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Points für die TV-Sender.

© Reuters

Das Geschäft der Voting-Shows: Eurovision Pay Contest

Beim Eurovision Song Contest heißt es wieder: Abstimmen! Das Prinzip Televoting hat sich auch in anderen Shows als festes Element etabliert. Das freut vor allem die TV-Sender.

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Wenn am Samstag beim Eurovision Song Contest in Kopenhagen wieder Interpreten aus 26 Nationen gegeneinander antreten, haben Europas Fernsehzuschauer deren Erfolg und Misserfolg in der Hand. Via Telefon und SMS werden die Sieger gewählt. 1997 wurde das Prinzip in der Sendung eingeführt. Mittlerweile ist das Format aus dem Fernsehen kaum mehr wegzudenken: Ob bei „Wetten, dass...?“, „Schlag den Raab“ oder dem Dschungelcamp, die Fans bestimmen den Ausgang der Sendung mit. Dabei stand das System immer wieder in der Kritik. Nicht selten waren Leitungen überlastet – auch deshalb, weil statt Zuschauern Computerprogramme die Nummern in der Endlosschleife anwählten. Nach einem Finale der Castingshow „Deutschland sucht den Superstar“ (DSDS) behauptete ein Hacker, das Ergebnis manipuliert zu haben. RTL bestreitet das.

Dass die Gebühren für einen „PR-Anruf“, wie es im Fachjargon der Telefonanbieter heißt, dabei weit über den üblichen liegen, scheint weithin akzeptiert. Je nach Ziffernfolge zu Beginn der Rufnummer kostet ein Anruf 14 Cent – so beim Song Contest am Samstag – bis einen Euro pro Minute. „Voting-Shows haben sich längst als feste Einnahmequelle neben der klassischen Fernsehwerbung etabliert“, sagt Renatus Zilles, Vorstandsvorsitzender des Branchenverbands Freiwillige Selbstkontrolle Telefonmehrwertdienste (FST). Vier bis fünf Prozent ihrer Erlöse, so die Schätzungen, nehmen RTL und andere mit den Abstimmungen ein. Pro Folge Dschungelcamp sollen es mehrere hunderttausend Euro sein. Der Sender schweigt dazu.

Wer vom Handy anruft, zahlt bis zu 2,85 Euro

Die Bundesnetzagentur hat die sogenannten Nummerngassen „0137“ und „0138“ für Televotings reserviert. Alle Nummern, die mit 0138 beginnen, kosten 14 Cent pro Minute oder Anruf. Ist bei einer 0137er-Nummer die nächste Ziffer eine acht oder neun, werden 50 Cent fällig. So ist es zum Beispiel bei der telefonischen Stimmabgabe bei DSDS. 01377-Folgen kosten pro Anruf einen Euro. Wer sich statt vom Festnetz vom Handy aus einwählt, zahlt noch viel mehr. Je nach Uhrzeit und Mobilfunkanbieter bis zu 2,85 Euro pro Minute, warnen Verbraucherschützer. Gerade bei Großveranstaltungen wie dem ESC voten die Zuschauer aber häufig mobil – viele treffen sich bei Partys und stimmen dann per Handy über ihren Favoriten ab.

Fernsehsender wie RTL weisen in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf die höheren Kosten beim Televoting über das Handy hin, gerade Jugendliche achten häufig aber nicht darauf, weiß Bernd Ruschinzik von der Verbraucherzentrale Berlin. „Eltern müssen für die hohe Rechnungen, die ihre Kinder verursachen, geradestehen“, warnt er. Die ausgeschriebenen Gebühren fallen auch an, wenn ein Anruf nicht durchkommt und sich stattdessen eine Ansage einschaltet, die sich beispielsweise so anhört: „Zur Zeit sind alle Leitungen belegt.“ Per SMS stimmt laut FST etwa ein Fünftel der Mitmachenden ab – für die Zuschauer kostet es das gleiche, die Sendermargen aber sind bei SMS geringer, deshalb wird die Möglichkeit weniger offensiv beworben. Neben der Telekom, die das System als „Ted“ (kurz für Tele-Dialog) einst entwickelte, sind in Deutschland die Unternehmen Digame und Next ID große Anbieter des Systems. Standardmäßig teilen sich Bereitsteller und Sender die Einnahmen. „Für Sendungen, die echte Massen mobilisieren, wie DSDS oder der Song Contest, werden aber bessere Konditionen ausgehandelt“, sagt Zilles vom FST.

Ein enormes Geschäft also. „Die Sendungen brauchen das Telefonvoting und umgekehrt“, sagt Peter Walschburger, Professor für Psychologie an der FU Berlin. „Wenn es ein Sendeformat schafft, den Zuschauer ins Geschehen einzubinden, wird das Ganze plötzlich persönlich bedeutsam. Unversehens wird er vom passiven Zuschauer zum aktiv Beteiligten, fühlt sich emotional berührt. Wird ihm jetzt eine Nummer präsentiert, schwindet der Widerstand vor einem gebührenpflichtigen Telefonat: Er ruft an.“ Erst kürzlich stellte RTL Dieter Bohlens Castingshow so um, dass fortan zwei Teilnehmer pro Folge rausfliegen. Der Druck auf die Fans, die dafür verantwortlich gemacht werden, dass ihr Liebling weiterkommt, und zahlen sollen, hat sich also erhöht. Oder, wie es die Sender lieber formulieren: „Fernsehen wird immer interaktiver.“

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