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Commerzbank-Vorstand Martin Zielke rät zur Vorbereitung auf einen Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone.

© Mike Wolff

Commerzbank-Vorstand im Interview: „Wir haben Spielraum – noch“

Martin Zielke spricht im Tagesspiegel-Interview über die Euro-Krise, Griechenland und seine steigende Vergütung.

Herr Zielke, was wird Ihr Festgehalt in diesem Jahr sein?
Mein Festgehalt wird das vertraglich vereinbarte sein.

Sie wollen die Summe nicht nennen?
Doch, natürlich. Das können Sie jederzeit auch im Geschäftsbericht nachlesen. Es sind 750.000 Euro.

Also 50 Prozent mehr als im abgelaufenen Jahr, als die gesetzliche Deckelung griff.
Der Aufsichtsrat hat 2010 ein Gehaltssystem eingeführt – mit Zustimmung der Hauptversammlung. Dieses war ausgesetzt. Und jetzt gilt das reguläre Gehalt wieder.

Das hatte doch Gründe. Der Staat hatte die Bank stützen müssen und die Vorstandsbezüge begrenzt.
Über das Gehalt diskutiert und entscheidet allein der Aufsichtsrat.

Vor vier Jahren war die Commerzbank- Aktie zehnmal so viel wert wie heute, die außertariflichen Mitarbeiter haben seitdem keine Gehaltserhöhung erhalten. Aktuell fordert die Gewerkschaft Verdi sechs Prozent höhere Gehälter. Haben Sie Verständnis, dass vor diesem Hintergrund Ihre Vergütung kritisch diskutiert wird?
Die Deckelung der Gehälter betraf die Konzernvorstände. Diese Einschränkung habe ich voll mitgetragen. Unsere Mitarbeiter haben in den vergangenen vier Jahren keine Einschränkungen beim Festgehalt gehabt. Und auch das finde ich richtig.

Aus der Quartalsbilanz geht hervor, dass das Ergebnis Ihrer Sparte bei rund 100 Millionen Euro stagniert. „Enttäuschend ist die Quartalsbilanz allein wegen des Privatkundengeschäfts“, schrieben die Kollegen von der FTD. Was sagen Sie dazu?
Richtig ist, dass unsere Privatkunden weniger in Wertpapiere anlegen als früher. Hinzu kommt das niedrige Zinsniveau, das Auswirkungen auf die gesamte Branche hat. Darauf haben wir konsequent reagiert. Unser Verwaltungsaufwand ist – auch dank der Fusion mit der Dresdner Bank – binnen eines Jahres um 18 Prozent gesunken. Trotz der schwierigen Marktlage haben wir so unser Ergebnis annähernd halten können. Das ist in der Branche keineswegs Standard.

Das Ziel der Übernahme der Dresdner Bank war doch aber, das Privatkundengeschäft zu stärken.
Richtig. Und wir haben dieses Ziel erreicht. Mit elf Millionen Kunden, 1200 Filialen und 10 000 Beratern bundesweit sind wir einer der großen Anbieter. Die Integration ist weitgehend abgeschlossen, unser klassisches Privatkundengeschäft wächst wieder. Wir haben im ersten Quartal sieben Milliarden Euro Kundeneinlagen dazugewonnen, das ist ein Wachstum von rund zehn Prozent. Wir haben 180 000 neue Kunden gewonnen, und wir verzeichnen ein starkes Kreditneugeschäft. Der März war hier der beste Monat seit Jahren. Allein in diesem einen Monat lag das Neugeschäft bei der Baufinanzierung bei mehr als einer halben Milliarde Euro.

Die Baufinanzierungen sind ein Zeichen für die Angst der Kunden vor Inflation. Wie berechtigt ist diese Angst aus Ihrer Sicht? Sie haben das Bankgeschäft von der Pike auf gelernt – was raten Sie?
Die professionelle Antwort kann nur lauten: Sie müssen sich in Ihrer Bankfiliale beraten lassen. Es gibt keine Standardantwort. Eine Grundregel gilt allerdings in solchen Phasen großer Unsicherheit immer: Am besten verteilt man die Eier auf verschiedene Körbe, mischt also Sach- und Geldwerte. Ein Haus ist ein Sachwert, darauf zielte ja Ihre Frage. Ist es eine intelligente Entscheidung, sich aus Sorge vor Inflation ein Haus zu kaufen und sich im Zweifel dafür massiv zu verschulden? Das hängt immer von der persönlichen Situation ab. Deshalb kommt es auf die richtige Beratung an.

