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Wirtschaft: Das gewisse Etwas

Eine zweite Karriere als Drehbuchautor – Lehrgänge gibt es viele. Für den Erfolg braucht es aber mehr

Vor zwölf Jahren hat Kristin Derfler ihr zweites Berufsleben begonnen – das sie aus dem Rampenlicht an den Schreibtisch brachte. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sie als Schauspielerin gearbeitet. „Damals war ich 34, hatte 20 Jahre Theater gespielt und wollte etwas anderes machen.“ Sie absolvierte als Gaststudentin verschiedene Filmseminare an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (DFFB) und nahm am einjährigen Step-by-Step Drehbuchprogramm der „Masterschool Drehbuch“ teil. Kristin Derfler hat unter anderem die Komödie „Mama arbeitet wieder“ geschrieben. „Man braucht eine Leidenschaft fürs Kino und die Fähigkeit, in Bildern zu denken“, beschreibt die Autorin die Voraussetzungen, die man für den Beruf mitbringen sollte. „Und man muss das Handwerk lernen.“

Der Ausbildungsmarkt für Drehbuchautoren ist groß, neben Vollzeitangeboten werden von vielen Anbietern zum Beispiel Online-Kurse, Abend- oder Wochenendseminare veranstaltet. „Man muss diesen Beruf zu 100 Prozent machen wollen, sonst sollte man es lassen“, sagt Peter Henning. Er ist Professor an der Hochschule für Film und Fernsehen Konrad Wolf (HFF) in Potsdam und Vorstandsmitglied im Verband Deutscher Drehbuchautoren (VDD). Henning empfiehlt die Ausbildung an einer der großen Filmhochschulen – also zum Beispiel der HFF oder der DFFB. Dort geben Menschen ihre Erfahrungen weiter, die selbst gut im Geschäft sind. Und die Studenten können ein gutes Netzwerk aufbauen. „Wer schreiben will, sollte sich nicht bremsen lassen,“ sagt Henning. Auch nicht davor, dass eine profunde Ausbildung mehrere Jahre dauert.

Angaben zum Durchschnittseinkommen von Drehbuchautoren gibt es nicht. Ganz klar ist dagegen: Der Job ist unsicher und unterliegt vielen Risiken. Auf ein erfolgreiches Jahr kann eine Durststrecke folgen, die auch zur finanziellen Belastung werden kann: „Die Urheberrechte der Autoren werden zunehmend beschnitten“, sagt Kristin Derfler, „die Auswertung bei den Sendern und im Internet pauschal abgegolten.“ Und die Leistung selber, also der gesamte Stoffentwicklungsprozess von der ersten Idee bis zur abgenommenen Drehfassung, nicht angemessen vergütet. „Eine intensive Recherche, die glaubwürdige Figuren schafft und ein Thema entsprechend heraus arbeitet, muss der Autor schon selber finanzieren.“ All das stehe im krassen Widerspruch zu der Tatsache, dass nach wie vor Filme mit und nicht ohne Drehbücher produziert werden.

Wer im Bereich der täglichen Serien arbeitet und zum Beispiel für Telenovelas schreibt, kann mit einem Buch schneller und kontinuierlich Geld verdienen: pro geschriebener Telenovela-Folge rund 2500 Euro. Im Monat schafft man etwa vier Folgen und verdient gut – hat aber auch ein sehr hartes Arbeitspensum und häufig eine Arbeitswoche von 60 bis 70 Stunden. Für ihre alltägliche Arbeit müssen Drehbuchautoren vor allem Disziplin aufbringen: Sie sollten möglichst täglich schreiben – und sich gut selbst organisieren.

„Mit den Jahren habe ich mir angewöhnt, wie ein Bürohengst von Montag bis Freitag zwischen neun und 17 Uhr am Schreibtisch zu sitzen“, sagt Kristin Derfler. Die – auch das gehört zu Realität eines Drehbuchautors – neben ihrem Beruf und der Familie kaum Zeit für anderes hat. „Das empfinde ich aber nicht als Mangel, im Gegenteil.“ Diese Art der Konzentration entspreche wohl am besten ihrem Charakter.

