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Wirtschaft: Dauerleihgabe

Michael K. ist seit sieben Jahren Zeitarbeiter. Aussicht auf eine feste Stelle hat er immer noch nicht

Seine berufliche Karriere beschreibt Michael K. mit einem Bild: „Das Wasser steht mir ständig bis zum Hals, aber ich saufe nicht ab.“ Der 45-jährige SAP-Berater ist bei einer Zeitarbeitsfirma in Bielefeld beschäftigt. Es ist die dritte, die er in den vergangenen sieben Jahren kennengelernt hat. An wie viele Unternehmen er schon vermietet wurde, weiß er nicht, „aber es müssen Dutzende gewesen sein“, sagt er. „Eine Zeitarbeitsfirma hat es sogar geschafft, mich innerhalb von sechs Monaten in zehn Jobs zu verheizen.“

Michael K., der seine Geschichte am Telefon erzählt, will raus aus der Zeitarbeit. Aber er glaubt, dass es nichts anderes für ihn gibt: „Die Einzigen, die mich zu Vorstellungsgesprächen einladen, sind eben Zeitarbeitsfirmen. Das ist mein Arbeitsmarkt.“ Seine Geschichte widerspricht damit der Behauptung, dass die Zeitarbeit eine kommode Übergangslösung für viele Arbeitslose zwischen zwei Festanstellungen sein könne. Michael K. fühlt sich eher ständig ausgenutzt: „Ich bin eine Ware, ich werde verkauft.“

An der Qualifikation von Michael K. kann es nicht liegen, dass er keinen Job findet. Er hat Wissenssoziologie in Bielefeld studiert und mit Eins abgeschlossen. Danach hat er in zahlreichen Jobs, unter anderem bei der Telekom, ständig neue Fähigkeiten im IT-Bereich erworben. Heute bezeichnet sich Michael K. als EDV-Spezialist. An seinem aktuellen Arbeitsplatz pflegt er die Datenbanken eines Handelskonzerns. Er macht diesen Job schon seit dem Frühling 2004. Obwohl die Firma seine Arbeit also offensichtlich schätzt, hat sie ihm schon zweimal gekündigt. Um ihn kurz darauf wieder einzustellen, jedes Mal wieder mit Probezeit und Einstiegslohn.

Die Zeitarbeitsfirma, bei der Michael K. derzeit beschäftigt ist, zahlt ihm acht Euro die Stunde. Er arbeitet 38 Stunden in der Woche und kommt auf rund 1000 Euro im Monat. Damit kann er die Ausgaben für Miete, Auto und Versicherungen bezahlen. Für Restaurant- oder Kinobesuche hat er selten Geld, geschweige denn für Urlaub. Sein Verhältnis zu den Kollegen beschreibt K., der ledig ist, als kühl. „Es ist geprägt von meinem Status als Zeitarbeiter“, glaubt er. „Man betrachtet mich nicht als Mitglied der Belegschaft. Wenn ich nett bin, heißt es, ich schleime, um eine Festanstellung zu kriegen.“

Obwohl Michael K. in der Gewerkschaft ist, traut er sich nicht, für eine Arbeitnehmervertretung zu werben, seit ihm eine Zeitarbeitsfirma deswegen gekündigt hat. Seinen jetzigen Arbeitgeber hat K. über die Mitgliedschaft belogen. Ob er der Zeitarbeit nicht etwas Positives abgewinnen könne? – „Klar. Ich komme nicht raus aus der Übung. Aber ist das eine Perspektive?“

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