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Der Boden sei bestellt, sagt Martin Blessing, der Zeitpunkt zu gehen gut. Doch insgesamt fällt seine Bilanz durchwachsen aus.

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Update

Commerzbank-Chef legt Amt 2016 nieder: Wer kommt, wenn Martin Blessing geht?

Dass der Chef der Commerzbank seinen Vertrag nicht verlängern, will, trifft Kollegen überraschend. Im Vorstand drängt sich niemand als Nachfolger auf.

Die Nachricht kommt überraschend: Commerzbank-Chef Martin Blessing legt Ende Oktober 2016 sein Amt nach mehr als acht Jahren nieder. Am Sonntag teilte der 52-Jährige dem Aufsichtsrat mit, dass er sich zwar über das Angebot für eine Verlängerung seines Vertrags um weitere fünf Jahre sehr gefreut habe, es aber nach langem und intensivem Nachdenken nicht annehmen wolle. „Ich möchte nach 15 Jahren im Vorstand der Commerzbank, davon die Hälfte als CEO, nochmals ein neues Kapital in meinem beruflichen Leben aufschlagen.“

2016 sei ein guter Zeitpunkt für einen Führungswechsel, weil die Commerzbank über ein robustes Geschäftsmodell, sehr gute Mitarbeiter und Führungskräfte verfüge. „Und über eine Kultur, um die uns viele beneiden.“ Am Montag wird die Bank ihre Zahlen für die ersten neuen Monate vorstellen. Analysten rechnen mit einem guten Ergebnis und der Bestätigung, dass die Bank erstmals seit 2007 für das laufende Jahr wieder eine Dividende zahlen wird.

Aufsichtsratschef Klaus-Peter Müller, Blessings Vorgänger an der Spitze der Bank und sein Förderer, bedauerte die Entscheidung des Bank-Chefs ausdrücklich. „Ich hätte mir eine Vertragsverlängerung gewünscht.“ Er respektiere die Entscheidung und dankte Blessing für seine „erfolgreiche“ Arbeit und dafür, dass er seine Entscheidung frühzeitig bekannt gegeben habe. Dies eröffne die Möglichkeit für einen geordneten Nachfolgeprozess. Einfach wird die Suche nach einem neuen Commerzbank-Chef nicht. Im aktuellen Vorstand drängt sich nach Ansicht von Insidern nicht unbedingt ein Kollege von Blessing auf. Nicht chancenlos sein dürfte allerdings Markus Beumer, der Chef der Mittelstandsbank.

Alle rechneten mit der Verlängerung

Auch Kollegen aus dem Top-Management der Bank wurden von der Entscheidung ihres Chefs überrascht. Generell war in der Finanzgemeinde erwartet worden, dass Blessing seinen Vertrag verlängern würde, zumal die Bank nach den schweren Turbulenzen nach der Übernahme der Dresdner Bank im Herbst 2008 und der Finanzkrise zuletzt nicht nur in ruhigeres Fahrwasser gekommen war, sondern wieder profitabel gearbeitet hatte.

Martin Blessing gibt seinen Vorstandsposten im Herbst 2016 auf.
Martin Blessing gibt seinen Vorstandsposten im Herbst 2016 auf.

© dpa

Im ersten Halbjahr hatte sie ihren Gewinn auf rund 650 Millionen Euro verdoppelt. In diesem Jahr dürfte sie deutlich besser abschneiden als die Deutsche Bank. „Blessing hat sich immer eine Tür offen gehalten. Aber es gab Zeiten, da war er wild entschlossen aufzuhören. Weil er von Attacken auf seine Person, auch von Aktionären genervt war“, sagt ein Commerzbanker. Allerdings liegt dies schon einige Jahre zurück.

Anfang Oktober hatte sich Blessing am Rande der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Lima noch bester Laune gezeigt. Nichts hatte auf einen Rückzieher hingedeutet. Anfang September hatte er im Interview mit dem Tagesspiegel ausdrücklich betont, dass er an seinem Job viel Freude habe. Ihn reize es zwar durchaus, mal etwas anderes zu tun. „Aber im Moment macht mir das, was ich mache, noch viel Spaß.“ Ob er weitermachen werde, ließ er allerdings offen.

Seit sieben Jahren keine Dividende

Blessings Bilanz ist durchwachsen. Im Herbst 2008 konnte die zweitgrößte Geschäftsbank in Deutschland mit ihren heute weltweit rund 52 000 Mitarbeitern nur durch eine 18-Milliarden-Euro schwere Finanzspritze und eine Beteiligung des Staates von 25 Prozent plus einer Aktie gerettet werden. Die Dresdner Bank hatte sich als marode erwiesen. Die Sanierung dauerte Jahre. Diverse Kapitalerhöhungen waren notwendig.

Heute verteilt sich das Kapital der Commerzbank auf 20 Mal mehr Aktien als zu Blessings Amtsantritt. Der Aktienkurs ist von seinem Hoch von 224 Euro auf heute nur noch zehn Euro abgestürzt. Seit sieben Jahren hat die Bank keine Dividende mehr gezahlt.

Die Finanzhilfe hat das Institut mittlerweile komplett zurückgezahlt. Die Beteiligung des Bundes ist inzwischen auf 15 Prozent geschrumpft. Trotzdem muss sich Blessing immer noch als Staatsbanker bezeichnen lassen und regelmäßig in Berlin dem Finanzmarktgremium des Bundestages in Berlin Rede und Antwort stehen. Am Dienstag ist es wieder einmal so weit. Dann wird er, wie zu hören ist, Fragen danach beantworten müssen, warum es bei der Commerzbank so lange gedauert hat, bis sie bei ihrem Luxemburger Ableger alle steuerunehrlichen Kunden herausgeworfen hat.

Banker aus Familientradition

Blessing, Enkel eines früheren Bundesbank-Präsidenten und Sohn eines ehemaligen Deutsche Bank-Vorstandes, nimmt solche Termine mittlerweile gelassen wahr. Weil er weiß, dass die Geschäfte der Commerzbank wieder gut laufen und es keine Skandale gibt. Allerdings musste die Bank im Frühjahr in den USA 1,2 Milliarden Euro zahlen, weil sie gegen US-Sanktionen gegen den Iran und andere Staaten verstoßen hatte.

Was Blessing ab Herbst nächsten Jahres machen wird? Mehr, als dass es ihn zu Neuem drängt, verrät er derzeit nicht. Commerzbanker rätseln. Blessing sei zwar mit Deutsche Bank-Aufsichtsratschef Paul Achleitner befreundet. Aber da gibt es ja gerade erst einen neuen Mann an der Spitze. Sicher aber dürfte sein: Wenn Blessing einen neuen Job annimmt, dann muss es wieder ein Chefsessel sein. Bei einem Unternehmen, dass mindestens genauso wichtig ist wie die Commerzbank. Besser: Noch wichtiger.

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