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Fleißige Bienen. Ähnlich wie in der Natur zählt beim Crowdinvesting das gemeinsame Handeln – mit unsicherem Ertrag.

© Foto: dpa / picture alliance

Crowdinvesting: Wenn Anleger schwärmen

Kleine Beträge, hohes Risiko: Auch Privatleute können Start-ups finanzieren.

Auch Peter Thiel hat einmal – relativ – klein angefangen. 2004, als Facebook noch ganz am Anfang stand, steckte er 500 000 Dollar in das Unternehmen. Von den meisten Anteilen hat sich der deutschstämmige Investor inzwischen getrennt und mehr als eine Milliarde Dollar mit den Verkäufen erzielt. Es gibt einige Beispiele junger Firmen, die nicht nur die Gründer, sondern auch die frühen Investoren unglaublich reich gemacht haben.

Doch welcher Anleger hat schon das nötige Kleingeld, um sich wie Thiel an mehreren Start-ups zu beteiligen und so sein Risiko zu streuen. Klar ist: Die allermeisten jungen Firmen scheitern, deshalb ist diese Form des Investments extrem riskant. Große Wagniskapitalgesellschaften, die das Risiko streuen, sind aber meist an kleinen Privatanlegern nicht interessiert, es ist zu viel Aufwand. Andererseits kommen die Fonds für viele Gründer nicht infrage, weil die Summen, um die es am Anfang geht, ebenfalls zu klein für Venture Capital Fonds sind.

Immer mehr Gründer in Deutschland setzen daher auf eine noch relativ neue Form der Mikrofinanzierung, die es ihnen ermöglicht, schnell und flexibel auch an kleine Summen Risikokapital zu kommen. Das Crowdinvesting wiederum bietet Anlegern die Chance, sich mit kleinen Beträgen an viel versprechenden aber eben riskanten Projekten zu beteiligen. Seedmatch aus Dresden, Innovestment aus Köln und Companisto aus Berlin sind drei Internetplattformen, die private Anleger und Gründer zusammenbringen.

Allerdings warnt Anlegeranwalt Jens-Peter Gieschen von der Kanzlei KWAG: „Über das hohe Risiko muss sich der Anleger vorher im Klaren sein und dass er sich in einem weitgehend unregulierten Bereich bewegt.“ In Deutschland ist es legal, öffentlich bis zu 100 000 Euro von Investoren einzusammeln, ohne einen aufwendigen Prospekt erstellen zu müssen, der detailliert über die Chancen und Risiken aufklärt.

Seedmatch startete vor einem Jahr. Über die Plattform haben sich knapp 20 junge Firmen finanziert, mehr als 1,75 Millionen Euro sind insgesamt zusammengekommen. Rund 8000 Investoren haben sich registriert, davon sind 1331 aktiv, das heißt, sie haben mindestens 250 Euro eingesetzt. Die Firmen stellen ihr Geschäftsmodell auf der Plattform vor und erklären, wofür sie eine bestimmte Summe (maximal 100 000 Euro) brauchen. Erst wenn genug Investoren überzeugt sind und die anvisierte Summe vollständig aufbringen, wird das Geld eingesammelt. Die Plattform erhält dann vom Unternehmen eine Provision.

Das Risiko des Investors ist auf seine Einlage beschränkt.

Der Investor und das Start-up schließen online einen privatrechtlichen Vertrag über eine stille Beteiligung ab, eine Nachschusspflicht bei Verlusten besteht nicht. Der Vertrag läuft zwischen vier bis sieben Jahren. Nach Ablauf der Frist kann der Investor kündigen, zwei Jahre später die Gründer. Der Investor profitiert in Höhe seiner stillen Beteiligung „am Gewinn und an der Steigerung des Unternehmenswertes“, sagt Peter Schmiedgen von Seedmatch. Renditeversprechen machen die Firmen nicht. Erfahrungswerte, ob, wann und in welchem Maße sich diese Anlageform rentiert, gibt es auch nicht – so lange existiert sie noch nicht.

Etwas anders funktioniert Companisto. Hier beteiligt sich der Investor nicht direkt an den jungen Firmen, sondern geht über Companisto eine Unterbeteiligung an einem bestimmten Start-up ein. Eine Mindestinvestitionssumme gibt es nicht. „Wir bündeln die Beteiligungen der Investoren“, sagt Companisto-Gründer Tamo Zwinge. „Der Vorteil ist, dass das Start-up nur einen Vertragspartner hat.“ Dies reduziere nicht nur den Aufwand für die jungen Firmen, die übersichtliche Beteiligungsstruktur mache ein Start-up auch attraktiver für eine Anschlussfinanzierung. Venture Capital Fonds investierten nicht gern in Firmen, die zu viele Beteiligte haben, meint Zwinge. „Und kein Investor hat etwas davon, wenn die Firma nicht weiter wächst, weil sie kein weiteres Kapital aufnehmen kann“, sagt er. Seedmatch hält dem entgegen, dass eine über die Plattform finanzierte Firma inzwischen eine Anschlussfinanzierung gefunden hat.

Noch einen Unterschied macht Zwinge für Companisto geltend. In den ersten Jahren mache ein Start-up keine Gewinne, die an Investoren ausgeschüttet werden könnten. Darum sei es entscheidend, dass ein Investor auch an einem möglichen Verkaufserlös beteiligt wird, denn der sogenannte Exit kann überaus lukrativ sein. Instagram ist so ein Beispiel. Die Entwickler der kostenlosen Fotoanwendung verkauften ihre Firma nach nur zwei Jahren für eine Milliarde Euro an Facebook – ohne je Umsatz gemacht zu haben. Natürlich läuft es nur in den allerseltensten Fällen so.

Im Gegensatz zu Companisto überlässt Innovestment seinen Investoren die Bewertung eines Start-ups. Sie wird in einer Art Auktionsverfahren ermittelt, ähnlich wie das Bookbuilding vor einem Börsengang, sagt Sprecher Thomas Herzog. Dabei setzt Innovestment bewusst auf Investoren, die einen Geschäftsplan auch bewerten können. Der Mindesteinsatz beträgt 1000 Euro. „Wir wollen unerfahrene Anleger abschrecken“, sagt Herzog, „weil es eine hochriskante Anlageklasse ist.“

In jedem Fall muss man die Geschäftspläne und das Kleingedruckte der Plattformen genau studieren. Anlegeranwalt Gieschen ist überzeugt, dass Crowdinvesting starken Zulauf haben, „und viele schwarze Schafe anlocken wird“. Auch der Berliner Wirtschaftsprofessor Günter Faltin, der selbst in knapp ein Dutzend Start-ups investiert hat, ist skeptisch. „Es ist äußerste Vorsicht geboten, wenn keine Prospektpflicht und damit keine Prospekthaftung besteht“, sagt er. „Es gibt viel anlagebereites Kapital, sogar unvorsichtiges Kapital.“ Doch er begrüßt, dass immer mehr Menschen hierzulande bereit sind, unternehmerische Risiken einzugehen – statt ihr Geld zur Sparkasse zu tragen.

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