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Wirtschaft: Coca-Colas schale Markenstrategie

Das Unternehmen hat weltweit kleine Wasser-Marken aufgekauft. Die Aktionäre wollen wissen, warum

Während die Formel für die beliebteste Limonade des Coca-Cola-Konzerns immer noch streng geheim ist, war das Erfolgsrezept des Unternehmens bisher leicht zu durchschauen: Die Profite des Unternehmens stiegen in schöner Regelmäßigkeit mit dem Umsatz aus den Cola-Verkäufen. Diese Zeiten scheinen nun vorbei zu sein.

Anleger und Analysten fürchten, dass die Strategie des Unternehmens, neben Coca-Cola immer mehr Mineralwasser und andere Getränke zu verkaufen, nicht aufgeht. Die Profite bleiben deutlich hinter dem Verkauf des berühmtesten Artikels des Konzerns zurück. Die Bedenken der Anleger wurden verstärkt, als der Getränkehersteller Anfang Oktober seine Gewinnerwartungen für dieses Jahr senkte und erklärte, er werde die Prognose für das kommende Jahr angesichts neuer Fakten noch ein paar Wochen aufschieben. Die Aktien des Unternehmens fielen in nur zwei Tagen von 52,48 US-Dollar auf 45,90 US-Dollar (46,63 EUR), ein Rückgang von mehr als zwölf Prozent.

Während Coca-Cola die weltweiten Schwierigkeiten als Hauptursache für seine geänderte Prognose anführt, befürchten Investoren und Analysten, dass ein beachtlicher Anteil des Umsatzwachstums des Unternehmens von Getränken kommt, die weniger profitabel als die Kernmarken sind. Außerdem hegen sie den Verdacht, dass die traditionellen Heimatmärkte des Unternehmens zurückfallen – der Zuwachs komme aus Märkten, von denen das Unternehmen eigentlich nicht viel verstehe. Die Aktionäre verlangen Aufschluss darüber, wie Coca-Cola die Probleme mit der unüberschaubaren Anzahl von Marken und ihrer weltweiten Vermarktung in den Griff bekommen will.

Gary Fayard, Finanzchef bei Coca-Cola, sagt, das Unternehmen habe eine Strategie, wie es trotz Wachstums weiterhin profitabel arbeiten könne. Details allerdings will er nicht nennen – die Wettbewerber könnten die Strategie kopieren, fürchtet er.

Schade nur, dass die Aktionäre an eine solche geheime Erfolgsstrategie nicht mehr glauben wollen. Sie finden, dass in Nordamerika, dem größten Markt der Gesellschaft, ein Großteil des Umsatzvolumens von kleinen Wassermarken kommt, die Coca-Cola gerade erst gekauft hat. In Mexiko, für Coca-Cola der Hinterhof zum Heimatmarkt, ist es schon die Hälfte des Umsatzes. Schlimm daran ist, dass sich Wasser gut verkauft, es aber kaum jemanden gibt, der damit viel Geld verdient.

Der Umsatz der kohlensäurehaltigen Getränke stieg im dritten Quartal um magere zwei Prozent, das der ohne Kohlensäure um 27 Prozent. Der starke Verkaufsanstieg nicht-kohlensäurehaltiger Getränke ist das Ergebnis einer aggressiven Expansion Coca-Colas in Wasser, Saft und andere Getränke weltweit. Tatsächlich machen die Getränke ohne Kohlensäure jetzt 13 Prozent der Verkäufe aus. Die Gewinnspannen bei Softdrinks liegen durchschnittlich bei 35 Prozent. Mit gekühltem Orangensaft aber lässt sich weniger verdienen, mit billigen Wassermarken, die Coca-Cola durch Gemeinschaftsunternehmen und Lizenzverträge managt, praktisch nichts, sagt Bill Pecoriello, Analyst beim Investmenthaus Morgan Stanley.

Hinzu kommt, dass Länder wie China und Indien, in denen Coca-Colas Umsätze rapide wachsen, nicht den gleichen Gewinn bei Getränkeverkäufen präsentieren können wie die wichtigen entwickelten Märkte wie Japan. Coca-Cola veröffentlicht die Gewinne nach Regionen und nicht nach Ländern. Der Konzern mache etwa 60 Prozent seiner Profite in nur fünf Ländern, sagt er: USA, Japan, Mexiko, Großbritannien und Spanien.

