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Wirtschaft: „Das hält doch keiner bis 67 durch“

Gewerkschafter demonstrieren in Berlin gegen den späteren Rentenbeginn

Berlin - Markus Kopetzky hat an diesem Morgen schon einen weiten Weg hinter sich. Aus Worms ist der gelernte Schriftsetzer angereist, um in Berlin gegen die Rente mit 67 zu demonstrieren. Genauso wie Eva Möhring. Sie arbeitet in einem Postverteilzentrum in Magdeburg. „Bei uns sind fast nur Frauen beschäftigt“, sagt sie, „ständig schleppen wir 30-Kilo-Pakete. Das hält doch keine bis 67 durch.“

Deshalb stehen Kopetzky, Möhring und gut 300 weitere Gewerkschafter an diesem Montagmittag im Berliner Nieselregen. Während wenige hundert Meter weiter der Sozialausschuss des Deutschen Bundestages Rentenexperten zur Verschiebung des Renteneintrittsalters befragt, machen am Bahnhof Friedrichstraße Gewerkschaftsführer Stimmung gegen die geplante Rentenreform. „Wer ohnehin nichts hat, dem nimmt die Regierung noch den Rest“, schimpft IG- Bau-Chef Klaus Wiesehügel. „Normale Menschen, die keine Assistenten haben, die für sie arbeiten, sind mit 65 fertig“, meint auch DGB-Chef Michael Sommer.

Die Kritik im Paul-Löbe-Haus ist leiser. Sie entzündet sich vor allem an einem bestimmten Passus im Gesetzentwurf. Danach sollen Arbeitnehmer weiterhin abschlagsfrei mit 65 in Rente gehen, wenn sie 45 Versicherungsjahre vorweisen können. Der Chef der „Wirtschaftsweisen“, Bert Rürup, hält das für einen „systematischen Verstoß“ gegen die Grundsätze der Rentenberechnung, weil die Beiträge der Versicherten dadurch ein unterschiedliches Gewicht bekommen. Axel Reimann, Direktor der Deutschen Rentenversicherung, sieht darin einen Verfassungsverstoß ebenso wie Marlene Schubert vom Zentralverband des Deutschen Handwerks. Gerade jene Arbeitnehmer, die besonderen Belastungen ausgesetzt sind, kämen meist nicht auf die notwendigen Jahre.

Dennoch sind sich die Experten im Grundsatz einig: Angesichts der längeren Lebenserwartung der Deutschen gebe es keine Alternative zum späteren Renteneintritt. Der könnte sogar noch weiter nach hinten verschoben werden. Das hatte zumindest Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) am Wochenende angedeutet und damit für heftige Empörung in der SPD gesorgt. Am Montag stellte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm klar: Es gebe „keine konkreten Gesetzesvorhaben“ über die Rente mit 67 hinaus.

Damit die Rente mit 67 kein reines Rentenkürzungsprogramm wird, fordert Walter Hirrlinger, Präsident des Sozialverbands VdK, eine Strafabgabe für Unternehmen, die keine älteren Mitarbeiter beschäftigen. „Wenn Firmen keine älteren Menschen beschäftigen, sollen sie eine Art Soli als Ausgleich an die Rentenkassen zahlen", sagte Hirrlinger dem Tagesspiegel. Die Hälfte aller deutschen Unternehmen hätten heute keine Mitarbeiter über 50 mehr. Das müsse ein Ende haben. Bevor man die Rente mit 67 einführe, müsse die Wirtschaft verpflichtet werden, alle Arbeitnehmer, die das wollen, bis zum 65. Lebensjahr zu beschäftigen. Hirrlinger forderte eine entsprechende Selbstverpflichtung der Wirtschaft. Klappe das nicht, müsse die Politik die Firmen zwingen. mit dpa

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