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Vorsichtsmaßnahme: Ein Arbeiter desinfiziert einen Schweinestall in Guangan in der Provinz Sichuan.

© REUTERS

Das Feiertagsgericht steht auf dem Spiel: Die Schweinepest könnte China den 70. Geburtstag verderben

Wegen einer Seuche wird in der Volksrepublik das Schweinefleisch knapp – ausgerechnet am wichtigsten Nationalfeiertag. Die Staatsführung reagiert alarmiert.

Ausgerechnet im Jahr des Schweines wütet in China die Afrikanische Schweinepest (ASP). Wie schlimm die Folgen sind, ging neben Themen wie dem Handelskrieg mit dem USA oder den Demokratie-Bewegungen in Hongkong zwischenzeitlich unter. Dabei sprechen die Chinesen derzeit darüber mehr als über politische Themen. Die extreme Verteuerung von Schweinefleisch macht sich in den Haushaltskassen deutlich bemerkbar.

Zuletzt kostete ein Kilo Schweinefleisch rund 36 Yuan (umgerechnet 4,60 Euro). Allein im August hat sich Schweinefleisch um rund 50 Prozent Prozent verteuert. Erste Städte wie Guangzhou im Süden Chinas subventionieren den Kauf von Schweinefleisch indem sie ihre Reserven öffneten und tiefgekühltes Schweinefleisch zehn Prozent unter dem Marktwert unter anderem an die Schulen in der Provinz verkauften.

Das Virus der afrikanischen Schweinepest ist für den Menschen ungefährlich, aber für die Tiere umso verheerender. Es gibt keinen Impfstoff gegen den Erreger, die Schweine verenden innerhalb von zehn Tagen, wenn sie sich infiziert haben. Die Verbreitung erfolgt über den direkten Kontakt der Tiere miteinander, kann aber zum Beispiel auch über die Kleidung der Menschen übertragen werden, die auf einem Schweinemastbetrieb arbeiten. Seit dem vergangenen Jahr haben Chinas Bauern vorsorglich eine Million Schweine geschlachtet, um ihre Bestände zu schützen. Genutzt hat es bisher nicht viel.

Noch 200 Millionen Notschlachtungen in diesem Jahr

Durch die Schweinepest sind bisher laut Berechnungen von IHS Markit, einem Daten- und Informationsdienstleister, 100 Millionen Tiere verendet oder mussten notgeschlachtet werden. Nach Prognosen der Rabobank wird China in diesem Jahr etwa 200 Millionen Schweine durch die afrikanische Schweinepest oder Notschlachtung verlieren. Die Schweinefleischproduktion könnte dann um 30 Prozent einbrechen.

Experten zeigen sich besorgt: In China befinden sich die Hälfte der Schweine weltweit. In dem Land wird die Hälfte des weltweit erzeugten Schweinefleischs konsumiert. „Wenn es eine Epidemie wie die ASP gibt, dann wird auch das Angebot dadurch reduziert. Wir haben aber weltweit nicht genug, um zu ersetzen, was China verloren hat", sagt Adam Speck, Senior Rohstoff-Analyst vom britischen Daten- und Informationsdienstleister IHS Markit.

Peking versucht seine Bürger zu beruhigen. So sagte der stellvertretende Ministerpräsident Hu Chunhua: „Wir sollten die Marktspekulationen streng unterbinden, die Produktion alternativer Fleischprodukte aktiv steigern und die Reserven an gefrorenem Schweinefleisch erhöhen.“ Viel verheerender aber ist ein internes Schreiben, das die Hongkonger Zeitung „South China Morning Post“ veröffentlicht hat. Darin soll Hu gesagt haben, dass das Ansehen der Partei und des Staates durch die steigenden Schweinefleischpreise, geschädigt werde.

