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Wirtschaft: Das doppelte Mandat von Günter Rexrodt

Von Antje Sirleschtov und Alexander Visser Die Untersuchungen des Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse (SPD) über die wirtschaftliche Tätigkeit von Bundestagsabgeordneten gehen nun über den bereits bekannten Fall Hunzinger hinaus. Wie ein Sprecher Thierses dem Tagesspiegel bestätigte, werden jetzt auch die Tätigkeiten der Abgeordneten Günter Rexrodt (FDP) und Peter Danckert (SPD) geprüft.

Von Antje Sirleschtov

und Alexander Visser

Die Untersuchungen des Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse (SPD) über die wirtschaftliche Tätigkeit von Bundestagsabgeordneten gehen nun über den bereits bekannten Fall Hunzinger hinaus. Wie ein Sprecher Thierses dem Tagesspiegel bestätigte, werden jetzt auch die Tätigkeiten der Abgeordneten Günter Rexrodt (FDP) und Peter Danckert (SPD) geprüft. Die Bundestagsverwaltung sei Ende der Woche schriftlich über Details von Vorstands- und Aufsichtsratsmandaten der Parlamentarier in dem Berliner PR-Unternehmen WMP Eurocom AG unterrichtet worden, sagte der Sprecher der Bundestagsverwaltung.

Aus den Unterlagen, die Thierse erhielt und die dem Tagesspiegel vorliegen, geht hervor, dass der ehemalige Bundeswirtschaftsminister Rexrodt unter anderem neben Ex-Außenminister Hans-Dietrich Genscher und Ex-Bild-Chefredakteur Hans-Hermann Tiedje Eigentümer des Beratungsunternehmens ist. Seit November 2000 gehört Rexrodt auch dem Vorstand an und teilt sich dort mit vier weiteren Vorständen ein jährliches Gehalt von 741546,12 Mark (2000). Zu den Hauptauftraggebern des auf Unternehmens- und Politikberatung spezialisierten Unternehmens WMP gehörten und gehören zum Teil noch immer der deutsche Stromkonzern Eon und das schwedische Stromunternehmen Vattenfall.

Im Lagebericht des WMP-Vorstandschefs und Ex-Journalisten Hans-Erich Bilges über den „Geschäftsverlauf 2000 und Ausblick 2001“ vom 27. April vergangenen Jahres, den auch Rexrodt unterzeichnet hat, wird vor allem der Auftrag von Vattenfall als „große Herausforderung“ bezeichnet. Das Beratungsmandat für Eon habe außerdem einen „kontinuierlichen Deckungsbeitrag“ im Geschäftsverlauf des Unternehmens geliefert, heißt es in dem Papier. Zur gleichen Zeit hat der Bundestagsabgeordnete Rexrodt in einem Autorenbeitrag für die „Welt am Sonntag“ (vom 22. April 2001) im damaligen Streit der Unternehmen Vattenfall und Mirant (USA) um die Vorherrschaft bei dem zu bildenden ostdeutschen Stromkonzern „Vierte Kraft“ eindeutig Stellung für den WMP-Mandanten Vattenfall bezogen. „Die Amerikaner“ (Mirant), schreibt Rexrodt, „wollen offensichtlich ein Bein in den europäischen Markt bekommen“ und unterstellt dem Unternehmen, „es gehe um eine Mehrheitsposition, die man zu gegebener Zeit gegen Barkasse veräußern will“. „Vattenfall“ empfiehlt Rexrodt danach, habe „sich mehr Mühe gegeben“. Pikant ist diese Stellungnahme weil bei der Bildung der „Vierten Kraft“ aus den Stromunternehmen Veag, Laubag und der Berliner Bewag auch die Bundesregierung und der Berliner Senat politisch unmittelbar beteiligt waren.

