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Wirtschaft: Das Ziel im Blick

Konzernchef Kleinfeld legt in Kürze die Halbjahresbilanz von Siemens vor: Die Geschäfte glänzen – trotz Schmiergeldaffäre

München - Trotz der Schmiergeldaffäre laufen die Geschäfte des Elektronikkonzerns Siemens rund. „Das Halbjahresergebnis wird ziemlich gut ausfallen“, hieß es am Freitag aus Konzernkreisen. Fast alle Sparten hätten die vorgegebenen Renditeziele erreicht, einige hätten sie sogar übertroffen. Fondsmanager und Analysten wollen sich damit aber nicht zufrieden geben. Sie halten weitaus ambitioniertere Margenziele für nötig, damit Siemens im internationalen Wettbewerb mithalten kann.

Analyst Theo Kitz vom Bankhaus Merck Finck glaubt, dass die Schmiergeldaffäre Konzernchef Klaus Kleinfeld sogar eher gestärkt hat. Dafür spreche auch, dass der Aktienkurs von Siemens seit Beginn der Affäre im November von 70 auf 85 Euro gestiegen sei. Die Analysten von Société Générale schreiben in einer aktuellen Studie, dass „die Bestechungsskandale die Umstrukturierungen bei Siemens beschleunigen dürften“.

Fondsmanager Christoph Niesel von Union Investment befürchtet dagegen, dass der Verbleib von Ex-Konzernchef Heinrich von Pierer an der Spitze des Aufsichtsrats Kleinfeld ausbremst. „Man müsste einen Schlussstrich unter die Vergangenheit ziehen und einen ganz neuen Schritt in die Zukunft machen“, sagte er. Dann hätte Kleinfeld „noch freiere Hand beim Konzernumbau“.

Ein Rücktritt kommt für von Pierer aber offenbar nach wie vor nicht in Frage – zumal er auch im Aufsichtsrat weiterhin starken Rückhalt hat. „Es gibt überhaupt keine Diskussion im größeren Kreis um einen Rückzug von Pierers“, sagte ein Aufsichtsrat dem Tagesspiegel am Sonntag. Die durchgängige Meinung sei, dass von Pierer „seinen Job zu Ende machen soll“.

Kurz nach seinem Amtsantritt vor zwei Jahren hatte Siemens-Chef Klaus Kleinfeld angekündigt, dass alle zehn Konzernbereiche ihre Renditeziele spätestens bis zur Präsentation der Halbjahresbilanz 2006/07 erreichen müssen. Er stehe persönlich dafür ein, dass diese Ziele erreicht werden, sagte er damals. In elf Tagen, am 26. April, ist es so weit, dann legt Kleinfeld die Zahlen vor.

Analyst Kitz erwartet, dass lediglich der Informationstechnikdienstleister SIS und die Kraftwerksparte Power Generation (PG) ihr jeweiliges Klassenziel verfehlt haben. SIS hat noch mit Restrukturierungskosten zu kämpfen. Der Bereich war erst kürzlich aus der jahrelang defizitären IT-Sparte SBS hervorgegangen. In der ansonsten profitablen Kraftwerksparte musste Siemens Rückstellungen bilden, weil es Probleme mit einem Atomkraftwerk in Finnland gibt, das die Deutschen zusammen mit der französischen Areva betreiben.

Dagegen vermuten Analysten, dass die Transportsparte TS und die Gebäudetechniksparte SBT, die im ersten Quartal noch die Hürde gerissen hatten, ihre Renditeziele erreicht haben dürften.

Applaus darf Klaus Kleinfeld für sein Etappenziel aber nicht erwarten. „Die vorgegebenen Ziele waren nicht besonders ambitioniert“, meint Niesel von der Fondsgesellschaft Union Investment, die zu den größten Investoren bei Siemens zählt. Er hofft, dass Siemens seine Renditeziele in den einzelnen Sparten deutlich anhebt, wenn der Konzern in der übernächsten Woche ein längerfristiges Unternehmensprogramm präsentiert. „Im Vergleich zu den Wettbewerbern stagnieren die Margen bei Siemens“, kritisiert Niesel. Der Konzern müsse deutlich profitabler werden, um im Wettbewerb mit internationalen Konkurrenten wie General Electric, Schneider und ABB mithalten zu können.

Vor allem in den Kernbereichen Automatisierung und Antriebstechnik, Medizintechnik und Energieerzeugung, auf die sich Siemens künftig fokussieren will, erwartet Niesel in Zukunft deutlich höhere Renditen. Für den Gesamtkonzern will Union Investment schon im kommenden Jahr eine Ebit-Marge von zehn Prozent sehen. Ebit ist das Ergebnis vor Zinsen und Steuern und die Ebit-Marge ein Maß für die Rentabilität. Im Geschäftsjahr 2005/06 war Siemens hier nur auf 4,4 Prozent gekommen.

Beim Konzernumbau sieht Niesel Siemens-Chef Kleinfeld aber auf dem richtigen Weg. „Ohne die vorgenommenen Umbaumaßnahmen wäre Siemens ein Übernahmekandidat geworden“, glaubt er. Die Loslösung der Automobilzuliefer- sparte VDO sei „der nächste richtige Schritt“, da der Bereich sehr kapitalintensiv sei und sich kaum höhere Margen erzielen ließen. Einen Verkauf hält Niesel allerdings für eine bessere Lösung als den geplanten Börsengang, weil dies mehr Geld und mehr Synergien bringe.

Außerdem erwartet der Fondsmanager, dass Siemens sich noch von Teilen der schwankungsanfälligen Sparten TS und SBT trennen wird. Auch Analyst Kitz meint, dass Kleinfeld den Konzern „für Siemens-Verhältnisse sehr schnell“ umgebaut hat. Die meisten Transaktionen, wie etwa die Akquisition von Bayer Diagnostics und das Joint Venture mit Nokia im Bereich der Telekommunikationsnetze, seien „sehr aktionärsfreundliche Maßnahmen“ gewesen.

Nicole Huss

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