Sorge wegen des Nationalfeiertages

Das kommt der Partei gerade besonders ungünstig, denn am 1. Oktober wird der 70.Geburtstag der Volksrepublik groß gefeiert. Zum Fest soll die Stimmung passen, doch dafür müssen die Bäuche voll sein. Damit die Bürger zum Nationalfeiertag Schweinefleisch nicht missen müssen, öffnete Peking vor zwei Wochen die Staatsreserven. Der Eingriff soll die Preise für Schweinefleisch stabil halten. 10.000 Tonnen tiefgefrorenes Schweinefleisch wurde versteigert. Dabei durfte jeder Bieter maximal 300 Tonnen Schweinefleisch kaufen.

Obwohl Peking seit 1970 staatliche Schweinefleischreserven in Kühlhallen lagert, weiß niemand genau, wie viel Schweinefleisch gehortet wird. Doch das Fleisch ist Grundbestand in der chinesischen Küche. Fast bei jedem Gericht wird Schweinefleisch benötigt, Mao Zedongs Lieblingsspeise Hongshao Rou – dicker Schweinebauch mit braunem Zucker so lange geschmort, dass Fleisch und Fett auf der Zunge zergehen – ist auf vielen Speisekarten von Restaurants in Großstädten zu finden.

In Peking haben die Feierlichkeiten zum 70. Geburtstag der Volksrepublik China begonnen.
In Peking haben die Feierlichkeiten zum 70. Geburtstag der Volksrepublik China begonnen.

© REUTERS

Der Konsum von Schweinefleisch sagt auch etwas über den Zustand der Konjunktur der bevölkerungsreichsten Nation der Welt aus: Schweinefleisch macht 60 Prozent des chinesischen Fleischkonsums aus. Doch wie so oft fehlt es an einer erkennbaren Strategie, die eigene Schweinezuchtindustrie zu fördern.

In der jüngsten Vergangenheit hatte Peking die Regierungen in den Provinzen dazu animiert, kleinere Schweinzüchter mit großen zusammenzulegen und so die Ressourcen zu bündeln. Bis 2025 etwa will man den Anteil der landwirtschaftlichen Großzuchtbetriebe auf 65 Prozent erhöhen. Bisher dominiert eine Vielzahl von kleineren Höfen mit weniger als 10.000 Zuchttieren die Branche. Um die Versorgung zu sichern, forderte Peking nun die lokalen Regierungen auf, die Politik der Schließung kleinerer Farmen wieder umzukehren. Der chinesische Ministerpräsident Li Keqiang sagte im August, dass Quoten für die Schweineproduktion festgelegt und Subventionen an größere Landwirte vergeben werden sollten .

Europa profitiert von der Nachfrage

Das hat unter anderem dazu geführt, dass sich ein kleiner Schweinebauer auf Weibo, einem twitterähnlichen Social-Media-Dienst, darüber beschwerte, dass die Regierung das Überleben der Landwirte aufs Spiel setzt. 100.000 Nutzer haben daraufhin diesen Beitrag gelesen und Tausende Beiträge hinterlassen. Gleichzeitig arbeitet die Zensur hart daran, derart negative Debatten zu unterdrücken. So wurde der Begriff „Schweinefleischfreiheit“ zwischenzeitlich zensiert. Der Begriff beschreibt eine Person, die so reich ist, dass sie sich nicht um die enorm steigenden Preise sorgen muss.

Währenddessen erwarten die Exportländer für Schweinefleisch so schnell keine Abschwächung der Nachfragen aus China. Deutschland ist seit langem einer der wichtigsten Lieferanten für China. Doch die Mengen sind verglichen zu den Produktionen und dem Konsum im Reich der Mitte eher gering. Die Angst, die die Bild-Zeitung im Sommer schürte, als sie titelte, dass die Chinesen unser Grillfleisch wegkaufen würden, war weit überzogen.

Profitieren dürften von der stark wachsenden chinesischen Nachfrage neben den Europäern auch die USA und Brasilien. Die Europäische Kommission erwartet für dieses Jahr deutlich höhere Exporte von Schweinefleisch und kräftig steigende Preise durch die Nachfrage aus China. Und ausgerechnet zum chinesischen Neujahr Ende Januar 2020, dem wichtigsten Fest des Jahres, soll der Preis von Schweinefleisch seinen Höchststand erreichen.

Ning Wang

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