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Wirtschaft: „Das Schweizer Modell löst keine Probleme“

Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt über die Reform des Rentensystems und die Kürzung von Ansprüchen

Die Kommission zur Reform der Sozialversicherungssysteme hat ihre Arbeit noch gar nicht aufgenommen, da wird schon der Umbau der Rentenversicherung diskutiert: Verlängerung der Lebensarbeitszeit, höhere Einbußen bei Frühverrentung und das System zur Alterssicherung in der Schweiz. Neben dem Leiter der Kommission, Bert Rürup, plädiert nun auch Bundesfinanzminister Hans Eichel für das Modell der Altersabsicherung in der Schweiz. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt mahnt zur Vorsicht. Das Modell könne nicht einfach übertragen werden.

Herr Hundt, die Begeisterung für das Schweizer Modell als Vorbild für den geplanten Umbau der deutschen Rentenversicherung scheint keine Grenzen zu kennen.

Da rate ich zur Vorsicht. Die Schweiz hat einige nachahmenswerte Elemente, aber man kann das System nicht eins zu eins auf Deutschland übertragen. Ein Systemwechsel löst in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht die Strukturprobleme. Die müssen wir angehen.

Ein DreiSäulen-System aus staatlicher, betrieblicher und privater Altersvorsorge – wäre das nichts für Deutschland?

Im Prinzip schon. Nur können wir es uns nicht leisten, neben unserem System, das auf Leistung und Gegenleistung basiert, ein zweites System mit einem riesigen Volumen an Umverteilung einzuführen. Diese Doppelbelastung ist nicht finanzierbar.

Können wir nicht einfach unsere bestehende Rentenversicherung gegen ein neues Finanzierungsmodell austauschen?

Nein. Dadurch, dass alle Arbeitnehmer über ihre Beiträge verfassungsrechtlich garantierte Ansprüche erworben haben, sind uns die Hände gebunden. Die Ansprüche haben eigentumsähnlichen Charakter. Deshalb müsste das Schweizer Modell für eine lange Übergangszeit auf das deutsche draufgesattelt werden.

Was ist denn vorbildlich bei den Schweizern?

Der niedrige Beitragssatz der staatlichen Versicherung von 10,1 Prozent. Hierzulande sind wir in wenigen Wochen bei 19,5 Prozent. Diese hohen Personalzusatzkosten sind arbeitsplatzvernichtend.

In der Schweiz müssen alle, ob Arbeiter, Selbstständige oder Beamte, in die Rentenkasse zahlen. Sogar Zins- oder Mieteinkommen werden belastet. Das ergibt eine solide Basis . . .

. . . führt aber zu einer Art Grundrente.

Ist das negativ?

Das wäre eine Abkehr von unserem Prinzip, nach dem Rentenansprüche auf Einkommen und damit Leistung basieren. Wir müssen stattdessen das Anspruchsniveau von jetzt 70 Prozent auf 60 bis 62 Prozent senken. Mehr ist mit unserem System angesichts der demographischen Entwicklung nicht finanzierbar.

Sollten wir auch später in Rente gehen?

Das Renteneintrittsalter muss von 65 auf 67 Jahre heraufgesetzt werden. Nicht in einem Schritt, sondern stufenweise ab 2010.

Die Menschen gehen aber immer früher in den Ruhestand.

Diesen Trend müssen wir umkehren. Der frühere Ausstieg aus dem Erwerbsleben wirkt sich finanziell zu wenig aus. Statt 3,6 Prozent Abschlag pro Jahr sollten es fünf bis sechs Prozent sein. Das verstärkt den Anreiz, möglichst lange zu arbeiten.

Betriebsbedingte Kündigungen werden dann zunehmen. Die Firmen nutzen die Frühverrentung gern zum Arbeitsplatzabbau.

Diese Entwicklung muss gestoppt werden. Wir sollten nicht den Personalabbau erleichtern, sondern die Sozialabgaben senken.

Das Gespräch führte Dieter Fockenbrock.

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