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Im Sparmodus. Hapag-Lloyd gibt derzeit Charterschiffe, deren Verträge auslaufen, an die Besitzer zurück. Um Geld zu sparen, fahren die Containerriesen auch wieder um das Kap der Guten Hoffnung in Südafrika.

© Fabian Bimmer/ AFP

Container-Schifffahrt bricht ein: Wie Hapag-Lloyd ohne Staatshilfe durch die Krise kommen will

Erst brach in China das Angebot weg, jetzt fehlt die Nachfrage. Wie will der Logistik-Gigant das überleben? Ein Besuch in der Hamburger Zentrale.

In der mondänen Kuppelhalle, gebaut im Stil eines italienischen Renaissance-Palasts, ist Stühlerücken angesagt. Wo First-Class-Passagiere einst ihre Überfahrt nach Amerika buchten, befindet sich heute die Kantine von Hapag-Lloyd. Der Speisesaal wird umgebaut, um die neuen Abstandsregeln zwischen den Tischen einzuhalten. „In den nächsten Tagen holen wir die ersten Mitarbeiter aus dem Homeoffice zurück“, erzählt Rolf Habben Jansen. Dann schickt der Vorstandschef den Besucher alleine in den Fahrstuhl, um auf den nächsten Lift zu warten.

Social Distancing ist gerade das kleinste Problem von Habben Jansen. Hapag-Lloyd, der letzte deutsche Global Player auf den Weltmeeren, streicht den Fahrplan zusammen, verkleinert die Flotte und besorgt sich frisches Geld an den Kapitalmärkten. Das Ziel: Anders als die Konkurrenz ohne Staatshilfen durch die Coronakrise kommen.

Einer der großen Rivalen, Frankreichs maritimes Aushängeschild CMA CGM, musste bereits unter den Rettungsschirm der Regierung schlüpfen. Da 90 Prozent des Welthandels über die Meere läuft, schlägt sich jede Konjunkturdelle direkt auf die Bilanzen der Containerreedereien durch. Statt nach einer Delle sieht es nun aber nach einem tiefen Tal aus.

Über 520 Containerschiffe stehen still

„Es ist ein perfekter Sturm“, sagt Habben Jansen, „erst brach mit den Fabrikschließungen in China im Januar das Angebot weg. Nun läuft zwar die Produktion in China wieder, aber es fehlt weltweit an Nachfrage nach diesen Gütern.“ Um zehn Prozent werde der Welthandel in diesem Jahr einbrechen, so seine Prognose.

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Mehr als 520 Containerschiffe stehen gerade still – mehr als jedes zehnte Schiff der Weltflotte. Das gab es noch nie. Auch Hapag-Lloyd gibt Charterschiffe, deren Verträge auslaufen, an die Besitzer zurück. Um Geld zu sparen, fahren die Containerriesen auf einmal wieder um das Kap der Guten Hoffnung in Südafrika. Der Umweg ist wegen des niedrigen Ölpreises billiger als die Gebühren für die Fahrt durch den Suezkanal zu zahlen.

Hapag-Lloyd, die fünftgrößte Reederei der Welt mit zuletzt 12,6 Milliarden Euro Jahresumsatz, steuert knapp 250 Containerschiffe. Die größten können mehr als 19.000 Stahlkisten auf einmal transportieren. Rund 600 Häfen auf allen Kontinenten stehen normalerweise im Fahrplan. Die meisten Mitarbeiter arbeiten an Land, um das alles zu koordinieren – es sind rund 11.000. Im März mussten fast alle ins Homeoffice.

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„In Indien, wo wir 2000 Leute haben, die von einem Tag auf den anderen nicht mehr ins Büro kommen konnten, stellen sich noch einmal ganz andere Herausforderungen als hierzulande“, erinnert sich Habben Jansen an die turbulente Zeit. Die Wohnungen sind kleiner, die Familien größer. Und auch andernorts hat nicht jeder einen Computer daheim. „In Mexiko zum Beispiel fuhren wir Rechner und Bildschirme zu unseren Mitarbeitern nach Hause.“

Seeleute müssen länger an Bord bleiben

Viele Seeleute hätten freilich gerne mit ihren Kollegen getauscht. Schon im Januar konnten Seefahrer in China, wo sieben der zehn größten Häfen liegen, nicht mehr von Bord gehen. Später wurde auch anderswo ein Wechsel der Crews, wie sonst üblich, unmöglich. Entweder ließen die Behörden niemanden an Land gehen – oder es gab keine Flüge mehr, mit denen die Seeleute nach Hause hätten fliegen können.

