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Wirtschaft: D-Mark: "Der Verzicht auf den Blauen Brief schadet Europa"

Klaus-Dieter Kühbacher ist Präsident der Landeszentralbank Berlin-Brandenburg. Herr Kühbacher, die Umstellung auf den Euro verlief ohne große Pannen.

Klaus-Dieter Kühbacher ist Präsident der Landeszentralbank Berlin-Brandenburg.

Herr Kühbacher, die Umstellung auf den Euro verlief ohne große Pannen. Sind alle Wünsche in Erfüllung gegangen?

Wir hätten offensichtlich noch mehr Schreddergut für Künstler abzweigen sollen. Das Goethe-Institut in Hongkong beispielsweise will jetzt mehrere Kilo verarbeiten.

Es gab weniger Schlangen in den Geschäften und an den Bankschaltern als Sie befürchtet hatten. Die Landeszentralbank (LZB) hingegen scheint dem Ansturm nicht gewachsen zu sein. Warum?

Die Leute kommen zu uns, weil sie bei uns ihr altes Urlaubsgeld zum Nulltarif eintauschen können. 20 unserer Mitarbeiter sind damit vollauf beschäftigt. Die Scheine müssen genau geprüft werden. Mehr Mitarbeiter können wir dafür nicht abstellen. Dadurch gibt es zurzeit Wartezeiten von bis zu zwei Stunden.

Und vom 1. März an muss die LZB auch noch verstärkt D-Mark-Bestände einwechseln. Schaffen Ihre Leute das?

Damit es nicht eng wird, bitten wird die Berliner und Brandenburger, die bei uns unbefristet und kostenlos D-Mark in Euro tauschen können, darum, erst im April oder Mai zu uns zu kommen. Dann, hoffen wir, ist es etwas leerer bei uns.

Sind viele Blüten aufgetaucht?

Das Aufkommen hat sich stark vergrößert. Aber es ist weniger Falschgeld in Umlauf als gemeinhin befürchtet wird. Bei einer Million Scheine haben wir nur fünf falsche Scheine.

Hat die erfolgreiche Bargeldeinführung auch alle Kritiker verstummen lassen?

Nein. Die werden wohl auch nicht verstummen. Denn in einem Punkt haben sie ja durchaus nicht Unrecht. Eine gemeinsame Währung braucht auch eine gemeinsame Wirtschaft. Unsere Wirtschaft ist aber noch nicht homogen genug.

Mit dem Euro, hieß es, würde eine Preisharmonisierung kommen. Inwieweit haben sich die Preise bereits angeglichen?

Es dürfte zwei Jahre dauern, bis wir von Preisharmonisierung sprechen können. Zunächst muss sich erst einmal Preistransparenz durchsetzen. Wie sich die Preise dann tatsächlich gestalten, ist immer auch eine Frage der regionalen Kaufkraft. Aber sicher wird der nächste Urlaub schon vielen die Augen öffnen.

Wie unterschiedlich die Autopreise in Europa sind, hat uns die EU-Kommission ja erst vor Augen geführt...

Das ist ein gutes Beispiel. Daran erkennt man nämlich, was uns in Europa noch fehlt: ein harmonisiertes Steuersystem. Denn ein Großteil der Preisgefälle bei den Autos ist auf die unterschiedlichen Mehrwertsteuersätze zurückzuführen.Wir brauchen einheitliche Mehrwertsteuersätze.

Im Januar wurde über Preiserhöhungen im Dienstleistungsbereich geklagt. In welchem Ausmaß war der Euro daran Schuld?

Den Euro trifft überhaupt keine Schuld. Schuld sind diejenigen, die die Umstellungsphase als Gelegenheit zu Preiserhöhungen benutzt haben, die sie normalerweise nicht hätten durchsetzen können. Der Euro kam vielen gerade recht.

Mit der Bargeldeinführung ist der Euro-Kurs vorübergehend gestiegen. Unter welchen Bedingungen könnte die Gemeinschaftswährung sich dauerhaft stabilisieren?

Die hohen US-Sicherheitsausgaben führen zu einem Haushaltsdefizit der Amerikaner. Das wird den Dollar belasten. Andererseits haben wir die anhaltende Ungewissheit in Japan über eine konjunkturelle Stabilisierung. Der Euro wird von dieser Situation profitieren. Aber auch die Notwenigkeit, die Wirtschafts- und Finanzpolitik in Europa einander anzugleichen, wird auf Dauer zu einer neuen Bewertung des Euro führen.

War es richtig, dass sich die Bundesregierung den Blauen Brief aus Brüssel vom Hals geschafft hat?

Nein, das dient weder dem Interesse des Euro noch Europas. Es ist Zeit, dass man sich von den nationalen Egoismen verabschiedet.

Wie erklären Sie sich, dass ausgerechnet Deutschland beim Wachstum zurzeit so schlecht abschneidet?

Die Reformen sind offenbar nicht zu Ende gedacht worden. Die Konsumenten verhalten sich nämlich nicht immer so, wie man das erwartet. Die Steuerreform hat die Privathaushalte zwar entlastet, doch die Verbraucher halten die Gelder zurück.

Wie beurteilen Sie die Konjunkturlage?

Die jüngsten Indikatoren lassen eine Verbesserung zur Jahresmitte erwarten. Insofern kann man mit einem schönen Sommer rechnen. Nur jeder weiß, wie schwierig Wetterprognosen sind. Oft halten sie nicht mal drei Tage.

Herr Kühbacher[die Umstellung auf den Euro v]

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