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Durchstarten. Wie man nach einer Jobkrise weitermacht, liegt bei jedem selbst. Experten raten, Schritt für Schritt abzuklären, wie es nun weitergeht. Dazu gehört auch, sich und den Vorgesetzten unangenehme Fragen zu stellen. Foto: fotolia

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Wirtschaft: Das Scheitern als Chance

Ob Kündigung oder erfolglose Bewerbung: Es kann das Ende sein – oder ein Neuanfang.

In manchen dieser Momente, die Menschen als berufliches Scheitern empfinden, sitzt gegenüber Thomas Loy. Der Arbeitspsychologe und Vorstand von O&P Consult in Heidelberg berät Unternehmen, die Stellen besetzen. Er analysiert das Entwicklungspotenzial von Mitarbeitern. Er spricht Empfehlungen aus und er entscheidet, wer keine Empfehlung bekommt.

Bei einer Beförderung das Nachsehen zu haben, nach der Probezeit nicht verlängert zu werden oder gar eine Kündigung: Absagen an die eigene Person stellen für alle Menschen eine Verletzung dar. „Scheitern ist eine negative Erfahrung, aber eine große Lernchance“, sagt Loy. Denn um schnellst möglich aus dem Schmerz wieder herauszukommen, helfe nur der Weg aus der Opferrolle, der zu einem „inneren Dialog der Abwertung“ führt. Je länger man aber passiv bleibt, desto größer der Schrecken und höher die Gefahr in der Opferrolle zu verharren. Der erste Schritt auf diesem Prozess liegt laut Loy bei dem Arbeitgeber, klar und transparent zu machen, warum es zu dieser Entscheidung gekommen ist. Unabhängig, ob dieser seiner Verantwortung nachkommt oder nicht, erfordert es vom einzelnen die Entscheidung, sich der schmerzhaften Erfahrung zu stellen – und sich und dem Gegenüber Fragen zu stellen. So kann es gelingen, dass man rückblickend sagen kann: Ohne diese schwierige Situation wäre ich heute nicht dort, wo ich bin.

„Scheitern ist ein Teil der Wirtschaft, in der wir leben“, sagt Loy, allerdings wird nur selten öffentlich über Scheitern gesprochen. Wenn, dann wird es sanktioniert und führt zu Vorwürfen. Besser ist es Schritt für Schritt abzuklären, wie es nun weitergeht. „Abarbeiten wie eine Haushaltsliste“, empfiehlt Loy.

Wer sich intern beworben hat und abgelehnt wurde, sollte nachfragen, welche anderen Entwicklungschancen es innerhalb der Firma gibt. Wo sehen Vorgesetzte, vertraute Kollegen, Freunde oder ein Coach das eigene Potenzial? Warum hat es nicht geklappt? Fehlen Kompetenz oder wurden sie nur nicht richtig vermittelt? Wichtig sei es, ein realistisches Selbstbild zu bekommen, sagt Loy, um Frustration und eine „Anhäufung von Niederlagen“ zu vermeiden.

„In Grenzen verzweifeln“ empfiehlt die Berliner Berufsberaterin Uta Glaubitz selbst bei Kündigung. Man könne sich bewusst zwei Stunden in die Badewanne legen und heulen, dann zwei Stunden ins Bett legen und heulen – aber dabei sagen „und morgen mache ich mir einen Plan.“ Denn die Momente des Scheiterns sind auch die Momente, um wichtige Fragen zu stellen, die in der Zeit davor zu kurz gekommen sind; selbst Kündigungen bahnen sich häufig an. Bin ich am richtigen Platz, war ich richtig bei der Sache? Oder will ich in meinem Leben etwas anderes machen? „In Konferenz mit dem Herzen zu gehen“, rät Glaubitz. Aus der Antwort auf diese Fragen ergeben sich die konkreten nächsten Schritte: bewerbe ich mich in meiner Branche um eine vergleichbare Stelle, will ich mich weiterbilden oder umorientieren? Einen kühlen Kopf bewahren, das beginnt schon bei dem Kündigungsgespräch selbst. „Atmen Sie drei Mal durch“, sagt Glaubitz, dann bedankt man sich für die Zeit und das, was man gelernt hat, und geht für diesen Tag mal nach Hause. Davor kann man noch nachfragen, wie man das mit dem Arbeitszeugnis regelt, ansonsten ist das ein erster Punkt für den nächsten Tag. Am nächsten Tag durchforstet man seinen Computer, räumt auf und sichert alle Dateien, die man benötigt. Schließlich verabschiedet man sich und bedankt man sich bei allen Kollegen und Vorgesetzten. „Man weiß nie, wo man sich wiedertrifft“, sagt Glaubitz.

Begründen muss man das Verlassen des Unternehmens nicht, so Glaubitz. Im Gegenteil gelte das französische Sprichwort „Qui s’éxcuse, s’accuse“, wer sich entschuldige, klage sich an. Auch in schriftlichen Bewerbungen müsse man nicht ausführen, warum man ein Unternehmen verlassen hat. Wer in einem mündlichen Bewerbungsgespräch danach gefragt wird, dem rät sie zu einer offensichtlichen Floskel wie „Wir hatten unterschiedliche Ansichten über das Projekt“ und einem Lächeln. Damit sollte die Frage für jeden Personaler erledigt sein, denn jede andere Antwort, fehlende Loyalität gegenüber früheren Arbeitgebern sei für den nächsten Job ein Ausschließungsgrund. In Extremfällen wie Vertragsbruch oder bei sexistischer Diskriminierung solle man sich anwaltlich vertreten lassen, ansonsten rät Glaubitz davon ab, Zeit und Ressourcen in den Streit mit einem ehemaligen Arbeitgeber zu binden. Es lohne zum Beispiel nicht für ein besseres Arbeitszeugnis zu prozessieren, das sowieso zunehmend an Bedeutung verliere. Lieber mache man einen sauberen, würdevollen Abgang, sage der Chefin „Es tut mir leid, dass Sie so unzufrieden mit mir waren; aber dieses Arbeitszeugnis hilft mir nicht weiter“ und lässt es ihr auf dem Tisch liegen.

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