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Wirtschaft: „Das mit den Heuschrecken wird übertrieben“

Axel Herberg, Chef der Gerresheimer-Gruppe, über seine Erfahrungen mit Finanzinvestoren und den geplanten Börsengang

Herr Herberg, welche Erfahrungen haben Sie mit Heuschrecken?

Nur gute. Aber was sind eigentlich Heuschrecken? Man muss differenzieren.

Investcorp und Blackstone, die Ihr Unternehmen nacheinander gekauft haben, sind eindeutig das, was man Heuschrecken nennt: kurzfristige Finanzinvestoren.

Ja, das stimmt. Ich gehe mal zurück: Wir gehörten zur Viag-Gruppe, hatten aber als kleinstes Beteiligungsunternehmen eines Mischkonzerns eigentlich keine Möglichkeit, uns zu entfalten. Wir waren im M- Dax an der Börse. Und für uns war der Verkauf eine Chance, da herauszu- kommen und in die Freiheit entlassen zu werden. Wir hätten die Division eines großen Verpackungsunternehmens werden können. Aber wir wollten unser Schicksal selbst in die Hand nehmen. Wir waren sehr froh, dass wir jemanden gefunden haben, der uns unterstützt.

Waren die Mitarbeiter auch dafür?

Natürlich. Das mit den Heuschrecken wird übertrieben. Ein Unternehmen wird vom Management geführt, nicht vom Kapital. Wir haben uns hervorragend weiterentwickelt, und das nützt unseren Mitarbeitern. Das sind heute mehr als vor sechs Jahren.

Was macht den Unterschied? Blackstone ist doch überall Blackstone.

Das glaube ich nicht. Es macht einen Unterschied, ob Sie Wohnungen kaufen oder sich an einem Industrieunternehmen beteiligen. Aber die wollen in jedem Business Geld verdienen. Und das ist ein legitimer Anspruch. Geld verdienen heißt nicht unbedingt Stellenabbau. Bei uns sind weder die Investitionen runtergefahren noch schnell Leute rausgeschmissen worden. Wir wurden nicht ausgeplündert.

Aber es gibt andere Beispiele.

Ja. Es gibt eben wie überall gute und schlechte.

Und wovon hängt das ab?

Private-Equity-Leute sind schlaue Menschen. Die wollen Wert schaffen. Nur wenn ihnen das gelingt, werden sie auch Renditen erzielen. Und bei uns wird der Wert damit geschaffen, das Unternehmen in die richtige Richtung wachsen zu lassen. Ein Unterschied ist vielleicht, dass wir als Management schon lange dabei sind. Als ich kam, haben wir Bier- und Weinflaschen hergestellt. Das ist nicht ehrenrührig, aber damit konnten wir nichts werden. Dieses Geschäft ist beim Weltmarktführer gelandet. Das ist in Ordnung. Jetzt sind wir Weltmarktführer für Pharmaverpackungen. Und wir wollen die Politik des intelligenten, gezielten Zukaufs fortsetzen. Das sind überwiegend Familienunternehmen in Europa und Nordamerika, an denen wir interessiert sind.

Woher kennen Sie die?

Ach, unsere Welt ist nicht so groß. Man kennt sich.

Bekommt es Unternehmen sogar ganz gut, wenn sie für einige Jahre mit kurzfristigen Renditeerwartungen konfrontiert werden?

Uns hat das schneller gemacht. Aber wenn Sie an der Börse sind, müssen Sie Quartalsberichte erstellen. Kurzfristiger geht es ja nun wirklich nicht. Ich dagegen hatte Zeit, etwas aufzubauen.

Also nur gute Erfahrungen?

Ich kann Ihnen beim besten Willen nichts Negatives erzählen. Natürlich ist eine hohe Verschuldung nicht nur positiv, wir müssen da hart am Wind segeln und stehen unter einer gewissen Spannung. Das will ich nicht verhehlen.

Heiner Geißler sagt, Unternehmen scheiterten heute nicht mit ihren Produkten, sondern an den Finanzmärkten. Stimmt das?

Nein. Sie haben heutzutage so viele Möglichkeiten der Fremdfinanzierung. Es ist Geld ohne Ende in der Welt. Und die Zinsen sind niedrig. Was will ich als Unternehmen mehr?

Was kann ein Unternehmen, dem eine Heuschrecke ins Haus steht, von Ihnen lernen? Viele Manager haben davor Angst.

Das glaube ich nicht. Private Equity hat keine Manager. Das sind Finanzleute. Vielleicht wechseln sie am ersten Tag das ganze Management aus. Das gibt es. Aber wahrscheinlicher ist, dass sie mit dem vorhandenen Management arbeiten. Und dann geht es nur um Leistung. Ein erfolgreiches Management hat eine gute Zukunft.

Wie funktioniert denn die Abstimmung mit Blackstone in der Praxis?

Ich habe Wert darauf gelegt, einmal im Monat ein Meeting mit meinem Beirat zu haben. In dem Gremium ist Blackstone vertreten und damit eingebunden.

Und wenn die höhere Renditen fordern, dann macht man die Schultern breit.

Nein. Man einigt sich auf die Geschäftspläne. Die sollte man dann aber auch einhalten. Aber das ist doch auch nicht anders, wenn Sie börsennotiert sind. Wenn Sie die Erwartungen nicht ganz einhalten, werden Sie doch abgestraft. Und wissen Sie, was ich unserer finanzierenden Bank alles vorlegen muss? Das Korsett ist enger geworden.

Sie sind von der Börse genommen worden, jetzt soll es zurück an die Börse gehen.

Mit der ersten Übernahme durch Investcorp und JP Morgan begann die Restrukturierung und Fokussierung. Seit der Übernahme durch Blackstone läuft die Expansion. Und die dritte Phase sehe ich an der Börse, weil die Finanzierung da auf Dauer natürlich günstiger ist. Das Eigenkapital ist einfach billiger.

Das haben Sie für 2007 angekündigt. Das Umfeld ist jetzt sehr günstig. Wäre es nicht richtig, das Vorhaben vorzuziehen?

Es gibt Investmentbanken, die das so sehen. Ich tue das nicht. Ich möchte das von der Unternehmensentwicklung abhängig machen. Dieses Jahr werden wir nicht rausgehen. Wir planen eine Reihe von Akquisitionen. Und wenn uns 2007 die Weltwirtschaft dazwischen kommt, dann können wir das verschieben.

Was ist Ihre „Story“ für den Börsengang?

So ein Unternehmen wie uns gibt es eigentlich gar nicht. Wir sind weltweit das einzige größere Verpackungsunternehmen, fokussiert auf die Pharmaindustrie.

Sind Sie nicht mit weniger als einer Milliarde Euro Umsatz zu klein für die Börse?

Es wäre besser, wenn wir drüber wären.

Wie lange brauchen Sie dafür?

Wenn es gut läuft, erreichen wir vielleicht im nächsten Jahr eine Milliarde. In diesem Jahr werden wir – ohne Zukäufe – etwa 650 Millionen haben.

Das Interview führten Moritz Döbler und Ursula Weidenfeld

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