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Zerreißprobe. Bei Streitereien kommen die Parteien oft nicht weiter. Ein neutraler Dritter kann dazu beitragen, einen Ausweg zu finden. Foto: Fotex

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Wirtschaft: Damit der Knoten platzt

Statt vor Gericht versuchen immer mehr Menschen, Konflikte mithilfe eines Mediators zu lösen. Ein neues Gesetz soll ihnen helfen

Wenn eine langjährige Beziehung zu Ende geht, ist das schwer. Zu dem Kummer gesellen sich auch noch ganz praktische Probleme. Vermögen muss aufgeteilt werden, die Möbel und die Lieblings-CDs. Besonders kompliziert wird es, wenn auch noch um das Sorgerecht für ein Kind gestritten wird. Solche Streitigkeiten enden oft vor Gericht. Doch immer häufiger wählen die Parteien einen anderen Weg – die Mediation. Ein neues Gesetz soll der außergerichtlichen Schlichtung zum Durchbruch verhelfen. Mitte April hat sich der Bundestag mit dem Entwurf beschäftigt, jetzt ist der Rechtsausschuss am Zug. Anfang Juli soll das Parlament das Gesetz endgültig beschließen.

WAS MEDIATION IST

Der Mediator ist eine neutrale Person und hat keine Entscheidungsmacht. Er unterstützt die Beteiligten darin, ihre Interessen zu äußern und eine gemeinsame Lösung zu finden. „Bei einer Mediation geht es darum, dass die Parteien ihre Lösung selbst erarbeiten“, sagt Vera Rehberger vom Mediationsbüro Mitte in Berlin. „Dabei stellen wir uns auf keine Seite und haben kein persönliches Interesse an der Lösung.“

Mediationen gibt es schon seit über 15 Jahren in Deutschland. Sie werden bei Scheidungen, Erbstreitigkeiten oder auch in der Wirtschaft angewandt, zum Beispiel, wenn sich Arbeitnehmer gemobbt fühlen. Seit 2006 gibt es auch an den Berliner Gerichten ein Mediationsverfahren. Wenn Kläger und Beklagter einer vom Richter vorgeschlagenen Mediation zustimmen, kann die Vermittlung eingeleitet werden. Dabei finden die Sitzungen mit dem Mediator, den Parteien und deren Anwälten statt.

Anne-Ruth Moltmann-Willisch, Richterin und Mediatorin am Landgericht Berlin, spricht von sehr guten Ergebnissen: „Bei einem Gerichtsurteil fühlen sich die Beteiligten oft missverstanden.“ Anders sei es bei einer freiwilligen Einigung: „Diese Lösungen sind oft maßgeschneidert und wirken nachhaltiger, da sich die Beteiligten selbst dafür entschieden haben.“ Der Erfolg an den Berliner Gerichten spricht für sich: Die Einigungsquote lag 2010 bei 70 Prozent. Ähnliche Erfahrungen macht auch Mediatorin Vera Rehberger: „In 80 Prozent der Fälle kommt es zu einer Einigung.“ Dabei seien die Chancen besonders groß, wenn die Parteien danach noch Kontakt hätten, „sei es am Arbeitsplatz, also zwischen Kollegen, wenn gemeinsame Kinder da sind oder zwischen Geschäftspartnern.“

WAS GEPLANT IST

Bislang werden Mediationen eher in Ausnahmen angewandt. Ein neues Gesetz soll das Verfahren nun populärer machen: Nach dem Gesetz „zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung“ sollen Mediationen künftig häufiger das richterliche Urteil ersetzen. In Zukunft soll der Richter gleich von Anfang an prüfen, ob für die Parteien eine Mediation infrage kommt und sie bei Bedarf vorschlagen. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) spricht von einem Verfahren, „das die Rechtskultur in Deutschland positiv verändern“ soll. Außerdem verspricht sich ihr Ministerium eine Entlastung der Gerichte. Die Mediationsverfahren sind in der Regel kürzer und billiger. Während sich Gerichtsverfahren über Monate hinziehen können, sind Mediationen oft nach zwei bis drei Sitzungen abgeschlossen.

