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Wirtschaft: Conti prüft Aus für Reifenwerk in Hannover

Rund 400 Arbeitsplätze könnten verloren gehen

Berlin/Hannover - Der Reifenhersteller Continental wird die Personenwagen-Reifenproduktion in Hannover möglicherweise schon im kommenden Jahr schließen. 400 Arbeitsplätze könnten verloren gehen. Eine entsprechende Entscheidung werde „sehr sorgfältig geprüft“, sagte Continental-Sprecher Hannes Boekhoff dem Tagesspiegel. Das endgültige Urteil wird in den kommenden Wochen erwartet.

Die Nachricht von der drohenden Stilllegung kommt trotz eines Sparprogramms, auf das sich Konzern und Betriebsrat erst vor sechs Monaten geeinigt hatten. Zum Erhalt der Stellen war eine Arbeitszeitverlängerung auf 38,5 Stunden ohne Lohnausgleich vereinbart worden. „Sollte es zu einer Schließung kommen, wird die bislang kostenlose Mehrarbeit rückwirkend vergütet“, versicherte der Conti-Sprecher.

Die zuständige Gewerkschaft IG BCE sieht die Situation entspannt. „Wir glauben nicht, dass der Standort geschlossen wird“, sagte IG-BCE- Sprecher Peter Wind. Laut Wind gehört Hannover zu einem der wettbewerbsfähigeren Standorte in Westeuropa und könne daher nicht wirklich bedroht sein.

Doch der Betriebsrat zeigte sich irritiert. „Warum sollte man einen der profitabelsten Standorte in Westeuropa schließen“, fragte der stellvertretende Betriebsratschef Michael Deister. Man könne besser mit einer Kürzung der Arbeitszeit und entsprechender Lohnreduzierung reagieren. Das Werk in Hannover produziert jährlich 1,3 bis 1,5 Millionen Pkw-Reifen und ist damit das mit der geringsten Kapazität. Doch obwohl es nur ein Prozent der Pkw-Reifen des Konzerns produziert, trägt es zehn Prozent zum Ergebnis der Sparte bei. In Aachen und Korbach produzieren rund 3000 Mitarbeiter jeweils mehr als acht Millionen Pkw-Reifen.

Continental begründete die drohende Schließung des Werks damit, dass sich der globale Reifenabsatz nicht so positiv entwickelt habe wie zunächst angenommen. „Wir haben den Markt positiver eingeschätzt“, sagte Boekhoff. Zwar ist der Gewinn, den das Unternehmen im ersten Halbjahr 2005 mit Pkw-Reifen erwirtschaftete, höher als der des vergangenen Jahres, doch sei das „vor allem auf die Produktion an Billigstandorten“ zurückzuführen. Das Unternehmen unterhält Produktionsstätten in aller Welt. Im tschechischen Otrovice beispielsweise werden18 Millionen Pkw-Reifen jährlich produziert, im rumänischen Timisoara mehr als zehn Millionen.

Dieses Jahr wird Continental voraussichtlich 3,5 bis vier Millionen Reifen weniger auf den Markt bringen können. Diesen Rückgang könnte man auch auf alle Standorte verteilen, um einen Stellenabbau zu vermeiden, sagte IG-BCE-Sprecher Wind. „Es gibt ganz viele Möglichkeiten, man muss es nur wollen“, sagte er. Zudem gäbe es Standortsicherungsverträge zwischen Gewerkschaft und Continental, für die die Belegschaft unbezahlte Mehrarbeit in Kauf genommen hätte. Sollte der Vorstand die Verträge kündigen, wäre dies ein schwerer Vertrauensbruch. Continental dagegen erklärte, dass es nie eine Garantie für die Pkw-Reifenproduktion gegeben hätte.

Im vergangenen Jahr setzte Continental weltweit 102 Millionen Pkw-Reifen ab und erwirtschaftete damit 383,4 Millionen Euro Gewinn. In den ersten sechs Monaten dieses Jahres lag der Gewinn der Pkw-Reifenproduktion bei 247,5 Millionen Euro. Branchenexperten schätzen, dass der Reifenhersteller und Autozulieferer sein gesamtes operatives Ergebnis im dritten Quartal 2005 deutlich steigern konnte, auf geschätzte 345 Millionen Euro. Das Unternehmen profitiert von der anhaltenden Nachfrage nach elektronischen Stabilisierungsprogrammen. Selbst wenn sich Continental dazu entschließen sollte, die Pkw-Reifen-Produktion zu beenden, würde das nicht heißen, dass sich das Unternehmen ganz aus Hannover zurückzieht. Continental unterhält in der niedersächsischen Landeshauptstadt zwei Standorte. In Hannover-Stöcken werden neben Reifen Luftfedersysteme produziert. Außerdem ist dort die Forschung und Entwicklung konzentriert. In Hannover-Vahrenwalde stehen Fertigungsanlagen für verschiedene Produkte für die Automobilindustrie. Insgesamt arbeiten an dem Standort 8000 Menschen. Continental produziert seit 1938 in Hannover. (mit dpa)

Sophia Hoffmann

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