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Wirtschaft: Das teuerste Jahr aller Zeiten

Wegen der Beben in Japan und Neuseeland geht 2011 bei den Versicherungen in die Geschichte ein.

Berlin - Für die Beziehung von Mensch und Natur war 2011 ein annus horribilis, ein schreckliches Jahr. Nie haben Naturkatastrophen größere gesamtwirtschaftliche Schäden verursacht: Ihre Gesamthöhe betrug 380 Milliarden Dollar (293 Milliarden Euro). Das war etwa doppelt so viel wie im Vorjahr und fast zwei Drittel mehr als im bisher teuersten Jahr 2005. Damals hatte Hurrikan „Katrina“ den Süden der USA überschwemmt. 2011 war fünfmal so teuer wie der Durchschnitt der vergangenen 30 Jahre. Das geht aus Daten hervor, die der weltgrößte Rückversicherungskonzern Munich Re am Mittwoch vorgelegt hat.

Auch die Höhe der versicherten Schäden stieg auf einen neuen Rekordwert von 105 Milliarden Dollar nach 101 Milliarden im bisherigen Rekordjahr 2005. Insofern war 2011 auch für viele Unternehmen der Versicherungsbranche teuer – vor allem im asiatisch-pazifischen Raum, wo 70 Prozent der Schäden angefallen sind. Die größte Rolle spielten dabei die Beben in Neuseeland im Februar und in Japan im März sowie die Überschwemmungen in Thailand im Herbst.

Das folgenschwerste Ereignis war erwartungsgemäß das Tohoku-Beben vom 11. März, benannt nach der japanischen Region, die dem Epizentrum im Pazifik am nächsten lag. Es erreichte eine in Japan bisher nicht gemessene Magnitude von 9,0 auf der Richterskala. Das Beben selbst habe wegen besonders strenger Bauvorschriften nur „relativ moderate“ Schäden verursacht, sagen die Statistiker aus München. Allerdings habe der folgende Tsunami, der mit Wellen von bis zu 40 Metern Höhe auf Land traf, die Infrastruktur ganzer Regionen verwüstet, hunderttausende Häuser zerstört: So entstand ein Schaden im Gesamtwert von 210 Milliarden Dollar, nur rund 40 Milliarden davon waren versichert. Damit war die Naturkatastrophe, die 16 000 Todesopfer forderte, die teuerste aller Zeiten. Die mittel- und langfristigen Schäden, die das Atomunglück von Fukushima verursacht hat und noch verursachen wird, sind darin noch nicht enthalten. Dort wird ein großes Gebiet auf unbestimmte Zeit unbewohnbar sein.

Angesichts dieser multiplen Katastrophe tritt das Beben, das nur drei Wochen zuvor die neuseeländische Stadt Christchurch weitgehend zerstörte, in den Hintergrund. Dort lag das Epizentrum nur wenige Kilometer vom Stadtzentrum entfernt. Bei einigen Wohngebieten lohnt der Wiederaufbau offenbar nicht, obwohl der größte Teil der Gesamtschadenssumme – 13 von 16 Milliarden Dollar – von Versicherungen erstattet wird.

Fast zwei Drittel der errechneten Schadenssumme weltweit geht auf diese beiden Beben zurück – also auf nur zwei von insgesamt 820 schadensrelevanten Ereignissen, die die Munich Re ausgewertet hat. Üblicherweise würden geophysikalische Ereignisse nur rund zehn Prozent zur Schadenssumme beitragen, hieß es. 90 Prozent davon seien sonst auf wetterbedingte Katastrophen zurückzuführen.

Die gab es auch, schon wegen des Klimaphänomens La Niña, das nach Angaben der Experten des Rückversicherers auch bei den schwersten Überschwemmungen seit 50 Jahren in Thailand eine Rolle gespielt haben dürfte. 800 Menschen kamen in den Fluten rund um Bangkok ums Leben, in sieben großen Industriegebieten, wo auch viele japanische Elektrokonzerne produzierten, kam es zu Produktionsausfällen. Rund ein Viertel der weltweiten Produktion von Computerfestplatten war davon beeinträchtigt.

„So eine Serie schwerster Naturkatastrophen wie im abgelaufenen Jahr ereignet sich zum Glück nur sehr selten“, sagte Torsten Jeworrek, der bei Munich Re das weltweite Rückversicherungsgeschäft verantwortet. Man habe es mit Ereignissen zu tun, deren Wiederkehrperioden bezogen auf den Ort des Ereignisses zum Teil bei einmal in 1000 Jahren oder sogar höher liegen würden. „Aber wir sind auf solche Extremsituationen vorbereitet“, sagte Jeworrek. Inwieweit sein Unternehmen als Marktführer betroffen ist, sagte er nicht. Die Aktie gehörte bei Handelsschluss mit minus 2,3 Prozent zu den größeren Verlierern im Dax. Die größten Verluste hatten die Aktionäre allerdings schon unmittelbar nach den Katastrophen verbucht: Mitte Februar, vor dem Beben in Neuseeland, war das Papier noch rund 125 Euro wert. Am Mittwoch notierte es bei rund 96 Euro.

Das Unternehmen wies indirekt auch auf eine Schwäche seiner jährlich veröffentlichten Statistik hin. Es ist eben nicht ganz leicht, eine Naturkatastrophe zu definieren: So zählte Munich Re bei den 820 gewerteten Schadensereignissen insgesamt rund 27 000 Todesopfer. Nicht berücksichtigt seien dabei aber die vielen Tausend Opfer der „schlimmsten Dürre seit Jahrzehnten“ am Horn von Afrika. Hier trage zudem Bürgerkrieg und politische Instabilität dazu bei, dass Hilfe von außen diese Menschen kaum erreicht.

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