Insgesamt waren es zwischenzeitlich 150.000 Seeleute, die teils doppelt so lange als die üblichen sechs Monate auf den Schiffen waren. „Wir hatten damit zu kämpfen, dass fast jedes Land seine eigenen Regelungen hatte“, so Habben Jansen, „das ist in einer solchen Krise natürlich nicht so besonders hilfreich.“

Es geht bodenständig zu bei Hapag-Lloyd

„Mein Feld ist die Welt“, ließ Albert Ballin einst in den Marmor seiner neuen Firmenzentrale gravieren. Der Reeder machte die Hamburg-Amerikanische Packetfahrt-Actien-Gesellschaft (Hapag) einst zur größten Schifffahrtslinie der Welt.

Ballins Nachfolger Habben Jansen hat von seinem Büro aus zwar den vielleicht besten Ausblick Hamburgs, direkt auf die Binnenalster. Die Möbel könnten aber auch von Ikea stammen. Spätestens seit die Stadt Hamburg vor mehr als einem Jahrzehnt einstieg, um die Reederei vor einer Übernahme zu schützen und in der Heimat zu halten, geht es betont bodenständig zu am Ballindamm.

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Damals war es die Finanzkrise, die alle Minusrekorde brach, und nun von der Coronakrise übertroffen werden könnte. Während sich die meisten Branchen zu jener Zeit schnell wieder berappelten, begann für die einst so stolze deutsche Seeschifffahrt ein beispielloser Niedergang. „Seit damals haben wir 1500 Handelsschiffe ins Ausland verloren, das war ein Drittel der deutschen Flotte“, sagte Alfred Hartmann, Präsident des Verbands Deutscher Reeder.

Banken zogen sich aus dem Geschäft zurück und viele mittelständische Reedereien waren schlicht zu klein, um sich an den internationalen Finanzmärkten Geld zu besorgen. Auch im Wettbewerb auf den lukrativen Rennstrecken des Welthandels war Größe zum entscheidenden Faktor geworden. Hamburg Süd, die andere große deutsche Traditionsreederei, verlor ihre Eigenständigkeit und gehört inzwischen zu Maersk.

Kleinere Reedereien haben es schwer

„Als ich 2014 zu Hapag-Lloyd kam, war schon klar, dass wir wachsen mussten, um im globalen Wettbewerb zu überleben“, erinnert sich Habben Jansen. „Die Schiffe sind größer geworden und können inzwischen 20.000 Container oder mehr transportieren, aber auch die Anzahl der Schiffe in unserer Flotte ist deutlich gewachsen. Kleinere Reedereien ohne Größenvorteile haben es da schwer.“

Um weiter in der Weltliga mitzuspielen, schloss sich Hapag-Lloyd seitdem mit Reedereien aus anderen Erdteilen zusammen: der südamerikanischen CSAV und der arabischen UASC. Zu den Gesellschaftern gehören heute neben der Stadt Hamburg und dem Logistikmilliardär Klaus Michael Kühne auch Staatsfonds aus Saudi-Arabien und Katar sowie eine der reichsten Familien Südamerikas.

Dividende beruhigt den Streit

Angeblich gärt es gerade in der bunten Truppe. Kühne würde gerne seinen Einfluss ausbauen. Die chilenische Milliardärsfamilie hält dagegen, so spekulieren es Medien. Da passte es ins Bild, dass der Aktienkurs von Hapag-Lloyd durch die Decke ging, und zwar mitten in der Krise. Logisch war das nicht. Kaufen da zwei Seiten Anteilsscheine um die Wette?

„Alle arbeiten seit Jahren gut zusammen“, sagt Habben Jansen. „Meinungsverschiedenheiten kommen in den besten Familien vor.“ Dass der Konzern in der Krise eine Dividende zahlt und 2020 trotz allem mit einem Gewinn abschließen will, dürfte auch zur Beruhigung der Gemüter beitragen.

Auch das letzte Meeting des Vorstandschefs an diesem Tag findet virtuell statt. Im Kalender steht ein Townhall-Meeting mit Kunden aus aller Welt. Statt dafür in ein TV-Studio zu gehen, klappt Habben Jansen einfach seinen Laptop auf. „Ich beantworte alle Fragen, die im Chat einlaufen“, verspricht der CEO. Das hat es vor der Coronakrise so auch nicht gegeben.

Felix Wadewitz

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