Coca-Cola-Manager Fayard räumt immerhin ein, dass das Unternehmen nicht mit allen Marken richtig Geld verdient. Aber man arbeite daran, sagt er. Die Firma habe die Strategie, auch die kleinen Markten hoch profitabel zu machen, zu einem integralen Bestandteil ihres Geschäftsplans für das kommende Jahr gemacht, sagt er.

„Wenn man eine Menge neuer Marken in jedem größeren Segment einführt, dann erwartet man nicht, aus dem Stegreif schon am ersten Tag dicke Gewinne zu machen", sagt Fayard. „Unser Ziel ist es aber, dieselben Gewinnspannen wie bei kohlensäurehaltigen Getränken zu erzielen.“ So könne man mit einigen Marken mehr Geld verdienen, wenn man sie energischer in den Massenmarkt drücke. Außerdem nehme sich der Konzern einzelne Märkte wie Brasilien noch einmal extra vor: Dort sind die Verkäufe stark, die Gewinne dagegen schwach.

Einige Anlegerberater haben mehr Geduld mit Coca-Cola. Allen Adler zum Beispiel. unabhängiger Berater, meint, dass die Wasser-Akquisitionen von Coca-Cola Teil eines langfristig angelegten Plans waren, die Gewinnspannen zu vergrößern. „Das Unternehmen tut strategisch die notwendigen Dinge.“

Dennoch würden einige Aktionäre gerne mehr wissen, zumal die Aktie ein deutlich höheres Kurs-Gewinn-Verhältnis hat als die Konkurrenz und damit einen Vertrauensvorschuss der Anleger genießt. Coca-Cola scheint immerhin bereit zu sein, den Aktionären in einigen Punkten entgegen zu kommen.

Während das Unternehmen seinen gesamten Gewinn in seinen Gewinnmitteilungen veröffentlicht, wird der operative Gewinn nach Regionen erst ungefähr einen Monat später mitgeteilt, entsprechend den Vorschriften der amerikanischen Börsenaufsicht SEC. Fayard sagt, die Firma erwäge die Möglichkeit, die operativen Gewinne nach Regionen in ihre Gewinnmitteilungen aufzunehmen, dass es aber einige Zeit brauche. In jedem Fall, sagt er, plane das Unternehmen, im kommenden Jahr diese Zahlen schneller als jetzt nach Quartalsende mitzuteilen.

Der Getränkehersteller könne auch mutiger sein, was seine Strategie zur Profitsteigerung angehe, sagt ein Investmentbanker von J.P.Morgan. „Wir würden gern mit Coca-Cola über die geringen Gewinnspannen von Danone diskutieren", sagt er. Damit spielt er auf ein neues Joint Venture zur Vermarktung und zum Vertrieb von Flaschenwasser an, das Coca-Cola mit Danone eingegangen ist. Nur, dass der Konzern bisher noch nicht offenbart hat, wie und vor allem wie schnell das Unternehmen plant, diese Marken zu integrieren und ihre Profitabilität zu steigern.

An diesem Punkt aber mauert das Unternehmen. Finanzchef Fayard will die „Informationen aus Wettbewerbsgründen nicht preisgeben." In den USA verfolge Coca-Cola die Strategie, die Danone-Marken am unteren Ende des Marktes zu positionieren. Damit habe Coca-Cola die Munition, mit den niedrigen Preisen der Konkurrenz bei Flaschenwasser mitzuhalten, und gleichzeitig seine Hochpreis-Marke Dasani zu schützen. Deren Preis sei hoch genug, um die deutlich höheren Gewinnspannen zu sichern, wie sie im Bereich der kohlensäurehaltigen Softdrinks üblich seien.

Den Schlachtplan vollständig zu enthüllen, könne jedoch dem Erzfeind Pepsi-Cola und anderen Konkurrenten einen Wettbewerbsvorteil bringen, meint Art Cecil von der Firma T. Rowe Price. Dennoch, sagt er, „ist das ein ernstes Thema, und die Firma könnte mehr tun, um die Lage etwas zu entwirren. Das ginge, auch ohne seine Wettbewerbsstrategie vollständig preiszugeben". Immerhin: Er gesteht Coca-Cola zu, in den vergangenen Jahren ein Stück transparenter geworden zu sein. Zum Beispiel dadurch, dass das Unternehmen jetzt seine verantwortlichen Unternehmensleiter zwinge, in vierteljährlichen Pressekonferenzen Rede und Antwort zu stehen. Für Coca-Cola ist schon das eine Kulturrevolution.

Betsy McKay

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