – Deutschland setzt sich durch und ist mit den Obergrenzen zufrieden.

Brüssel - Die Schlacht ist geschlagen: Nach monatelangem Streit ist seit Freitag klar, dass in Europa künftig verschärfte CO2-Grenzwerte für Neuwagen gelten werden. Voraussetzung dafür war die Zustimmung der Bundesregierung, die auf Druck der Autobauer Daimler und BMW einen ersten Kompromiss im Sommer hatte platzen lassen und weitere Verhandlungen durchsetzte. „Wir haben Weisung aus dem Kanzleramt bekommen zuzustimmen“, sagte ein deutscher EU-Diplomat vor der entscheidenden Botschaftersitzung in Brüssel dem Tagesspiegel.

Auf dem Tisch lag ein Kompromisstext mit weiteren Zugeständnissen an die Autoindustrie, den die litauische Ratspräsidentschaft diese Woche mit Vertretern des EU-Parlaments ausgehandelt hatte. Am Nachmittag meldeten die Litauer per Twitter die Annahme des Textes.

Neuwagen dürfen demnach nun von 2021 an im Durchschnitt nur noch 95 Gramm Kohlendioxid pro gefahrenen Kilometer ausstoßen. Je nach Hersteller fällt das Flottenmittel verschieden aus – abhängig vom durchschnittlichen Gewicht seiner Fahrzeuge. So liegt die Zielmarke etwa für Ford bei 93 Gramm, während es bei Daimler und BMW je 101 Gramm sind. Ursprünglich sollten diese Werte bereits 2020 in vollem Umfang erreicht werden müssen. Die einjährige Verschiebung ist Ergebnis des politischen Drucks aus Deutschland. Allerdings müssen zum Ursprungstermin bereits 95 Prozent aller Fahrzeuge eines Herstellers die sauberen Kriterien erfüllen.

Auch bei der besonderen Anrechnung von Elektrofahrzeugen im Flottendurchschnitt war das Europaparlament den Herstellern noch einmal entgegengekommen. Jedes dieser schadstoffarmen Autos wird 2020 doppelt gezählt – 2021 sinkt der Faktor auf 1,67 und 2022 auf 1,33. Damit können die Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor derselben Marke in diesem Zeitraum einige Gramm über dem Grenzwert liegen. Mit den E-Autos lässt sich die restliche Flotte aber nicht unbegrenzt schönrechnen – der Durchschnitt darf mit diesen „Supercredits“ maximal um 7,5 Gramm CO2 verbessert werden. Auch hier wurde den Herstellern mehr Flexibilität zugestanden: Sie können nun selbst entscheiden, wann sie diesen Abschlag einsetzen – davor gab es zeitliche Vorgaben.

Der deutsche Autoverband VDA sprach von „weiterhin gewaltigen Herausforderungen“ für die Branche. Vizeregierungssprecher Georg Streiter sagte in Berlin, der neue Kompromiss „kommt unserem Ziel einer flexibleren Ausgestaltung mit verstärkten Innovationsanreizen entgegen“. Erreicht worden sei nun „ein ausgewogenes Ergebnis, das sowohl umwelt- als auch industriepolitischen Anliegen gerecht wird“. Die EU- Kommission, die das Gesetz 2012 vorgeschlagen hatte, reagierte verhaltener: „Natürlich wird damit im Ergebnis mehr CO2 ausgestoßen“, hieß es. „Wir halten den Kompromiss aber für akzeptabel, schließlich hatte Deutschland zwischenzeitlich vier Jahre Aufschub verlangt.“ „Was bleibt“, sagte der SPD-Europaabgeordnete Matthias Groote, „ist ein fader Beigeschmack, wie das Gesetz aufgehalten worden ist.“ Christopher Ziedler

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