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Ernüchterung. Nach dem steilen Anstieg der Aktienkurse im vergangenen Jahr, sind Investoren und Anleger irritiert ins neue Jahr gestartet. Die Geldpolitik der US-Notenbank dämpft den Optimismus, die Währungsturbulenzen machen viele nervös. Foto: Imago

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Wirtschaft: Das Ende der Party?

Verluste an den Börsen, Währungsturbulenzen in den Schwellenländern – die Zeit der Sorglosigkeit ist für Anleger vorbei.

War es nur ein Warnschuss? Oder mehr? Um sechs Prozent sind deutsche Aktien in den vergangenen zehn Tagen abgestürzt, so deutlich wie seit vielen Monaten nicht. Davor hatte der Dax fast permanent neue Höchststände markiert und die Schwelle von 10 000 Punkten fest im Blick. Am Freitag notierte er bei 9300 Zählern.

Auch bei Staatsanleihen der Euro-Krisenländer zeigen sich Blasen, obwohl die Probleme längst nicht überwunden sind. Unternehmen locken Anleger gleichzeitig mit Anleihen, die zum Teil beträchtliche, ja überzogene Zinsen bieten. Und die Immobilienpreise in manchen Großstädten steigen und steigen. Zugespitzt hat sich die Lage in etlichen Schwellenländern, die Anleger mit hohen Zinsen locken müssen, um den Absturz ihrer Währungen aufzufangen.

HOHER ANLAGEDRUCK

Zeigen sich an den Finanzmärkten nun die ersten Folgen der Sorglosigkeit? Wird die Gefahr eines großen Absturzes unterschätzt? Vorsichtige Beobachter in Frankfurt winken zwar nicht ab, sehen aber auch keine übermäßigen Gefahren. Anleger seien risikobewusster und zurückhaltender als vor der Krise 2007, das Umfeld sei dank schärferer Regeln sicherer. Freilich: Der Anlagedruck ist wegen der anhaltend niedrigen Zinsen hoch. Viele Anleger sind immer noch bereit, größere Risiken einzugehen.

Eine deutliche Warnung sendete bereits Mitte Januar die DZ Bank. Die Stimmung an den Aktienmärkten laufe heiß, das von der Bank erst für das Jahresende angepeilte Dax-Ziel von 10 200 Punkten schien bereits in Reichweite. Zwar könne von einer Blase noch keine Rede sein, sagt Anlage-Stratege Christian Kahler. Aber: Jeder Anflug von Euphorie solle Anlass zur Warnung geben. Ein Teil der Aktien sollte verkauft werden, rät die DZ Bank, ebenso wie Anleihen der Euro-Krisenstaaten. Die Renditen für spanische und italienische Zehn-Jahres-Staatsanleihen liegen derzeit zwischen 3,7 und 3,9 Prozent – nur 200 Punkte über soliden Bundesanleihen. Obwohl die Probleme längst nicht gelöst sind. Es ist nicht lange her, da war der Renditeabstand doppelt, zeitweise sogar drei Mal so groß.

Vor allem auf die Zentralbanken gelte es zu achten, sagt Olaf Stotz, Professor für Asset Management an der Frankfurt School of Finance. Sehr viel hänge davon ab, wie lange sie die Zinsen noch niedrig und das Geld billig halten werden. Die US-Notenbank Fed dämmte diese Woche trotz der Währungsturbulenzen in großen Schwellenländern ihre Geldflut weiter ein. Auf der letzten Zinssitzung von Fed-Chef Ben Bernanke verringerte die Zentralbank die monatliche Dosis der Geldspritzen um weitere zehn auf noch 65 Milliarden Dollar. Bernankes Nachfolgerin, Janet Yellen, die an diesem Samstag in ihrer Funktion als bisherige Vize-Chefin das Ruder übernehmen wird, dürfte an diesem geldpolitischen Kurs festhalten.

„Insgesamt ist die Gefahr größer, als sie derzeit von Marktteilnehmern eingeschätzt wird“, sagt Olaf Stotz. „Bei Staatsanleihen sind die Renditeaufschläge zurückgegangen, bei Aktien die Kurse stark gestiegen, bei Immobilienpreisen gibt es Übertreibungen und in den Schwellenländern ist die Lage schwierig.“

AUS DER KRISE GELERNT

Und doch unterscheidet sich die Situation heute erheblich von der Lage vor sieben oder acht Jahren. Die Geldanlage konzentriert sich auf transparente Standardprodukte, auch bei großen Investoren: Aktien, Staats- und Unternehmensanleihen. Intransparente und nur von Profis zu durchschauende Papiere sind auch dank strengerer Regulierung die Ausnahme. „Es wird an den Finanzmärkten heute viel weniger auf Kredit investiert, strukturierte Produkte wie Zertifikate sind weniger gefragt. Und wir haben eine andere, viel kritischere Aufsicht mit schärferen Regeln. Das Anlageumfeld ist heute viel sicherer“, glaubt Frank Naab, Chef-Anlagestratege beim Bankhaus Metzler.

WENIGER VERBRIEFUNGEN

Auch bei Verbriefungen – dem Verpacken von Krediten zu neuen Wertpapieren – bewegt sich in Deutschland wenig, ist von der Staatsbank KfW zu hören. 2012 wurden hierzulande nach Angaben der Finanzorganisation SIFMA Kredite im Volumen von 13 Milliarden Dollar verbrieft, 2008 waren es fast 150 Milliarden. Dabei würde die Europäische Zentralbank (EZB) begrüßen, wenn wieder mehr Kredite verbrieft würden, vor allem in den Krisenländern im Süden. Das würde die Banken entlasten und Spielraum für die Vergabe neuer Kredite geben, Investitionen fördern und damit Wirtschaftskrisen dämpfen.

In den USA dagegen läuft der Markt mit geringen Schwankungen ungebrochen weiter, obwohl verbriefte Kredite minderwertiger Hypotheken mit Auslöser der Finanz- und Wirtschaftskrise in den Industrieländern waren. 2013 lag das Volumen neuer Verbriefungen etwa von Auto-, Kreditkarten- und Studentenkrediten in den USA bei 186 Milliarden Dollar. Georg Erber vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin hält dies für bedenklich. Die Transparenz sei immer noch mangelhaft.

Die Folge: Ein dramatischer Wertverfall solcher Papiere könnte zu neuen Schocks an den US-Finanzmärkten führen – mit möglicherweise weltweiten Folgen. Banker in Europa sehen diese Gefahr kaum. Selbst Skeptiker wie Olaf Stotz betrachten Verbriefungen als Randthema. Metzler-Stratege Naab glaubt nicht, dass das Segment in Europa die alte Größe wieder erreicht.

Auch bei Hedge-Fonds und im Geschäft mit Private Equity, dem Kauf und Verkauf von Firmenbeteiligungen, herrscht Experten zufolge in Europa Ruhe. Glaubt man Boris Collardi, Chef der Schweizer Privatbank Julius Bär, sind beide Märkte derzeit tot. Die Kunden scheuten Risiken sehr viel stärker als vor der Krise.

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