Am Freitag sagte Rexrodt dem Tagesspiegel, er sei „lediglich Finanzvorstand“ des Beratungsunternehmens und habe „keine konkreten Kenntnisse über Kunden“. Eine Verquickung seiner persönlichen wirtschaftlichen Beziehungen und seines Bundestagsmandates oder eine Interessenkollision wies er zurück: „Ich habe nie mit irgend einem politischen Entscheidungsträger Gespräche im Zusammenhang mit WMP geführt.“

Auch WMP-Aufsichtsratsmitglied und SPD-Bundestagsabgeordneter Peter Danckert wies einen solchen Zusammenhang zurück. Dass sich der Bundestagsabgeordnete öffentlich für eine Fusion der Energiekonzerne Eon und Ruhrgas ausgesprochen hatte, nachdem das Bundeskartellamt die Verbindung aus Wettbewerbsgründen abgelehnt hatte, „steht nicht im Zusammenhang mit dem Aufsichtsratsmandat bei WMP“, sagte Danckert dieser Zeitung. Auch dass das Beratungsunternehmen, dessen Aufsichtsrat Danckert seit gut eineinhalb Jahren angehört, Vattenfall berät, die das Leipziger Gas-Unternehmen VNG nach einer Eon-Ruhrgas-Fusion kaufen wollen, sei ihm zum damaligen Zeitpunkt nicht bekannt gewesen. Die Vergütung für den Aufsichtsratsposten (Gesamtsumme für den Aufsichtsrat 2000: 157 499,98 Mark) habe er vollständig an die Rechtsanwaltskanzlei, der er angehört, abgeführt. Dennoch: „Aus heutiger Sicht“ sehe er einiges anders, sagte Danckert und werde „darüber nachdenken, ob das Aufsichtsratsmandat mit dem Bundestagsmandat zu vereinbaren ist“.

Um die Verbindungen von Politikern und Unternehmen nach dem Fall Hunzinger neu zu ordnen, fordern Experten, wie der Göttinger Professor Peter Lösche, Abgeordneten des Bundestages einen Sitz in einem Fachausschuss zu untersagen, wenn sie ein Aufsichtsratsmandat in einem Unternehmen wahrnehmen, das von der Ausschussarbeit betroffen sein könnte. Nach Recherchen des Tagesspiegel haben mindestens 50 Bundestagsabgeordnete solche Aufsichtsratsmandate und gleichzeitig einen Sitz in den jeweiligen Ausschüssen, die über Gesetze mitbestimmen.

In das jahrelange Tauziehen um die Bildung eines großen Stromkonzerns im deutschen Osten ist nach Informationen des Tagesspiegel auch der stellvertretende energiepolitische Sprecher der SPD im Bundestag, Reinhard Schultz, involviert. „Seit mehreren Jahren“ berät Schultz das Hamburger Stromunternehmen HEW, bestätigte ein HEW-Sprecher dieser Zeitung. Und zwar über sein Beratungsunternehmen Schultz Projekt Consult in Everswinkel. Schultz` Auftrag: Die Interessenvertretung von HEW, einem Tochterunternehmen von Vattenfall, bei der Übernahme der ostdeutschen Stromunternehmen Veag und Laubag. Während HEW und das amerikanische Unternehmen Mirant um Anteile am Berliner Stromversorger Bewag und damit die bevorstehende Übernahme von Veag/Laubag rangen, sagte der Abgeordnete Schultz der „Financial Times Deutschland“ (4.12.2000), sollten die Amerikaner (Mirant) Anteile der Bewag von Eon kaufen können, „wären sie mit der Bewag allein“. Außerdem werde „Eon kaum ein Interesse daran haben, seine Anteile an die Bewag zu verkaufen“.

Zum Hintergrund: Weil die Berliner Treuhandanstalt Anfang der neunziger Jahre die Unternehmen Veag und Laubag unter anderem auch an Eon privatisiert hatten, stand Bundeswirtschaftsminister Werner Müller ein Mitspracherecht über das künftige Führungsunternehmen beim ostdeutschen Stromkonzern „Vierte Kraft“ zu. Insider gingen zum damaligen Zeitpunkt davon aus, dass das Unternehmen (Vattenfall/HEW oder Mirant), das die Mehrheit bei der Bewag erhält, auch Veag/Laubag kaufen kann.

Der SPD-Energiepolitiker Schultz bestätigte dem Tagesspiegel, dass sein Beratungsunternehmen vom damaligen HEW-Chef Manfred Thimm den Auftrag bekommen hatte, HEW bei der Übernahme von Bewag, Veag und Laubag zu unterstützen. Eine Überschneidung seiner wirtschaftlichen mit politischen Interessen wies Schultz zurück, denn er habe nicht der Bundesregierung angehört und daher auch „keinen Einfluss gehabt“. Seit Vattenfall/HEW die Unternehmen Bewag, Veag und Laubag im vergangenen Jahr letztlich übernommen haben, sitzt Schultz übrigens im Aufsichtsrat von Veag und Laubag.

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