EINIGUNG MIT FOLGEN

Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die Ergebnisse einer Mediation von den Parteien in Zukunft als vollstreckbar erklärt werden können. Beispiel: Ein getrennt lebendes Paar hat ein Kind. In der Mediation einigen sich Vater und Mutter darauf, dass der Vater 500 Euro Unterhalt pro Monat für das Kind bezahlen soll. Die Parteien erklären dieses Ergebnis für vollstreckbar. Falls der Vater anschließend nicht zahlt, kann das Geld von einem Gerichtsvollzieher unmittelbar gepfändet werden. Im Gesetzentwurf ebenfalls geregelt ist, dass die Mediatoren künftig einer Verschwiegenheitspflicht unterliegen sollen, wie das jetzt schon für Rechtsanwälte oder Steuerberater gilt. Sie sollen zudem ein Zeugnisverweigerungsrecht haben.

Mörder oder Räuber können die Mediation allerdings nicht in Anspruch nehmen: Der Entwurf der Justizministerin sieht vor, dass die Mediation nicht bei strafrechtlichen Verfahren angewandt werden sollen.

Die Kosten des außergerichtlichen Mediationsverfahrens müssen die Parteien selbst tragen. Mittlerweile ist das Mediationsverfahren allerdings bei den meisten Rechtsschutzversicherern im Versicherungspaket enthalten, wie eine im April durchgeführte Umfrage des Versicherungsverbands GDV ergab: 75 Prozent der Rechtsschutzversicherer bieten Mediationsverfahren als Leistung an. Dabei kann der Kunde sich selbst allerdings keinen Mediator aussuchen, die Versicherer wählen die Mediatoren aus.

VERSICHERUNGEN

In der nebenstehenden Tabelle finden Sie einen Überblick über die günstigsten Rechtsschutzversicherungen, die Mediationsverfahren zahlen. Die Preisunterschiede sind groß: Singles können fast 287 Euro, Familien bis zu 358 Euro im Jahr sparen, wenn sie zum günstigsten Anbieter wechseln, hat das Internetportal Check24 für den Tagesspiegel ausgerechnet.

Wer keine Versicherung hat, muss die Kosten für die Mediation selber tragen – auch wenn er wenig verdient. Im Gesetzentwurf ist bislang keine Mediationskostenhilfe vorgesehen, bei der der Staat nach dem Vorbild der Prozesskostenhilfe die Verfahrenskosten übernimmt. Das letzte Wort ist in dieser Frage jedoch noch nicht gesprochen. Das Bundesjustizministerium plant ein Forschungsvorhaben zu diesem Thema. Wenn der Erfolg des Verfahrens nachgewiesen werde, könne es eine finanzielle Unterstützung geben, heißt es aus dem Ministerium.

JEDER KANN MEDIATOR SEIN

Die Berufsbezeichnung Mediator ist kein geschützter Begriff. Jeder kann sich Mediator nennen. Daran ändert auch das geplante neue Gesetz nichts. Zudem sagt der Gesetzentwurf nichts über Qualitätskriterien. „Wir brauchen einheitliche Kriterien bei der Ausbildung, um das Vertrauen der Menschen in die Mediation zu stärken“, sagt Thomas Robrecht vom Bundesverband Mediation.

Um die Situation zu verbessern, sollen die verschiedenen Mediationsverbände und Kammern nun einheitliche Kriterien erarbeiten. Am Ende soll ein privates Zertifizierungssystem stehen, an dem sich die Streitparteien orientieren könnten, heißt es im Bundesjustizministerium. Bis dahin ist es noch ein langer Weg. Thomas Robrecht ist trotzdem zuversichtlich: „Ein wichtiger Meilenstein ist mit dem Gesetz erreicht.“

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