Als richtige Drehbuchautorin hat sich Kristin Derfler eigentlich erst nach dem zweiten verfilmten Neunzigminüter gefühlt. „Für das Selbstwertgefühl ist es extrem wichtig, die Bücher realisiert zu sehen und nicht für die Schublade zu schreiben.“ Bis sie ihre Stoffe erfolgreich auf die Leinwand oder ins Fernsehen gebracht haben, müssen Drehbuchautoren sehr beharrlich sein. Und die „Entscheider“ begeistern und überzeugen können.

„Es gehört zum Alltag, dass die Bücher überarbeitet werden müssen", sagt Kristin Derfler. „Als Drehbuchautor ist man ständiger Kritik ausgesetzt und benötigt eine große Leidensfähigkeit, damit man nicht daran zerbricht.“ Drehbuchschreiben sei trotz aller Professionalität eben etwas sehr Persönliches“. Es komme auch vor, dass man aus dem Projekt, dem das eigene Buch zugrundeliegt, hinausgeworfen oder ein anderer Autor für die letzte Fassung engagiert wird. „Das ist hart, aber gehört leider auch zum Berufsalltag eines Drehbuchautors dazu.“

Es sei wichtig, das „System“ zu verstehen und das Gespür für die richtigen Partner zu entwickeln. „Sowohl bei den Sendern als auch bei den Produzenten braucht man Verbündete, Unterstützer und Förderer, mit denen man gut und kontinuierlich zusammenarbeiten kann“, sagt die Drehbuchautorin. Wichtig ist auch noch eine andere Person: „Ein guter Agent ist nicht nur in allen möglichen Lebenslagen und Krisen hilfreich, sondern als Schaltstelle zwischen Autor und Markt unverzichtbar.“

Bei den Ideen hilft den Autoren Lebenserfahrung – und der regelmäßige Blick über den Tellerrand: Davon ist der Filmemacher York-Fabian Raabe überzeugt, der an der DFFB studierte und danach seine eigene Produktionsfirma gründete. Inspiration für seine Bücher zieht der ausgebildete Industriekaufmann und studierte Betriebswirt aus seinen vielen Reisen. „Meine Vita hilft mir im zweiten Schritt, wenn es darum geht, authentische Figuren und glaubwürdige Métiers zu erzählen.“

York-Fabian Raabe verfilmt seine Bücher auch. „In Deutschland ist der Sprung vom Drehbuchautor zum Regisseur weniger häufig als in Amerika.“ Das liege daran, dass die Wichtigkeit des Drehbuchs in Deutschland noch nicht ausreichend erkannt worden sei. Auch wenn das die meisten behaupten würden. „Das Drehbuch ist für mich das Herz eines Filmes und der Ort, wo die Geschichte zum ersten Mal entsteht“

Lebenserfahrung ist auch für Eva-Maria Fahmüller eine Kompetenz, die angehende Drehbuchautoren mitbringen sollten: An der Masterschool Drehbuch bietet sie sowohl Seminare für Anfänger als auch für etablierte Autoren an, die sich weiterbilden wollen. Zurzeit werden dort auch 18 Teilnehmer in der zertifizierten „Ausbildung zum Autor für Film und TV“ unterrichtet.

„Zur Ausbildung gehört nicht nur die Vermittlung des Handwerks“, sagt sie. Sondern auch die Vermittlung von Branchenkontakten. Die Masterschool Drehbuch kooperiert dabei mit mehreren Serienproduzenten. Die Azubis können Stoffe für deren Serien schreiben und einreichen. Ehemalige Teilnehmer arbeiten heute unter anderem als Theaterautor – oder für den Kinderkanal.

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