"Wir wollen aus allen Altersgruppen Kunden gewinnen."

Da sind wir bei der Frage nach der Qualität der Beratung. Bei der Stiftung Warentest haben Sie als eines von zwei Filialinstituten am besten abgeschnitten: mit der Note „ausreichend“. Alle anderen kamen auf „mangelhaft“. Die Direktbanken schnitten insgesamt besser ab – hat das Filialgeschäft, das Sie beschreiben, überhaupt Zukunft?
Wir schauen uns solche Analysen sehr intensiv an. Ich freue mich, dass wir im Vergleich zu anderen besser abgeschnitten haben. Das ist eine gute Nachricht. Auch wenn noch viel Luft nach oben ist. Unser großer Vorteil ist, dass wir beides haben: ein starkes Filialgeschäft und die sehr erfolgreiche Direktbank Comdirect. Der Kunde entscheidet, was er braucht. Nicht für jeden Kunden ist ein beratungsloses Angebot richtig. Im Gegenteil: Mit zunehmender Verunsicherung und Komplexität, und das erleben wir gerade, steigt der Wunsch nach fundierter, hochwertiger Beratung.

Es geht Ihnen um die älteren, wohlhabenden Menschen?
Wir wollen aus allen Altersgruppen Kunden gewinnen. Aber das Filialgeschäft ist eben auch ein Abbild der Demographie.

Dann stimmt das mit den älteren Menschen.
Der Anteil der älteren Menschen nimmt zu, und für diese Kunden müssen wir ein adäquates Angebot bereithalten. Aber es wäre eine Vereinfachung, wenn man sagt, ältere Menschen nutzen Filialbanken, und jüngere brauchen das nicht. Es ist im Übrigen eine gesellschaftliche Aufgabe, für Aufklärung in Wirtschaftsfragen zu sorgen. Bildung ist der beste Verbraucherschutz. Als Finanzdienstleister haben wir das Interesse, mit mündigen, informierten Bürgern im Geschäft zu sein.

Dann stelle ich Ihnen jetzt als mündiger Verbraucher eine Frage: Wie kommt es, dass Sie mir einen Dispozins von 13,4 Prozent abknöpfen, wenn Sie sich das Geld nahezu zum Nulltarif leihen können?
Der Dispokredit, den Sie ansprechen, ist kein langfristiger Kredit.

Aus Ihrer Sicht nicht – für viele Kunden schon.
Dafür haben wir andere Produkte mit niedrigeren Kosten. Ein dauerhafter Dispokredit ist weder für den Kunden noch für die Bank sinnvoll. Ein Girokonto bietet die Möglichkeit kurzfristiger Überziehung und ist entsprechend bepreist. Wenn Ihr Kreditbedarf über ein paar Tage hinausgeht, ist es das falsche Instrument, und dann brauchen Sie ein anderes Produkt.

Gleichwohl ist Ihre Spanne in dieser Niedrigzinsphase enorm.
Unsere Spanne ist im Zuge der Zinssenkungen kleiner geworden. Schauen Sie in unsere Gewinn- und Verlustrechnung: Der Zinsüberschuss ist gesunken. Das niedrige Zinsniveau verkleinert die Zinsspanne.

Es hat Gründe, warum die Zinsen so niedrig sind – schuld ist die Finanzkrise. Wo stehen wir bei deren Bewältigung?
Meinen Sie die Finanzkrise oder die Staatsschuldenkrise?

Für mich ist es seit Jahren ein und dieselbe Krise, die sich unterschiedlich zeigt.
Die Auffassung teile ich nicht. Ich sehe sehr unterschiedliche Phänomene. Eine Immobilienblase wie in den USA hatten wir zum Beispiel in Deutschland nicht. Die Staatsschuldenkrise dagegen ist ein Problem fast aller traditionellen Industriestaaten. Viele sind massiv überschuldet. Und der Grund dafür liegt nicht allein in der Finanzkrise. Wir haben nicht erst seit 2008 über unsere Verhältnisse gelebt. Zudem haben eine Reihe dieser Staaten das Problem, dass ihre Wirtschaft nicht wettbewerbsfähig ist. Und wir haben Länder, die bis heute nicht gewillt sind, die dafür notwendigen Strukturveränderungen vorzunehmen. Und falls das nicht endlich passiert, hilft auch kein neues Geld. Wir brauchen wettbewerbsfähige Strukturen und wir müssen die Staatsverschuldung senken. Daran führt kein Weg vorbei. Deshalb habe ich großen Respekt vor der Leistung der Politik in unserem Land. Hier wurden in der Vergangenheit wichtige Entscheidungen auch gegen vorhandene Widerstände getroffen.

