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Symbol der Krise: Der fast menschenleere Times Square in New York.

© Eduardo Munoz/REUTERS

Coronavirus in den USA: Donald Trump zwischen Wunsch und Wirklichkeit

Die USA ringen um die Frage, wie schnell das Land wieder öffnen kann – Präsident Donald Trump selbst erhöht den Druck und gibt lebensgefährliche Tipps.

Das Credo der Experten in den USA lautet seit Langem: keine Wiederöffnung des Landes ohne ausreichende Coronavirus-Tests. Denn nur so könnten die Verantwortlichen entscheiden, wie hoch das Risiko ist, wenn die Ausgangsbeschränkungen aufgehoben werden. „Es ist entscheidend für jeden Bundesstaat, erst einmal genau zu wissen, wie hoch die Infektionsrate ist“, sagt etwa New Yorks Gouverneur Andrew Cuomo. Der Bundesstaat ist besonders heftig von der Pandemie betroffen.

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Aber obwohl US-Präsident Donald Trump Tag für Tag behauptet, es gebe genügend Tests und jeder, der dies wolle, könne sich auf das Virus testen lassen, sieht die Realität immer noch anders aus. Sein eigener Topexperte Anthony Fauci widersprach ihm in dieser Frage einmal mehr am Donnerstag.

„Wir müssen nicht nur bei der Zahl der Tests massiv aufstocken, sondern auch bei den Kapazitäten, um diese tatsächlich durchzuführen“, sagte der oberste US-Virologe in einer Videokonferenz des „Time Magazine“. Nur so vermeide man eine Situation, in der es zwar Tests gebe, aber beispielsweise keine Wattestäbchen, um den Abstrich zu machen. „Ich bezweifle stark, dass wir da bereits richtig aufgestellt sind.“

Virologe Fauci warnt vor einem Rückfall

Fauci mahnte erneut vor einer zu schnellen Rückkehr zum wirtschaftlichen Normalbetrieb. Wenn das Virus nicht unter Kontrolle sei, werde es keine wirkliche wirtschaftliche Erholung geben, da ein Rückfall drohe. Die Harvard University empfiehlt, täglich 500.000 bis 700.000 Tests in den USA durchzuführen, bevor das Land Auflagen lockere. Dazu müsste die derzeitige Zahl der Tests laut „New York Times“ im nächsten Monat aber verdreifacht werden.

[Mehr zum Thema: Wie das Virus sich unbemerkt in US-Städten verbreiten konnte]

Trump hatte vergangene Woche neue Richtlinien veröffentlicht, wonach Bundesstaaten in drei Phasen zur Normalität zurückkehren sollen. So soll beispielsweise die Zahl der nachgewiesenen Infektionen über einen 14-tägigen Zeitraum abgenommen haben, bevor ein Staat in eine neue Phase übergeht.

Jeder Fünfte in New York bereits immun?

Vorläufige Ergebnisse einer ersten Antikörper-Studie in New York führen jetzt zu neuen Diskussionen. Demnach könnten in dem Bundesstaat schon deutlich mehr Menschen mit dem Virus infiziert und damit künftig eventuell immun dagegen sein als bisher bekannt. Der Studie zufolge infizierte sich in New York City bislang jeder Fünfte. Im gesamten Staat liege die Zahl bei 14 Prozent, sagte Gouverneur Cuomo.

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Für die Studie seien rund 3000 Menschen, die in 40 Supermärkten in 19 Landkreisen einkauften, zufällig ausgewählt und auf Antikörper getestet worden. Die überraschend hohen Zahlen könnten bedeuten, dass mehr als 1,7 Millionen Menschen in New York City und etwa 2,7 Millionen der 19 Millionen Einwohner des Bundesstaats bereits eine Infektion überstanden haben. Durch Tests nachgewiesen sind nur 250.000 Infektionen. Cuomo betonte aber, die Zahlen seien vorläufig und beruhten auf einer relativ kleinen Testgruppe, die nur Menschen beinhalte, die in Supermärkte gehen.

Diskussionen über die Studie zu New York

Eine Interpretation der vorläufigen Studienergebnisse ist, dass die Zahlen eine geringere Todesrate nahelegen, also weniger Menschen an einer Infektion sterben. Nach Angaben der John Hopkins University beträgt die Todesrate in den USA derzeit 5,4 Prozent (in Deutschland 3,8, in Italien 13,4 Prozent).

Aber es gibt auch Experten, denen die Ergebnisse große Sorgen machen. Waren tatsächlich deutlich mehr Menschen bereits infiziert, könnte das Virus noch viel ansteckender sein als bereits befürchtet, schreibt die „New York Times“.

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Das wiederum könnte bedeuten, dass sich die Epidemie in den nächsten Wochen schwerer eindämmen lasse – wenn das Land sich wieder öffne. Die Zahl der Amerikaner, die infiziert seien, bevor ein Impfstoff zur Verfügung stehe, könnte so viel größer sein. Selbst wenn dann die Todesrate nur 0,5 Prozent betrage, aber ein Drittel aller Amerikaner (110 Millionen) das Virus bekämen, könnten mehr als 500.000 sterben. Erschreckende Zahlen – kein Wunder, dass der Wunsch nach einem Corona-Wundermittel groß ist.

Trump spekuliert über die Injektion von Desinfektionsmitteln

Wie groß, das zeigte am Donnerstag ein weiterer bizarrer Auftritt des Präsidenten beim täglichen Corona-Briefing im Weißen Haus. Trump empfahl dabei die Bestrahlung eines infizierten Körpers mit UV-Licht und die Injektion von Desinfektionsmitteln. Kurz zuvor hatte ein Experte berichtet, dass das Virus auf metallischen Oberflächen durch Bleich- und Desinfektionsmittel abgetötet werden kann. Die Lebensdauer des Erregers würde sich auch durch direkte Sonneneinstrahlung verringern.

[Alle aktuellen Entwicklungen in Folge der Coronavirus-Pandemie finden Sie hier in unserem Newsblog. Über die Entwicklungen speziell in Berlin halten wir Sie an dieser Stelle auf dem Laufenden.]

Trump, der bereits das Malaria-Medikament Hydroxychloroquin als Heilmittel anpries, vor dem jetzt die Arzneimittelbehörde FDA warnt, faszinierte dies offensichtlich. Er sei kein Doktor, aber es „wäre interessant, das zu prüfen“, sagte er.

Die Reaktionen folgten prompt. Mediziner in den sozialen Medien rieten eindringlich vor der Injektion von Desinfektionsmitteln ab: Dies sei lebensgefährlich. Die New Yorker Gesundheitsbehörde erklärte am Freitag auf Twitter: „Auf gar keinen Fall sollten Desinfektions- oder Reinigungsmittel in den Körper gespritzt werden, um Covid-19 zu behandeln oder davor zu schützen.“ Derzeit gebe es weder einen Impfstoff noch ein Heilmittel dagegen. Später ruderte Trump dann zurück: Seine Bemerkung sei „sarkastisch“ gewesen, er habe die Reaktion beobachten wollen.

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