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Wirtschaft: Das Projekt Großflughafen kommt langsam ins Rollen

Eigentlich hätte es massive Proteste hageln müssen.Zur Teilfinanzierung des geplanten Großflughafens soll den Fluggästen in Berlin eine neue Nutzungsgebühr zugemutet werden.

Eigentlich hätte es massive Proteste hageln müssen.Zur Teilfinanzierung des geplanten Großflughafens soll den Fluggästen in Berlin eine neue Nutzungsgebühr zugemutet werden.Ein Zuckerbrot für die Investoren, die die Berliner Flughäfen übernehmen und den Betrieb des neuen Flughafens in eigener Regie durchführen wollen.Der Berliner Airport-Taler, in Deutschland ein Novum, soll zwischen zehn und 20 DM liegen und würde sich bei bereits zwölf Millionen Passagieren jährlich auf jeden Fall rechnen.Doch die beiläufige Ankündigung von Bundesverkehrsminister Matthias Wissmann vor wenigen Wochen, Berlin müsse sich wohl oder übel auf eine Art Flughafensteuer einstellen, rief, ausgenommen von einer empörten Handelskammer, die auf die möglichen Wettbewerbsnachteile für die Region hinwies, keine weiteren Kritiker auf den Plan.Selbst der Regierende, der zunächst seine ablehnende Haltung zu Protokoll gab, hüllt sich in Schweigen.

Das liegt nicht unbedingt an den Ferienwochen.Der Grund ist, daß zur Zeit niemand ein Interesse an neuen Aufgeregtheiten und unnötigen Verzögerungen hat.Niemand - das bedeutet vor allem keiner der drei Gesellschafter der Berlin Brandenburg Flughafen Holding (BBF), die die Airports Tegel, Tempelhof und Schönefeld verkaufen möchten und und gleichzeitig Investoren für Bau und Betrieb des neuen Großflughafens in Schönefeld suchen.Nach mühevollen Jahren, nach kräftezehrenden Rangeleien wollen die Verantwortlichen - der Bund, Berlin und Brandenburg - das Projekt nun in trockene Tücher bringen.Zeit- und Wettbewerbsdruck sind enorm.Allerorten werden die Flughäfen ausgebaut und auf größere Kapazitäten getrimmt.Und weil die öffentliche Hand das nicht länger finanzieren kann, stehen Flughäfen zum Verkauf.Einige sind bereits an der Börse.Angefangen von der British Airports Authority mit ihren sieben Flughäfen, über Kopenhagen, Wien und Rom.Auch deutsche Flughäfen zählen inzwischen zu den Privatisierungskandidaten.

Ganz konsequent wird der Verkauf zur Zeit in Berlin betrieben.Spätestens bis Anfang September sollen die vergleichbaren Angebote der beiden übriggebliebenen Investoren-Konsortien vorliegen.Noch im Rennen ist Hochtief mit dem Flughafen Frankfurt, der ABB Calor GmbH Schaltanlagen und gegebenenfalls der Bankgesellschaft Berlin im Schlepptau.Zweiter Anwärter für das milliardenschwere Großprojekt ist die Bonner IVG Holding mit dem Flughafen Wien, der Dresdner, der Commerzbank und der Dorsch Consult GmbH.Bis Ende September will sich die mit über 700 Mill.DM verschuldete Fughafenholding entschieden haben.Spätestens dann wird man auch sehen, zu welchen Konditionen das Flughafen-Vorhaben - mit etwa acht Mrd.DM veranschlagten Investitionskosten eines der größten Infrastrukturprojekte Europas - überhaupt realisiert werden kann, und was das die Gesellschafter am Ende kostet.

Zwar will sich die Flughafenholding die Betreiberlizenz für die drei Berliner Flughäfen nicht zum Nulltarif abkaufen lassen."Der Preis entscheidet," betont der Sprecher der Projektplanungs-Gesellschaft, Burkhard Kieker.Doch schon jetzt steht fest, daß mit dem Deal wohl kein üppiges Geschäft zu machen ist.Das Gegenteil scheint wahrscheinlicher: Ohne finanzielles Entgegenkommen der Flughafenholding dürfte sich kaum ein Investor für die Übernahme der Flughäfen und das Projekt Großflughafen interessieren.Aus gutem Grund spricht selbst Bundesverkehrsminister Wissmann inzwischen nur noch von einer weitgehenden - "80 bis 90prozentigen" - Privatfinanzierung des Großprojektes.In einem Konsensbeschluß zwischen Bund, Berlin und Brandenburg vom Mai 1996 war noch von einer vollständig privaten Finanzierung die Rede.

Angestrengt nachgedacht wird deshalb auch darüber, wie dieses Thema aus der öffentlichen Diskussion herausgehalten werden kann.Ein lauter Streit um staatliche Zuschüsse - in welcher Form auch immer - könnte das ganze Vorhaben erneut verzögern.Um noch von dem zeit- und kostenschonenden Verkehrswegebeschleunigungsgesetz profitieren zu können, sind allerdings Fristen einzuhalten.So müssten bis spätestens Ende 1999 die Investitionspläne fix und fertig und alle Arbeiten für das Planfeststellungsverfahren abgeschlossen sein.Und tatsächlich will man bereits Anfang nächsten Jahres das Planfeststellungsverfahren eröffnen.