Lassen Sie mich die Frage präzisieren: Hat die Commerzbank in der Bankenkrise das Gröbste hinter sich?
Die Commerzbank hat eine so hohe Kapitalquote wie nie zuvor. Unsere Kernkapitalquote liegt heute bei 11,3 Prozent.

Erzwungenermaßen!
Das sagen Sie! Sie sehen aber nur die regulatorische Seite. Ich sage: Das ist auch unsere Reaktion auf die Rahmenbedingungen, die wir heute vorfinden. Im Kern dreht sich doch alles um die Frage, wie geht es in Europa weiter. Wir haben eine Währungsgemeinschaft geschaffen, ohne eine politische Einheit zu haben. Aber eine gemeinsame Währung ohne gemeinsame Wirtschaftspolitik kann auf Dauer nicht funktionieren, das zeigt die Praxis. Wir müssen endlich begreifen: Europa ist mehr als eine gemeinsame Währung.

"Zu hohe Schulden verkleinern den Handlungsspielraum der Politik dramatisch."

Sie haben gesagt, die Staaten müssen ihre Schulden reduzieren. Aber in Europa wird eine nach der anderen Regierung abgewählt, die genau das vertritt.
Wenn es uns nicht gelingt, die Menschen von der Notwendigkeit der Entschuldung zu überzeugen, besteht die Gefahr einer Inflation, die uns alle treffen wird und die wir alle nicht wollen. Und zu hohe Schulden verkleinern den Handlungsspielraum der Politik dramatisch, wie man gerade in Griechenland, aber längst nicht nur da sieht.

Ist es sinnvoll, über einen Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone nachzudenken?
Es ist schlicht ein Gebot der Verantwortung, sich auf alle Eventualitäten vorzubereiten. Dies ist Teil eines professionellen und vorausschauenden Risikomanagements. Das bedeutet aber nicht notwendigerweise, dass man diese Szenarien auch für wahrscheinlich halten muss. Zudem würde ein Austritt Griechenlands, falls er denn kommen sollte, nicht das Ende des Euro bedeuten.

Wären Euro-Bonds geeignet, um die Krise zu entschärfen?
Meiner Ansicht nach nein. Wir erkaufen uns für viel Geld etwas Zeit und lösen nicht die eigentlichen Probleme. Was wir brauchen, ist mehr und nicht weniger Europa. Denn wir haben zwar eine gemeinsame Währung, aber es fehlen verbindliche finanzpolitische Spielregeln für alle Euro-Länder. Und wir müssen die strukturellen Probleme angehen. Euro-Bonds verbessern nicht die Wettbewerbsfähigkeit.

Wenn Sie nicht als Banker auf die aktuelle Lage schauen, sondern als Vater zweier Töchter: Wie alarmiert sind Sie?
Ich bin aufmerksam, nicht alarmiert. Gerade Deutschland, aber auch Europa insgesamt, ist in einer starken Position. Wir haben Spielraum – noch. Dieser Spielraum muss jetzt aber auch konsequent genutzt werden.

ZUR PERSON

Martin Zielke (49) stammt aus Hessen, hat Bankkaufmann gelernt und Betriebswirtschaft studiert. Er arbeitet seit 1990 als Banker in Frankfurt am Main, war bei der Dresdner und bei der Deutschen Bank und ist seit zehn Jahren bei der Commerzbank. In den Vorstand rückte er vor anderthalb Jahren auf. Er ist verheiratet und hat zwei erwachsene Töchter.

ZUM UNTERNEHMEN

Die Commerzbank wurde 1870 in Hamburg gegründet. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde sie zerschlagen, die Überbleibsel fusionierten 1958, zunächst in Düsseldorf. Im Sommer 2008, kurz vor Ausbruch der Bankenkrise, kündigte die Commerzbank die Übernahme der Dresdner an, die sie dann nur mit staatlicher Hilfe stemmen konnte. Dem Bund gehört jetzt ein Viertel der Bank. Auf der Hauptversammlung vorige Woche sorgte für Ärger, dass die Vorstände wieder mehr verdienen als die wegen der Staatshilfe gedeckelten 500 000 Euro pro Jahr.

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