Damit alles rechtzeitig unter Dach und Fach gebracht werden kann, sind Gedankenspiele darüber angestellt worden, an welchen Stellen sich die Verkäufer - der Bund, Berlin und Brandenburg - unter Umständen kompromißbereit zeigen könnten, ohne den Schuldenberg zu vergrößern.Um den Investoren Kauf, Bau und Betrieb schmackhaft zu machen und im vorgesehenen Zeitplan zu einer Einigung zu gelangen, soll nicht nur die Nutzungsgebühr her.Das mit 540 Mill.DM Schulden belastete Baufeld Ost, das zu überhöhten Preisen angekauft worden war und das nun nicht mehr für einen Großflughafen in Schönefeld benötigt wird, soll aus dem Verkaufspaket herausgenommen und in eine noch zu gründende Grundstückgesellschaft eingebracht werden.

Wie die Holding, die mit ihren Flughäfen ohnehin nicht gerade üppig verdient, dann aber diese schwere Hypothek begleichen will, ist offen.Zwar haben die Brandenburger für alle Fälle schon einmal Vorsorge getroffen - in Form einer Etat-Ermächtigung in Höhe von 210 Mill.DM.Doch im Ernstfall müssen auch noch die zustimmungspflichtigen Parlamentarier zu Wort kommen - nicht nur in Brandenburg.Angesichts leerer Kassen eine fragwürdige Angelegenheit.

Die Investoren jedenfalls sind nur an einem Gelände interessiert, das ihnen den Bau des geplanten Großflughafens ermöglicht.Umso besser, wenn ihnen die Immobilien zu einem günstigen Erbbaupachtzins von weniger als den üblicherweise zu zahlenden sechs Prozent überlassen werden und ihnen komplizierte Grundstücksgeschäfte erspart bleiben.Etwa 70 Prozent der nötigen Flächen sollen schon zusammengetragen worden sein.Kein großes Kunststück: Immerhin können sich Bund und Berlin dabei aus den eigenen Beständen bedienen.Allein Brandenburg muß wohl noch zukaufen, falls sich Potsdam und Berlin nicht auf einen Grundstückstausch verständigen können.Ohne grünes Licht vom Parlament freilich geht auch hier nichts.Schwacher Trost: Für den kostbaren Boden müßte Potsdam unter Umständen nur noch den Verkehrswert bezahlen.Das Nachsehen hätten jedenfalls diejenigen, die spekuliert haben.Und davon gibt es offenbar mehr als man bisher angenommen hat.Neben dem schuldenschweren Baufeld Ost hat die Flughafenholding nämlich noch ein Baufeld Nord geortet, das sich Geldgeber aus Liechtenstein und den Niederlanden zusammengekauft haben sollen.

Zwecks Klimaverbesserung hat sich die Flughafenholding auch noch überlegt, gegebenenfalls nicht nur 74,9 Prozent sondern 100 Prozent ihrer Anteile zu verkaufen.Gleichwohl sollen Berlin und Brandenburg zwei Aufsichtsratsmandate behalten.Es gibt allerdings Stimmen aus den Konsortien, die eine direkte Beteiligung der öffentlichen Hand favorisieren.Bernd Fahrholz, Dresdner-Bank-Vorstand, erklärte unlängst in Berlin, er halte es für "sehr erwägenswert", daß die öffentliche Hand als Gesellschafter der BBF mit im Boot bleibt.Diverse Juristen sind zur Zeit damit beschäftigt zu prüfen, wie man am Ende verfahren kann.

Die Kompromißbereitschaft innerhalb der Holding ist ein deutliches Zeichen dafür, daß man in Zukunft gemeinsam an einem Strang ziehen will.Von den lautstarken Auseinandersetzungen zwischen den Lokalpatrioten ist zur Zeit jedenfalls nicht mehr viel zu hören.Zwar kann Jürgen Linde, Chef der Potsdamer Staatskanzlei und Aufsichtsratsvorsitzender der Projektplanungs-Gesellschaft, immer noch nicht verknusen, wenn Berlins CDU-Fraktionschef Rüdiger Landowsky wieder einmal das Thema Tegel auf die Tagesordnung setzt.Doch die Zeit arbeitet für Linde.Jeder vernünftige Berliner dürfte schließlich verstanden haben, daß Tegel auf Dauer keine Alternative sein kann.Als Standort für den geplanten Großflughafen, an dem einmal mehr als 20 Millionen Passagiere abgefertigt werden sollen - also fast doppelt soviel wie heute auf allen drei Berliner Flughäfen zusammen - kommt Reinickendorf jedenfalls nicht in Frage.Allenfalls wäre noch zu diskutieren, ob Tegel oder auch Tempelhof als Regierungsflughafen überleben sollte.Eine eingeschworene Fangemeinde, die für die Öffnung von Tempelhof über das Jahr 2002 hinaus plädiert, gibt es bereits.Für die beiden Käufergruppen allerdings steht eindeutig fest: Was auch immer der Zuschlag beinhaltet, Tegel und Tempelhof müssen geschlossen werden.

MARTINA OHM

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